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CORNELIUS, (CARL AUGUST) PETER * Mainz 24. Dez. 1824 | † ebd. 26. Okt. 1874; Komponist und Dichter

Obwohl von den fünf Lebensjahrzehnten des Dichterkomponisten nur knapp zwei auf seine Geburtsstadt Mainz entfallen – die übrigen verteilen sich auf Berlin (1844–1852), Weimar (1853–1858), Wien (1859–1864) und München (1865–1874) –, waren sie doch prägend für sein ganzes Leben. Emotional blieb Cornelius mit der Stadt am Rhein stets verbunden. Hinzu kamen starke persönliche Bindungen an seine Lieblingsschwester Susanne (1828–1917) und den väterlichen Freund, den Mainzer Weinhändler Carl Hestermann (1804–1876). Auf Wunsch des Vaters Carl Gerhard (1793–1843), der als Schauspieler u. a. in Mainz, Wiesbaden und Darmstadt tätig war, verließ Cornelius 1838 die Realschule und bereitete sich auf eine Bühnenkarriere vor; er trat in Nebenrollen an den vereinigten Theatern in Mainz und Wiesbaden auf und beschäftigte sich, wie die zahlreichen kritischen Auslassungen in den frühen Tagebuchnotizen beweisen, mit Theaterdichtung und auch darstellerischen Leistungen. Der plötzliche Tod des Vaters im Oktober 1843 bot Cornelius die Freiheit, sich seiner eigentlichen Leidenschaft zuzuwenden; schon zwei Jahre zuvor hatte er seinem Bruder Carl Adolf anvertraut: „Die Musik ist die Hauptsache für jetzt, und mein Streben richtet sich ganz nur dahin, in ihr tüchtig zu werden“ (Brief vom 29. Nov. 1841; zit. nach Wagner 2015, S. 20). Als erster Musiklehrer wird der Sänger Friedrich Andreas Scharrer (1783–1847) vom Mainzer Theater genannt; Klavierunterricht erhielt Cornelius in den Jahren 1834–1836 auch von Carl Koßmaly, und seit 1836 besuchte er die Mainzer Musikbildungsanstalt von Josef Panny, der Violin- und Theorieunterricht erteilte. Cornelius’ Fortschritte im Violinspiel erlaubten es ihm, seit 1840 – zunächst als Volontär, alsbald aber schon unter den ersten Geigern – im Mainzer Theaterorchester mitzuspielen. Vom Herbst 1841 bis zum Sommer 1843 unterrichtete ihn der damalige Liedertafel-Dirigent Heinrich Esser, unter dessen Aufsicht die ersten bemerkenswerten kammermusikalischen Versuche, aber auch Lieder und Chorstücke entstanden. Cornelius brachte also günstige Voraussetzungen mit, als er sich im Oktober 1844 in die Obhut des Musiktheoretikers Siegfried Wilhelm Dehn in Berlin begab. Durch die Übersiedlung nach Berlin und 1852 nach Weimar wurden die Kontakte zur Geburtsstadt Mainz naturgemäß seltener, rissen aber nie ganz ab. Ermuntert durch den Verleger Franz →Schott – er brachte zwischen 1854 und 1857 Cornelius’ Liederhefte opp. 1, 3 und 4 (CWV A 106, 112 und 108) heraus –, bewarb er sich 1853 und 1856, freilich erfolglos (Hermann Winkelmeier bzw. Friedrich Marpurg wurden ihm vorgezogen), um die Stelle des Musikdirektors der Mainzer Liedertafel. Die Wintermonate 1857/58 verbrachte er im Johannisgrund im Rheingau, um seinen Opernerstling Der Barbier von Bagdad (CWV A 126) zum Abschluss zu bringen. In dieser Zeit verkehrte er häufig im Hause des schöngeistigen und hoch gebildeten Mainzer Oberlandesgerichtsrats Wilhelm Jung (1795–1865), mit dessen Tochter Emma (1831–1860) Cornelius’ älterer Bruder Wilhelm (1822–1889) sich Ende 1857 verlobte. Im Kreise dieser Familie wurden einzelne Szenen des Barbier zum ersten Mal aufgeführt. Während der Wiener Jahre (ab 1859) besuchte Cornelius nur einmal seine Heimatstadt, als er am 5. Febr. 1862 anlässlich der Vorlesung der Meistersinger-Dichtung durch Richard Wagner im Verlagshause Schott im Weihergarten trotz widrigster winterlicher Bedingungen eintraf. Ermutigt durch die in Aussicht stehende Ernennung zum Dozenten an der Königlichen Musikschule in München (sie erfolgte erst 1867) und damit nun endlich eine einigermaßen gesicherte Existenz vor Augen, verlobte er sich 1865 mit seiner langjährigen Mainzer Freundin Bertha Jung, der 1834 geborenen jüngeren Schwester seiner inzwischen verstorbenen Schwägerin Emma. Die Vermählung erfolgte am 14. Sept. 1867 in Mainz. Während der Sommerferien 1871 verbrachte Cornelius mit der ganzen Familie einen unbeschwerten, über dreimonatigen Urlaub in seiner Heimatstadt, wo er viele Freunde wiedersah und zahlreiche Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung machte; anlässlich eines solchen nach Wiesbaden kam ihm die Anregung zu den Liebe-Chören op. 18 (CWV A 171) nach Texten von Angelus Silesius. Auch im Frühjahr 1873 besuchte er wieder die alte Heimat, als er auf einer Reise zu den Leipziger Musiktagen (15.–18. Apr.) einen Umweg über Mainz und Düsseldorf nahm. Noch einmal erlebte Cornelius 1874 sommerliche Ferienfreuden in Mainz, besuchte seine Schwester Elise in Düsseldorf, arbeitete an einer Übersetzung für Franz Liszt und an seiner dritten Oper Gunlöd (CWV A 162), als der Hausarzt der Familie, der wegen einer Erkrankung eines der Kinder zu Rate gezogen wurde, erkannte, dass Cornelius an einer weit fortgeschrittenen Zuckerkrankheit litt. Eine siebenwöchige Kur in Bad Neuenahr schien Besserung gebracht zu haben, als er, letztlich für alle überraschend, am Abend des 26. Okt. in Mainz verstarb. Sein Sterbehaus, Kupferbergterrasse 23, musste vor einigen Jahren einem Neubau weichen, an dem man aber die alte, von Christian Musel entworfene Gedenktafel wieder anbrachte. Bei den Gräbern der Familie Jung, an der Seite seines Schwiegervaters, auf dem Mainzer Hauptfriedhof fand Cornelius seine letzte Ruhestätte.

Nur zögerlich wurde sich Cornelius’ Geburtsstadt ihres bedeutenden Sohnes bewusst. So erlebte seine Oper Der Cid (CWV A 135) erst 1893, Der Barbier von Bagdad gar erst 1896 eine Mainzer Erstaufführung, beide Male unter der Leitung des Kapellmeisters Emil Steinbach. Auf Betreiben des Gesangvereins Mainzer Liederkranz, der sich durch die Pflege cornelianischer Chorwerke schon seit Jahren hervorgetan hatte, wurde 1894 eine Gedenktafel an Cornelius’ Geburtshaus angebracht. Nach Ablauf der 30-jährigen Schutzfrist 1904 erschien in den nächsten Jahren eine wahre Flut von Neuausgaben der Lieder und Duette von Peter Cornelius in den verschiedensten Verlagen, zu denen auch das Mainzer Haus B. Schott’s Söhne gehört. Letzterem war es vorbehalten, 1930 einige noch unbekannte kirchenmusikalische Werke aus dem Nachlass zu veröffentlichen (Stabat Mater, CWV A 72; Domine salvum fac regem, CWV A 100; Messe d-Moll, CWV A 103; Ave Maria, CWV A 145). Als Herausgeber fungierte der Magdeburger Cornelius-Forscher Max Hasse, der schon im Rahmen der Mainzer Feierlichkeiten zu Cornelius’ 100. Geburtstag am 10. Dez. 1924 im Konzertsaal der Liedertafel den Festvortrag gehalten hatte. Der von den Mainzer Gesangvereinen schon lange gehegte Wunsch, dem Meister des Chorliedes ein Denkmal zu errichten, ging am 26. Juni 1930 mit der Einweihung einer Marmorbüste auf sehr hohem Granitsockel im Rosengarten des Stadtparks in Erfüllung, geschaffen von dem Münchner Bildhauer Hugo Lederer. Dem Ereignis wohnten Sohn Carl Maria und Tochter Maria sowie zahlreiche Vertreter aus Staat und Kirche bei. 1937 wurde die Städtische Musikhochschule in Peter-Cornelius-Konservatorium (PCK) umbenannt. Darüber hinaus tragen im In- und Ausland mehrere Straßen seinen Namen – so beispielsweise in der Mainzer Neustadt, wo zudem ein Platz nach ihm benannt ist, und in Nieder-Olm. Im Jubiläumsjahr 1974 erinnerten Konzerte, eine Festaufführung des Barbier, eine Ausstellung von Originaldokumenten aus seinem Nachlass und ein wissenschaftliches Symposium, organisiert durch das Musikwissenschaftliche Institut der Johannes Gutenberg-Universität sowie die Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte, an sein Wirken. Ebenso findet 2024 ein Peter Cornelius Festival mit zwei Tagungen, einer Ausstellung, Lesungen, Konzerten und der Uraufführung seiner unvollendeten Oper Gunlöd statt. Als höchste Auszeichnung für verdienstvolle Musikschaffende verleiht das Bundesland Rheinland-Pfalz seit 1951 (und bis heute) eine von der Bildhauerin Emy Roeder entworfene Peter-Cornelius-Plakette, zu deren Trägern u. a. Joseph Knettel (1951), Franz Altmeier (1952), Arthur Berg (1952), Ludwig Strecker (1955), Rudolf Desch (1961), Ernst Laaff (1963), Karl Maria Zwißler (1965), Philipp Mohler (1976), Stephan Cosacchi (1978), Günter Wagner (1999), Christoph Hellmut-Mahling (2007) und Volker David Kirchner (2007) zählen.

Werke — s. Günter Wagner, Peter Cornelius. Verzeichnis seiner musikalischen und literarischen Werke, Tutzing 1986 (Mainzer Studien zur Musikwissenschaft 13) <> Günter Wagner, Peter Cornelius. Gesammelte Aufsätze. Gedanken über Musik und Theater, Poesie und bildende Kunst, Mainz u. a. 2004 (BzmM 38)

Quellen — Den umfangreichsten Bestand an Corneliana besitzt die Stadtbibliothek Mainz (Peter-Cornelius-Archiv). Kernstück ist der 1950 erworbene Nachlass, der bis heute durch Ankauf weiterer Originale wie auch den Erwerb von Kopien aus externen Beständen erweitert wird. Er enthält außer Musikautographen (die Jugendkompositionen waren um 1923 bereits an die Österreichische Nationalbibliothek in Wien gelangt; vgl. das Verzeichnis von Max Hasse aus dem Jahr 1929 digital) und Gedichtmanuskripten mehr als 2.000 Briefe von und an Cornelius, rund 60 Notiz- und Tagebücher sowie Gegenstände aus seinem Besitz und Druckwerke; vgl. die Bestandsbeschreibung und das Findbuch in Kalliope sowie die digitale Sammlung bei Dilibri, weiterhin Gunter Stephenson, Zeugnisse aus dem Leben und Schaffen eines Mainzer Komponisten. Der Peter-Cornelius-Nachlaß der Stadtbibliothek Mainz, in: Mainzer-Zeitschrift 59 (1964), S. 103–117, sowie [Barbara Glauert], Peter Cornelius und seine Zeit. Dokumente aus Mainzer Besitz (Ausstellungskatalog), Mainz 1974 <> Editionen: Carl Maria Cornelius, Peter Cornelius. Ausgewählte Briefe nebst Tagebuchblättern und Gelegenheitsgedichten, 2 Bde., Leipzig 1904/05 (= Literarische Werke 1–2) <> Paul Egert, Peter Cornelius. Ausgewählte Schriften und Briefe, Berlin [1938] <> Günter Wagner, Peter Cornelius. Briefe und Tagebuchblätter, 1. Bd., Mainz u. a. 2015 (BzmM 44) <> Ders., Peter Cornelius. Briefe und Tagebuchblätter, 2. Bd., Mainz u. a. 2024 (BzmM 46) <> gedruckte Quellen: Vgl. das Verzeichnis in Günter Wagner (2024)

Literatur (Auswahl; vgl. die Verzeichnisse in MGG2P sowie insbesondere bei Günter Wagner (2024), wo auch die Beiträge in der Mainzer Lokalpresse gelistet sind) — Adolf Sandberger, Leben und Werke des Dichtermusikers Peter Cornelius, Leipzig 1887 <> Max Hasse, Der Dichtermusiker Peter Cornelius, 2 Bde., Leipzig 1922/23 <> Carl Maria Cornelius, Peter Cornelius. Der Wort- und Tondichter, 2 Bde., Regensburg 1925 <> Herbert Schneider, Cornelius-Symposium 1974 in Mainz in: MittAGm 30 (1975), S. 82–88 <> Peter Cornelius als Komponist, Dichter, Kritiker und Essayist. Vorträge, Referate und Diskussionen, hrsg. von Hellmut Federhofer und Kurt Oehl, Regensburg 1977 (= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 48) <> Reinhold Chraska, Der Mainzer Dichter-Komponist Peter Cornelius in Salzburg und Trier, Trier 1992 <> Magda Marx-Weber, Art. Cornelius (Carl August) Peter, in: MGG2P <> James A. Deaville, Art. Cornelius, (Carl August) Peter, in: NGroveD <> Peter Cornelius zum 180. Geburtsjahr und 130. Todesjahr 2004, hrsg. von Christoph Hust, Mainz 2005 (= MittAGm 79) <> Stephan Zirwes, Vom „Studieren“ und „Zergliedern“. Zu Peter Cornelius’ Abschriften aus der komponierten Literatur, in: Neue Ansätze zur Skizzenforschung für die Musik des langen 19. Jahrhunderts, hrsg. von Stefanie Acquavella-Rauch, Berlin 2020, S. 129–141

Abbildung: Peter Cornelius, Photographie von Ferdinand Küss, Wien 1862; D-MZs (digital)


Günter Wagner (†) | Redaktion

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  • Zuletzt geändert: 2024/04/16 20:35
  • von kk
  • angelegt 2024/04/14 22:01