Fritz Holtzwart
HOLTZWART (HOLZWART), KARL (CARL) FRIEDRICH, gen. FRITZ * Liverpool 12. Jan. 1892 | † vmtl. Frankfurt/M. 1983; Kapellmeister, Dirigent, Pianist, Komponist
Fritz Holtzwart war der Sohn des Frankfurter Kaufmanns Johann Ludwig Georg Holtzwart (* Frankfurt/M. 14. Juni 1852 (nicht 1854) | † ebd. 12. Juni 1929) und der mit ihm dort 1890 verehelichten Christine Elisabeth, gen. Ella, geb. Henrich (* Frankfurt/M. 23. Okt. 1867 (nicht Mai 1868) | † ebd. 21. Apr. 1939). Die Familie lebte für kurze Zeit in England, wo außer Fritz die Kinder Bertha (* 1891) und Anna Maria (Annemarie, * 1893) geboren wurden, und kehrte 1894 nach Frankfurt/M. zurück. Dort besuchte Fritz das Wöhler-Gymnasium und schloss 1909 mit dem Abitur ab. Nachdem er bereits ersten Musikunterricht bei Eduard Ratzka genossen hatte, studierte Holtzwart 1909–1911 an der Musikschule in Frankfurt/M. bei Edmund (nicht Edward) Parlow (Klavier und Theorie), im Anschluss am Hoch’schen Konservatorium bei Iwan Knorr (Komposition), Bernhard Sekles (Kontrapunkt), (Wilhelm) Carl Breidenstein (Partiturspiel), Fritz Bassermann (Dirigieren) sowie Herbert Golden, Rudolf Racky und Alfred →Hoehn (Klavier). Als Dirigent trat er im Rahmen einer „Musik-Aufführung“ des Konservatoriums am 28. Apr. 1913 mit dem Larghetto aus Louis Spohrs 3. Sinfonie öffentlich auf; sein Debut als Komponist gab er im Rahmen eines Prüfungsabends des Konservatoriums am 12. Juni 1914 mit einer Suite für Klavier (Interpret war Max Jaffé).
Nach Abschluss des Studiums, das bis 1914 dauerte, bekam Holtzwart eine erste Anstellung am Kurtheater auf Rügen (2. Kapellmeister) mit den Spielstätten Putbus und Binz, bevor er als Kriegsteilnehmer noch im selben Jahr an der Ostfront verwundet wurde und aus dem Militärdienst ausschied. Es folgten mehrere kurze Engagements in Bamberg (1915f., 2. Kapellmeister), Bad Neuenahr (Sommer 1916, 2. Kapellmeister am Kurtheater) und Würzburg (1916f., Chordirigent am Stadttheater), sodann 1917 eine Verpflichtung für die „Vereinigten Sommertheater“ mit Tätigkeiten in Bonn, Marburg und erneut Binz, sowie weitere Verpflichtungen in Würzburg (1917f., 2. Kapellmeister), Heidelberg (1918f., Kapellmeister) und Landshut (1919f., 1. Kapellmeister). Am 19. und 22. Juli 1916 dirigierte Holtzwart in Königstein (Taunus) Wohltätigkeitskonzerte zugunsten der Kriegsfürsorge, in denen auch seine in Frankfurt/M. lebende Schwester Annemarie als Sopranistin mitwirkte. Auf dem Programm standen gleich mehrere eigene Werke. 1919 heiratete er in Heidelberg die Schauspielerin Johanna Ernestine Jakobine, gen. Edith Wiethase (* Kassel 11. Juli 1885 | † 29. März 1946).
Eine erste längere Verpflichtung ging Holtzwart in Ulm ein, wo er ab 1920 als Dirigent tätig war (bis 1922 als 2. Kapellmeister und Chorleiter, dann als 1. Kapellmeister, ab 1925 als Gast). 1924 und 1925 finden wir ihn auch als Kapellmeister in Bad Mergentheim und Baden-Baden (Gastdirigate), und 1925 als Pianist in Laupheim (hier als „ständiger Begleiter“ des Kammersängers Heinrich Hensel; vgl. Laupheimer Verkündiger 12. Juni 1925). Es folgten Aktivitäten beim Rundfunk in München und in Bad Wildungen (1928), sodann in Blaubeuren, wo Holtzwart 1932 den Ulmer Frauenchor leitete. Als „Leiter des NS-Singchors“ erscheint er 1933 (Nationale Rundschau, 16. Dez. 1933), 1934 folgten Gastdirigate bei den Stuttgarter Philharmonikern im Süddeutschen Rundfunk. Eine Serie von Sonderkonzerten führte Holtzwart in diverse Badeorte Deutschlands, darunter Wildbad (Juli 1937), Bad Ems, Bad Kreuznach, Bad Wildungen (alle im Sommer 1938); den Abschluss bildete ein großes Konzert in Wiesbaden am 16. Aug. 1938. Von 1932 bis 1938 leitete Holtzwart außerdem den Musikverein in Langenau (bei Ulm).
1938 erfolgte eine bis 1950 andauernde Anstellung beim Reichssender Frankfurt/M. (seit 1945: Hessischer Rundfunk), wo er bereits im Dez. 1933 als Gast und nun regelmäßig als Dirigent des Rundfunkorchesters zu hören war (zuletzt am 2. Okt. 1942). Während dieser Zeit gastierte Holtzwart regelmäßig – zuerst am 13. Jan. 1938 im Rahmen einer Sonderveranstaltung der Deutschen Arbeitsfront, zuletzt am 5. Apr. 1943 – bei den Kurhaus-Konzerten in Wiesbaden, auch mit eigenen Werken. Wohnsitz blieb jedoch zunächst Ulm: Noch 1939, bei einem Auftritt am 13. Nov., ist von „Fritz Holtzwart (Ulm)“ die Rede (Wiesbadener Tagblatt 13. Nov. 1939); erst 1940 erscheint er in den Frankfurter Adressbüchern, 1941 dann ausdrücklich als „Frankfurter Komponist“ (ebd. 23. Apr. 1941).
Gegen Ende des Kriegs, vielleicht schon 1943, zog Holtzwart nach Bad Nauheim, wo er 1948 seine zweite Ehe mit Margot Erika geb. Gustmann (* 21. Jan. 1914) schloss. Seine Tätigkeit als Dirigent nahm er wieder auf, vor allem mit regelmäßigen Gastspielen im Frankfurter Palmengarten. Wohnort wurde nachweislich ab 1954 erneut Frankfurt/M. (bezeugt in der Beurkundung einer totgeborenen Tochter; als Berufsbezeichnung erscheint hier „Rundfunk-Sachbearbeiter“). Zu den herausragenden Auftritten der Nachkriegsjahre gehörte zweifelsohne derjenige mit eigenen Werken am 8. Juni 1969 im Palmengarten. – Ort und genauer Zeitpunkt des Tods sind nicht sicher eruierbar; das bei Kalliope angegebene Todesdatum (14. Juni 1954) ist definitiv falsch.
Holtzwart war Mitglied in der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, im Komponistenverband sowie in der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger; nationalsozialistische Aktivitäten sind nicht bekannt. Beurteilungen noch aus der Zeit vor dem Krieg bescheinigen u. a.: „Als Komponist ist er ein hervorragender Könner, der – voller Einfälle – eine fesselnde Musik schreibt, als Dirigent klar und überlegen in der Zeichengebung, und ein außerordentlich muskalischer Gestalter, dem das Orchester mit Freude und Hingabe folgt“ (Musikdirektor August Vogt, Wiesbaden, zit. nach N. N., in: Ulmer Landbote 24. Aug. 1938).
Werke — Aus Holtzwarts umfassendem Schaffen wurden nur einige wenige Werke gedruckt. Eine Übersicht über die im Nachlass (D-F) erhaltenen Werke (handschriftliches Material) findet sich in einer unveröffentlichten Zusammenstellung von Ivan Kasa-Horvat, entstanden 2002; D-F. Im Folgenden eine Auswahl, mit Bezügen zur Region: a) gedruckte Werke: Sonnenlieder. Ein Zyklus (Bar., Kl.; „Und die Sonne kommt“, Ein Sonntag, Segelfahrt, „Ich will in die Sonne seh’n“) op. 25 (aufgef. Königstein 22. Juli 1916), Frankfurt/M.: Selbstverlag; B. Firnberg [1916]; D-B – weitere Ausgaben: Leipzig: Hofmeister [1922] (vgl. MMB 1923; laut Kasa-Horvat bei Röder) bzw. Ulm: Senta-Verlag 1923 (vgl. Signale für die musikalische Welt 31. Jan. 1923, S. 154) oder 1924; auch in orchestrierter Fassung im Nachlass <> Herbsttage bzw. 4 Herbstlieder (Bar., Kl.) op. 34 („Marie-Louise gewidmet“), datiert Königstein Sept. 1915, Ulm: Senta-Verlag 1923 bzw. Stuttgart: Senta-Verlag o. J. <> 3 Klavierstücke o. op. (möglicherweise Teildruck der 5 Klavierstücke op. 42, Sept. 1916), Heidelberg: Hochstein 1919 <> Sommerrosen, Walzer (Kl.) op. 60, Ulm: Senta-Verlag 1923 bzw. als Großer Konzert- u. Tanzwalzer (Salonorch.), Stuttgart: Senta-Verlag 1923 <> 3 Stücke (Vl., Kl.) o. op., Stuttgart: Senta-Verlag o. J.
b) ungedruckte Werke: Melodie (Kl.) op. 1 („Meinem lieben Lehrer Herrn […] Parlow freundlichst gewidmet“), datiert Winter 1909 <> Serenata (Kl. bzw. Orch.) op. 2 („Herrn Eduard Ratzka […] gewidmet“), 1910 <> Suite (Kl.; Thema mit Variationen, Andante, Scherzo, Rondo), o. op.; Prüfungsstück aus der Kompositionsklasse Sekles am Hoch’schen Konservatorium, präsentiert am 12. Juni 1914 <> Halla, Musikdrama (nach Dahn) op. 9, 1916 (Umarbeitung als op. 104, 1935–1936); daraus: Finale (II. Akt), gesetzt für Kl., Auff. Königstein 22. Juli 1916 <> Graf Zeppelin, Marsch (Orch.) op. 15; Auff. Wiesbaden 1938 <> Der Narr und die Prinzessin, Suite (Orch.; Loin du bal, Der Narr vom Königshof im Traumland, Tanz, Lachen, Schönheit, Glück – Aschermittwoch, Niemals Wederfinden – Tod) op. 20, datiert Frankfurt/M. 1913 (?); Auff. Königstein 22. Juli 1916 <> Die Weise von Liebe und Tod (Rilke), Melodram (Spr., Kl.) op. 39, 1915; UA Binz, weitere Auff. Königstein 22. Juli 1916 <> Eddistone (auch: Eddigstone; laut Kasa-Horvat: Eddystone), 3 symphonische Skizzen (Orch.) op. 49 („Meiner lieben Schwester Bertie“ gewidmet), datiert Bamberg April 1916; Auff. Königstein 22. Juli 1916 <> Sommerabend, Orchesterskizze op. 66, datiert Nov. 1922; Auff. im Rundfunk 1. Dez. 1933 sowie Frankfurt/M. Juni 1941 <> Ballett-Suite (gr. Orch.) op. 69 („Meiner lieben Frau“ gewidmet), 1923; UA Baden-Baden 1925, weitere Auff. Ulm Juni oder Juli 1931 (als op. 67), Wiesbaden Jan. 1938 sowie Frankfurt/M. Juni 1941 (hier als op. 82 auf dem Programm) <> Kleine Suite (Kammerorch.; Frühlingshauch, Sommerspuk, Herbstzeitlose, Das Tanzlied) op. 79, datiert „Bad Vilsungen 14 Juni 1929“ (Lesung Kasa-Horvat); Auff. Wiesbaden 18. Febr. 1943 <> Suite aus dem Singspiel „Rosenblüte“ op. 88, datiert Ulm 2. Febr. 1928; ausgezeichnet mit dem Musikpreis Frankfurt/M. 1937 <> Japanische Gesichte (nicht: Geschichte) (auch: Japan-Gesichte), Suite (Orch.) op. 94 („Herrn Musikdirektor Herrmann Eschrich in Freundschaft zugeeignet“); Auff. Wildbad Juli 1937 (vgl. Laupheimer Kurier 20. Juli 1937) u. Wiesbaden Juni 1941 <> Suite nach alten Tanzformen (Orch.) op. 100; UA Leipzig Juni 1934, weitere Auff. Wiesbaden April 1941 (Wiesbadener Tagblatt 23. Apr. 1941: „Ein flüssiges Stück, mit gelegentlicher Verwendung von Xylophon.“) <> Von Blumen und Schmetterlingen, Suite (Orch.; Segelfalter, Was sich Primeln und Maiglöckchen vom Frühling erzählen, Nachtstück, Fest am Wiesenquell) op. 108; UA Frankfurt/M. 1937 (?), weitere Auff. Wiesbaden Jan. 1938 u. Juni 1940 („mit viel Gong, Becken, Glöckchen und Schlagzeug aller Art“ (Wiesbadener Tagblatt 7. Juni 1940)) <> Drei Deutsche Waldidyllen (Orch.) op. 110, vollendet 1938 (vgl. ZfM 1938, S. 346); UA (Rundfunk) Reichssender Frankfurt 2. Aug. 1938, UA (konzertant) wenige Tage später in Wiesbaden <> Serenade (Orch.; Marsch, Ständchen, Gavotte, Nocturne, Gigue) op. 113; Auff. Wiesbaden 14. Nov. 1939, Frankfurt/M. 2. März u. Juni 1941, Wiesbaden 18. Febr. 1943 <> Bodensee-Bilder, Suite (Orch.) op. 114, datiert Frankfurt/M. 19. März 1939; Auff. Wiesbaden, Juni 1940 <> Goldene Sterne, Konzertwalzer (Orch.) op. 115, datiert Frankfurt/M. 12. Aug. 1939; UA Wiesbaden Apr. 1941, weitere Auff. Wiesbaden, Juni 1941; spätere Fassung (?): „Meiner lieben Margot in Ems zum Geburtstag! 21. Januar 1947“ (nach Kasa-Horvat) <> Die Ostsee. Eine romantische Suite in drei Bildern (gr. Orch.) op. 118 („Meiner lieben Margot!“ gewidmet), datiert Frankfurt/M. 11. Nov. 1940; UA Wiesbaden, Apr. 1941 <> Astern, Impromptu (kl. Orch.) op. 121, UA Wiesbaden 18. Febr. 1943
Schriften — Auftakt! Erinnerungen an große Dirigenten und kleine Kapellmeister, Manuskript/Typoskript im Nachlass, o. J.; D-F <> Romantischer Akkord. Lebenserinnerungen des Komponisten Fritz Holtzwart. Von ihm selbst erzählt!, Manuskript im Nachlass, 1945; D-F
Quellen — Personenstandsregister Frankfurt/M. (u. a. Sterbeurkunden Eltern) und Bad Nauheim (Sterbeurkunde 1. Ehefrau) <> Adressbücher Ulm (1935) <> Adressbücher Frankfurt/M. (1940: „Holzwart“; 1955–1966) <> Fallakte (allgemein), 1946–1949; D-WIhha <> Fallakte (Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe), 1952–1967; D-Fsa <> Nachlass (20 Kapseln; Handschriften eigener Werke, Lebenserinnerungen, Testament u. a.); D-F <> Briefe Holtzwarts an Cäsar Flaischlen; D-MB (s. Kalliope) <> Jahresbericht des Hoch’schen Konservatoriums 1911/12, S. 51; 1912/13, S. 49, 81; 1913/14, S. 55, 84; 1915/16, S. 46 <> Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, 1918, 1949 <> Ankündigungen und Berichte in (Auswahl): Bockenheimer Anzeiger; Frankfurter Zeitung und Handelsblatt; Taunus-Zeitung; Neue Musik-Zeitung; Laupheimer Verkündiger, Nationale Rundschau. Laupheimer Kurier bzw. Laupheimer Kurier mit Ulmer Landbote; Neues Wiener Tagblatt; ZfM; Stuttgarter neues Tagblatt; Wiesbadener Tagblatt; Blumen und Palmen. Frankfurter Blätter für Gartenfreunde <> ausführlichere Artikel mit Kurzbesprechungen von Werken: N. N., Ulmer Künstler auswärts. Fritz Holtzwart dirigierte im Kurhaus Wiesbaden, in: Ulmer Landbote 21. Jan. 1938; N. N., Ulmer Komponist erfolgreich, in: Nationale Rundschau 21. Juli 1938; N. N., „Ein tüchtiger Gastdirgent“. Große Erfolge des Ulmer Komponisten Holtzwart, in: Ulmer Landbote 24. Aug. 1938 (unter Bezugnahme auf einen Bericht im Nassauischen Volksblatt); N. N., Konzert im Kurhaus mit Fritz Holtzwart als Gast, in: Wiesbadener Tagblatt 23. Apr. 1941; Hildegard Weber, Ein Konzert im Palmengarten, in: Neueste Zeitung (Frankfurt/M.) 23. Juni 1941; E. M. Saemann: Gastdirigent im Kurhaus, in: Wiesbadener Tagblatt 19. Febr. 1943 <> Internetpräsenz Musikverein Langenau, Liste Bisherige Dirigenten, https://www.musikverein-langenau.de/index.php/stadtkapelle/stadtkapelle-dirigenten (Aufruf: 29. Nov. 2024) <> HmL (Ergänzungsband 12, [1920–1921], mit nur einem einzigen Titel (op. 25); MMB 1916, 1923 <> Freundliche Mitteilung von Frau Franziska Voß (UB Frankfurt)
Literatur — MüllerDML <> PriebergH (Archiv-Inventar, S. 9044) <> Adrian Gaster, International Who’s Who in Music and Musicians’ Directory, Cambridge 1975 u. 1980 <> Marie-Luise Grau, Fritz Holtzwart, in: Schaefer 1981, S. 48f. <> Bibliotheca Publica Francofurtensis. Fünfhundert Jahre Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, hrsg. von Klaus-Dieter Lehmann, Textband, S. 317
Abbildung 1: Fritz Holtzwart nach einer Fotografie, 1972; aus Schaefer 1981, S. 48
Abbildung 2: Programm Königstein, 22. Juli 1916, aus: Taunus-Zeitung 21. Juli 1916
Bernd Krause