Carl August Vogt
VOGT, CARL AUGUST (ursprünglich nur AUGUST) * Ober-Breidenbach (Oberhessen) 8. Dez. 1905 | † Baden-Baden 14. Dez. 1978; Dirigent, Komponist
Die Eltern August Vogts waren der Pfarrer zu Ober-Breidenbach Paul Julius Vogt (* Kaiserslautern 12. Nov. 1875 | † Babenhausen 8. Jan. 1958) und Alice Henriette Ernestine Fischer (* Wien 28. März 1882); die Ehe wurde am 15. Febr. 1905 in Friedberg geschlossen. Nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums zu Darmstadt nahm Vogt, ebenfalls in Darmstadt, Musikunterricht bei Arnold →Mendelssohn und Friedrich Noack. Es folgten von 1924 bis 1927 Studien bei Paul Graener, Robert Teichmüller und Walter Davisson an der Musikhochschule in Leipzig, sodann eine Reihe von Engagements an den Theatern Hagen (Chordirektor und Korrepetitor, 1927–1929), Remscheid (Chordirektor und 2. Kapellmeister, 1929–1931), erneut Hagen (Chordirektor und Kapellmeister, 1931–1932) und Wuppertal (1. Kapellmeister, 1932–1936). Zwischen 1930 und 1933 sind mehrere Gastspiele in Solingen belegt.
1936 wurde Vogt als städtischer Musikdirektor (und Nachfolger von Helmuth Thierfelder) nach Wiesbaden berufen. Noch im selben Jahr gründete er hier das Vogt-Trio, in dem er als Pianist gemeinsam mit Justus Ringelberg (Vl.) und Anton Hoigt (Vc.) nachweislich bis 1942 wirkte. Vogt trat in Wiesbaden jedoch überwiegend als Dirigent in Erscheinung. Im Rahmen der von ihm gestalteten Kammerkonzerte des Kurhauses sowie bei weiteren Gelegenheiten brachte er einige Werke zur Uraufführung, darunter solche von Fritz Volbach (In memoriam. Symphonischer Epilog, 1936, und Aus der Jugendzeit, 1939), Heinz →Möhn (Musik für Violine und Orchester und Feiermusik zum 9. November, beide 1938), Robert Curt von Gorrissen (Liederzyklus Bruder Tod, 1938; Capriccio für Orchester op. 19, 1939), Hans Fleischer (Erste Sinfonie op. 26, 1938), Walter Weber (2. Violinkonzert, 1938), Hanns Naumann (Scherzo Cagliostro, 1939), Oscar von Pander (Oratorium Des Lebens Lied, 1939), Franz →Flößner (Orchesterballade, 1939). Hinzu kamen deutsche Erstaufführungen von Werken von Roussell, Respighi, Kodály und anderen. In der Nachfolge von Carl Schuricht leitete Vogt ab 1937 auch den Wiesbadener Cäcilienverein, der ein Jahr später zum Chor der Stadt Wiesbaden umbenannt wurde. Auf seine Initiative hin wurde eine Chorschule eingerichtet, deren Leitung anfangs Kapellmeister August König übernahm. Der erste Auftritt mit dem Chor (zusammen mit dem Kurorchester) erfolgte am 16. Jan. 1938 (Jubiläumsfeier, 90 Jahre); wenig später, am 15. Apr. 1938, erklang im Kurhaus Verdis Requiem, kurioserweise – und deshalb sei dies hier erwähnt – unter dem Motto „Frühling – Freude – Festlichkeit“ (Schnell 1998, S. 35). – Die Proben unter Vogt waren intensiv, und dieser nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, den Chor auf den rechten musikalischen Pfad zu führen. Bei der Einstudierung von J. S. Bachs Missa in h-moll etwa soll er kritisch geäußert haben: „Ihr singt wie lauter Ziegenböcke -elä-ä-ä-ä-ä-i-son!“, und überliefert ist auch seine Anweisung: „Malen Sie an dieser Stelle einen Eselskopf in ihre Noten. Was, Sie haben schon dreie drin? – Dann machen Sie einen Rhinozeroskopf hinein!“ (zit. nach Kloos 1972, S. 34). Die Wirkung war positiv, so dass die Qualität stieg und der Chor auch überregional bekannt wurde (u. a. Teilnahme am Fest der deutschen Chormusik, Graz, Juni 1939).
Anfang 1938 reiste Vogt zu einem Bewerbungsdirigat um die Nachfolge von Klaus Nettstraeter nach Wuppertal; trotz eines erfolgreichen Auftritts trat er die Stelle dort nicht an. Im selben Jahr organisierte Vogt in Wiesbaden eine Konzertreihe Musik der Völker, bestehend aus fünf Einzelveranstaltungen, nämlich einem griechisch-italienischen (1. Juni), schwedisch-finnischen (16. Juni), französisch-belgischen (22. Juni), englisch-holländischen (10. Aug.) und schließlich einem spanisch-ungarischen Abend (24. Aug.). Beteiligt waren Solisten und Solistinnen der jeweiligen Nationalitäten; die Konzerte wurden für den Rundfunk aufgezeichnet. Ebenfalls 1938 war Vogt in Wiesbaden bei mehreren Konzerten für die Hitlerjugend aktiv, dazu am 18. Sept. 1938 und am 14. Mai 1939 bei „Morgenfeiern“ der NSDAP (Schnell 1998, S. 35); weitere Beteiligungen an Veranstaltungen mit auch nur andeutungsweisem Bezug zum Nationalsozialismus sind nicht bekannt. Anfang Oktober 1939 gastierte er beim Reichssender Köln, 1940 dirigierte er die beiden Orchesterkonzerte bei den Wiesbadener Maifestspielen. Für die Konzertsaison 1940/41 verzeichnet eine Übersicht in den Signalen für die musikalische Welt sechs Sinfonie-, zwei Chor- und acht Kammerkonzerte (Ausgabe vom 2. Okt. 1940, S. 383); gern gesehener Gast an der Orgel war zu dieser Zeit Kurt Utz. Einen Zyklus von Mozart-Serenaden brachte Vogt in Wiesbaden im Sommer 1941 zu Gehör; 1942 stand das Motto „Beschwingte Musik“ über einer Folge von fünf Abenden. An den in Wiesbaden im Herbst 1942 durchgeführten Finnischen Musiktagen war er als Pianist beteiligt. Am 25. Apr. 1943 erklang im Kurhaus das Abschiedskonzert für Vogt, der nun nach Karlsbad ging, wo er bis Kriegsende als städtischer Musikdirektor und Chef der Oper im Amt war und das Kur- und Sinfonieorchester leitete. Noch im Sommer 1944 dirigierte er dort – so jedenfalls wird es im Neuen Wiener Tagblatt am 21. Juni 1944 angekündigt – fünf Konzerte. Zu den vorläufig letzten Auftritten zählt ein Gastdirigat bei der Veranstaltungsreihe Zwingerserenade in Dresden am 19. Aug. 1944.
Nach dem Krieg nahm Vogt den zusätzlichen vorangestellten Vornamen Carl an, erstmals belegt in der Badischen allgemeinen Zeitung, Ausgabe vom 7. Dez. 1953. Der Grund dafür bleibt unklar; vielleicht lieferte ein Ereignis im privaten Umfeld einen Anlass. Neuere Darstellungen freilich differenzieren nicht zwischen beiden Namenführungen, also mit oder ohne vorangestelltem „Carl“. Anlässlich der Hundertjahrfeier des Chors der Stadt Wiesbaden dirigierte Vogt am 19. Nov. 1947 →Mendelssohn Bartholdys Elias, wenig später zweimal Beethovens Neunte (2. Jubiläumskonzert am 30. Dez. 1947 und Wiederholung am 1. Febr. 1948). Weitere Dirigate in Wiesbaden sind für 1953 bis 1962 (jährlich), dann wieder 1970 und 1976 bezeugt, darunter auch das Festkonzert zum 110-jährigen Bestehen des Stadtchors 1957 mit Beethovens Missa solemnis (vgl. Listung der Chorauftritte von 1947 bis 1972 bei Schnell 1998 und bei Kloos 1972, S. 59–66).
Ein festes Engagement erhielt Vogt dann von 1948 (Anstellung am 1. Apr.) bis 1951 in Koblenz als Chefdirigent der Rheinischen Philharmonie; mit ihr gastierte er am 1. Dez. 1949 in Linz, ein zweiter Auftritt, geplant für den 5. Jan. 1950, fiel wegen zu hoher Programmdichte [!] aus. Im Juni desselben Jahres gestaltete das Ensemble mit seinem Dirigenten eine Reihe von Konzerten („Festliche Musiktage“) in Bad Neuenahr. Im Mai 1951 stand Vogt kurz vor einem Ruf nach Freiburg/Br. auf den Posten des Generalmusikdirektors, übernahm stattdessen aber die künstlerische Leitung der Hessischen Philharmonie in Frankfurt/M. (Wohnort blieb Koblenz), bevor er 1953 zum Chefdirigenten des Städtischen Symphonie- und Kurorchesters (heute: Philharmonie) in Baden-Baden (Nachfolge von Karl Aßmus; Vogt setzte sich gegen 66 Mitbewerber durch) ernannt wurde. Sein Debüt gab er hier am 18. Jan. 1953 als „Gastdirigent auf Anstellung“ (Badisch allgemeine Zeitung 15. Jan. 1953). 1962 gestaltet er mit Werken von Mozart das Festprogramm zum 90jährigen Bestehen des Klangkörpers; die Anstellung dauerte bis 1971 an. In Frankfurt/M. führte Vogt ein spezielles Projekt durch: Er veranstaltete dort für sämtliche Schüler der Berufs- und Wirtschaftsschulen Jugendkonzerte „zur Förderung des musikalischen Interesses der mannigfachen Einflüssen ausgesetzten Jahrgänge“, wobei er „eine Woche lang jeden Morgen zwei Veranstaltungen arrangiert[e]“, in denen er zunächst einführende Erklärungen mit Klangbeispielen zu den Kompositionen gab, die er dann mit dem Orchester der Philharmonie zu Gehör brachte. In welchen Jahren und wie oft diese Konzerte durchgeführt wurden, lässt sich nicht mehr sicher nachweisen; einem kurzen Bericht von 1956 zufolge sei man jedoch „auf Stetigkeit dieser Musikpflege bedacht“ (Schweizer 1956).
Einer neuen Herausforderung begegnete Vogt, als er 1960 zum Jury-Mitglied beim Internationalen Musikwettbewerb in Genf für die Instrumente Klarinette und Horn berufen wurde. In diesem Jahr wird Vogt auch erneut als Mitglied eines Klaviertrios genannt, und zwar gemeinsam mit Gerhard Neumann und Erwin Zeitz in Baden-Baden. Ebenfalls 1960 gastierte er beim Opernfestival in Split sowie im November 1965 mit der Rheinischen Philharmonie in Linz/Donau und Salzburg. Als deren Leiter dirigierte Vogt dann am 4. März 1966 in Koblenz in der Rhein-Mosel-Halle ein Konzert des Musik-Instituts, es folgten Gastkonzerte in Frankfurt/M. (22. März), Köln (21. Apr.) und Bad Homburg (27. Apr.) sowie – erneut in Koblenz – am 29. Apr. 1966 ein Meisterkonzert im Rahmen der Feiern des 20jährigen Bestehens des Ensembles. Am 18. Sept. 1966 folgte ein Gastspiel in Wiesbaden, wo Vogt angeblich „nach acht Jahren wieder“ in Erscheinung trat (Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum 1966, S. 40), was aber aufgrund der nachgewiesenen Auftritte mit dem Chor der Stadt Wiesbaden nur bedingt richtig ist und sich wohl eher auf die Präsenz der Rheinischen Philharmonie bezieht. 1976 wurde Vogt zum Ehrenmitglied des Wiesbadener Chors ernannt; der letzte gemeinsame Auftritt war am 7. Mai 1977. Am 27. Apr. 1979 fand ein Gedenkkonzert für Vogt statt.
Vogt war zweimal verheiratet (1. Margret Cleuver, 2., nach dem Krieg, Sibylla Plate) und hatte drei Kinder (Peter, Matthias, Anna). Die zweite Ehefrau war Sängerin (Alt) und trat bis etwa 1936 häufig in Klavierbegleitung von Hans Vogt, dem Kapellmeister des Lippischen Landestheaters in Detmold, auf; zwischen 1947 und 1961 war sie als Solistin an Konzerten des Chors der Stadt Wiesbaden beteiligt.
Werke — Kompositionen: Streichquartett A-dur op. 1, UA Darmstadt 1927 (Schnurrbusch-Quartett) <> Orgelkonzert op. 3, 1946, unveröff. (nach Henderson) <> Passacaglia (Orch.), UA Remscheid 1933 (6. Städtisches Konzert, unter Felix Oberborbeck) <> Ernstes Vorspiel (Orch.), Auff. belegt für Leipzig 1933 <> Radio Wien sendete am 4. Jan. 1935 nicht näher bezeichnete „unbekannte Melodien. Werke von August Vogt“ und anderen Komponisten. <> Bearbeitungen: Vogt gab im Mannheimer Musik-Verlag (Bonn-Bad Godesberg) eine Reihe von frühklassischen Werken aus der sog. Mannheimer Schule und deren Umfeld heraus (Cannabich, Danzi, Endler, Graupner, Richter, Stamitz u. a., siehe Bonner Katalog, S. 494).
Quellen — Personenstandsregister Friedberg (Heiratsurkunde der Eltern) <> Korrespondenz mit dem Hamburger Komponisten Wolfgang Bülau (1883–1950); D-Hs (siehe Kalliope) <> Brief an „Herrn Verwaltungsrat Schäfer“, 28. März 1939; Privatbesitz (Nachfahren Heinz Moehn, CDN-Saskatchewan) <> Foto Der Dirigent und Kapellmeister Carl August Vogt, ca. 1940; D-WIsta <> Fallakte August Vogt, 1946–1949; D-WIhha <> weitere Akten in D-KBa, D-KBsta (vgl. Baur 2008) <> Materialien zur Geschichte des Stadtchors Wiesbaden; D-WIsta (siehe Arcinsys) <> Textplakat zum Vierten Sonntags-Konzert, Frankfurt/M., im „alten Funkhaus“, 16. Jan. 1955; D-Fsa <> „Dr. M. G.“, Dirigentenkrise in Freiburg?, in: Badische neueste Nachrichten 18. Mai 1951 <> G. Schweizer, Jugendkonzerte für Berufsschüler in Frankfurt, in: Musik im Unterricht Dez. 1956, S. 423 <> Berichte und Nachrichten u. a. in a) musikalische Fachpresse: ZfM, Signale für die musikalische Welt, Allgemeine Musikzeitung. Wochenschrift für das Musikleben der Gegenwart, Musica, Melos. Zeitschrift für Neue Musik, Musik im Unterricht; b) Tagespresse: Bergische Post, Dortmunder Zeitung, General-Anzeiger für das gesamte rheinisch-westfälische Industriegebiet, Kölnische Zeitung, Der Führer. Das Hauptorgan der NSDAP Gau Baden, Hakenkreuzbanner. NS-Tageszeitung für Mannheim u. Nordbaden, Völkischer Beobachter, Aachener Anzeiger, Neues Wiener Tagblatt, General-Anzeiger für Bonn und Umgegend, Badische neueste Nachrichten u. Badische allgemeine Zeitung, Das Volk. Organ der Sozialdemokratischen Partei Badens; weitere Nachweise in den vielfach abgedruckten Rundfunkprogrammen <> Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum 1966, S. 40 <> 20 Jahre Rheinische Philharmonie. Konzert-Vorschau 1965/66 (Digitalisat im Bibliotheks- und Archivkatalog der IGMG) <> A. Buerck, Zum Tode von Generalmusikdirektor Carl August Vogt, in: Das Orchester Apr. 1979, S. 309 <> Bonner Katalog. Verzeichnis reversgebundener musikalischer Aufführungsmateriale, hrsg. vom Deutschen Musikarchiv der Deutschen Bibliothek, München u. a. 21982
Literatur — KürschnerDMK <> Danneberg 1949, S. 31f., 37 <> Frank/Altmann 151978, Ergänzungsband <> Wilhelm Kosch, Deutsches Theaterlexikon, Bd. 5, 2004, S. 2809, u. Nachtragsband, Teil 8, 2020, S. 56 <> Hans Kloos, „Der singet, das ist eine herrliche Lust“. Bilder aus dem Leben und der Geschichte des Chores der Stadt Wiesbaden zum 125jährigen Bestehen aufgezeichnet, Wiesbaden 1972, bes. S. 34, 36, 41–44 <> Schnell 1998 <> John Henderson, Directory of Composers for Organ, 2005, S. 772 <> Baur 2008, S. 244 („Carl August Voigt“) <> August Vogt (later Carl August Vogt), German Conductor, auf: Amanda Lalonde (Projektleitung), Finding Heinz Moehn, Saskatchewan, Kanada, © 2025 (Direktlink), mit weiteren Hinweisen.
Abbildung 1: Carl August Vogt im Kreise einiger seiner Chordamen, Photographie, datiert 1972; vermutl. aufgenommen auf der Nachfeier zum Jubiläumskonzert vom 22. Nov. 1972; Privatbesitz
Abbildung 2: Autogramm Carl August Vogts, gegeben 1972, in: Kloos 1972, S. 43; Exemplar im Privatbesitz von Bernd Krause
Bernd Krause