fleischer


(1) Arthur (Wilhelm Georg) * Gleiwitz (heute Gliwice, Polen) 11. Apr. 1854 | † Wiesbaden 15. März 1922; Jurist und Komponist

(2) Hans (Herbert Emil Oskar Franz) * Wiesbaden 10. Nov. 1896 | † Bayreuth 20. Febr. 1981; Sohn von (1), Komponist


(1) Die aus Oberschlesien stammende Familie Fleischer gehörte während der Kaiserzeit der gesellschaftlichen Elite Wiesbadens an. Allein die im April 1902 in der Presse veröffentlichte Todesanzeige – „Frau Sanitätsrath Dr. Fleischer, Wwe.“ – lässt einen Eindruck von der Atmosphäre entstehen, in der sich das Weltbild des Sohnes Arthur geformt haben mag, der im Namen der Hinterbliebenen und als Rechtsanwalt (selbstverständlich wie sein Vater mit Doktortitel) das Inserat aufgegeben hatte. Dass Arthur Fleischer nicht nur eine umfassende Bildung erhielt, sondern auch seinen Fähigkeiten und Interessen gemäß gefördert wurde, wird man nicht mit Belegen untermauern müssen. Neben seiner offenbar erfolgreichen wie einträglichen Karriere als Anwalt und Notar ging Fleischer, der seit 1908 den Titel Justizrat trug, in Wiesbaden – und dies ganz augenscheinlich zur Freude vieler seiner Zeitgenossen – kulturellen und gesellschaftlich (aus seiner Sicht) essenziellen Ambitionen nach: Seit 1886 war er als aktives Mitglied und später auch als Vorsitzender dem umtriebigen Verein der Künstler und Kunstfreunde verbunden, der ihn 1911 aufgrund seiner „langjährigen, feinfühligen, zielbewußten und von echtem Kunstverständnis getragenen Leitung“ (Wiesbadener General-Anzeiger 27. Febr. 1911) zum Ehrenmitglied ernannte. Auch darüber hinaus zeigte er Präsenz, etwa als Mitglied des Ausschusses zur Errichtung eines Denkmals für Gustav Freytag (s. Wiesbadener Bade-Blatt 4. Dez. 1898), des Wiesbadener Dichterbunds, bei dessen Zusammenkünften er eigene literarische Arbeiten vortrug (Wiesbadener General-Anzeiger 27. Nov. 1902), weiterhin des Bach-Vereins und der Literarischen Gesellschaft, die beide dem Komponisten Fleischer Gelegenheit zur Aufführung seiner Werke boten (Wiesbadener Tagblatt 18. März 1910, Wiesbadener Bade-Blatt 9. März 1914). Außerdem trat Fleischer bei etlichen Gelegenheiten (vielfach u. a. bei Veranstaltungen des Frauenklubs) mit Vorträgen über ein breites Themenspektrum – von den Dolomiten bis hin zu den Nibelungen – in Erscheinung; Fleischer war bezeichnenderweise auch derjenige, der 1908 die Festrede bei einer von zahlreichen Wiesbadener Vereinen getragenen Veranstaltung zum 10. Todestag Bismarcks hielt (vgl. Wiesbadener General-Anzeiger 2. Apr. 1908). Seine musikalisch-schöpferischen Ambitionen drängten sich seit genau dieser Zeit mehr und mehr in den Vordergrund und erlangten 1915 einen viel beachteten Höhepunkt, als er zur Kaiserhymne („Heil Dir im Siegerkranz“) eine neue Vertonung vorlegte – die erste öffentliche Aufführung durch das Musikkorps des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 80 verfolgte das Ziel, dass „sich das Publikum ein Urteil über diese neue Melodie, die die annektierte englische Melodie ablösen soll, machen kann“ (Wiesbadener Zeitung 22. Apr. 1915); über die Reaktion wissen wir (vorläufig) nichts. Verheiratet war Fleischer seit 1889 mit der Wiesbadener Sanitätsratstochter Ernestine Bertha Franziska geb. Brück, nach ihrem frühen Tod seit 1893 mit ihrer Schwester Johanna Pauline Auguste.

WerkeSechs Gesänge (Sst., Kl.; Liebeslied, Alles ein Hauch, Grabschrift einer Nachtigall, Skolie, Nelken, Bettlerliebe) op. 1, Leipzig: Rahter [1907]; D-B, D-Eu <> Drei Gesänge aus „Quickborn“ von Claus Groth (Sst., Kl.; „Kein Graben so breit“, „Im Glockenturm da geht ein Rad“, „Er sagte so viel und ich sagte kein Wort“) op. 2, ebd. [1910]; D-B, D-Eu <> Vier Gesänge (Sst., Kl.; „Ich trank aus der hohlen Hand am Born“, „Diese Rose pflück’ ich hier“, „Nun liegt die Welt umfangen“, Wiegenlied) op. 3, ebd. [1910]; D-B, D-Eu <> Drei Gesänge aus „In memoriam“ (Sst., Kl.; Dichtung vom Komponisten: Herzeleide, Am Fenster, Adolfseck) op. 4, ebd. [1913]; D-B <> Aus der Jugend. Vier Gesänge (Sst., Kl.; Die Georgine, Stirb nicht! Das Lied, Erntetag) op. 5, ebd. [1913]; D-B <> Zwei Soldatenlieder aus 1914 (Mch.; Deutsche Schrift, Das Lied vom Hindenburg) op. 8 (Nr. 1 und 2), Wiesbaden: Stöppler in Komm. [1914]; D-B, D-WIl <> Heil dir im Siegerkranz. Eine deutsche Weise op. 8 Nr. 3, ebd. [1914] („Deutsche Hymne“; Rezension: Wiesbadener Zeitung 13. Januar 1915); D-B, D-WIl <> Zwei lustige Lieder aus ernster Zeit (Der Herr Hauptmann, Rassenveredlung), Wiesbaden: Stöppler [1916]; D-WIl <> Gedichtband In memoriam, Wiesbaden: Bergmann 1897; D-B, D-WIl

Quellen — Standesamtsregister Wiesbaden <> Nachlass; D-WIsta (NL 83/33) <> Akte (Notar Fleischer, 1907–1922); D-WIhha (474/34) <> Adressbücher Wiesbaden <> Wiesbadener General-Anzeiger 12. Nov. 1896, 27. Nov. 1902 (Beilage), 23. Sept. 1906, 2. Apr. 1908, 27. Febr. 1911, 13. Jan. 1915 u. ö.; Wiesbadener Bade-Blatt 4. Dez. 1898, 9. März 1914 u. ö.; Wiesbadener Tagblatt 22. Sept. 1902 (Abend-Blatt), 28. Apr. 1905 (Abend-Ausgabe), 18. März 1910 (Morgen-Ausgabe), 24. Febr. 1916 (Morgen-Ausgabe), 8. Febr. 1917 (Abend-Ausgabe), 16. März 1922 Morgen-Ausgabe; Todesanzeige) u. ö.; Wiesbadener Neueste Nachrichten 9. März 1914, 4. März 1922 u. ö.; Wiesbadener Zeitung 13. Jan. 1915 (Abend-Ausgabe), 1. Febr. 1915 (Abend-Ausgabe), 22. Apr. 1915 (Morgen-Ausgabe), 20. Juli 1916 (Abend-Ausgabe)

Abbildung: Anzeige Stöpplers über die bei ihm in Kommission erschienenen Zwei Soldaten-Lieder op. 8 von Arthur Fleischer; Wiesbadener Tagblatt 14. Nov. 1914 (Abend-Ausg.)


(2) Hans Fleischer lebte als Komponist, Pianist und Musiklehrer in Wiesbaden (1921–1941), Luxemburg (1941–1944) und zuletzt in Bayreuth. Er war verheiratet mit der Sängerin Else geb. Matthieu (1893–1973). Das Schaffen Fleischers umfasst 176 mit Opuszahlen versehene Kompositionen aus den Jahren 1913 bis 1979, darunter Sinfonien, Konzerte (u. a. für Klavier, Violine, Orgel), Kammer- und Klaviermusik, Lieder (vgl. das Verzeichnis bei Scholz). Er ist nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Opernsänger Hanns Fleischer (1884–1948), der seit 1920 gelegentlich auch in Wiesbaden auftrat.

Literatur — Erla Scholz, Hans Fleischer und sein Klavierwerk, Magisterarbeit Mainz 1997 (ungedr.)


Axel Beer

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  • angelegt 2018/03/23 15:01