fuchsa


FUCHS, (LEONHARD JOHANN HEINRICH) ALBERT * Basel 6. Aug. (laut KB Basel-Stadt: Sept.) 1858 | † Dresden 15. Febr. 1910; Komponist, Pianist, Dirigent, Autor

Die Eltern von Albert Fuchs waren der Buchbinder Johann Lorenz Fuchs (1806–1873; die Wurzeln der Familie liegen in Mannheim) und dessen zweite Ehefrau Henriette Caroline, geb. Noelke. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Basel und erstem Musikunterricht begab Fuchs sich nach Leipzig, wo er von 1876 bis 1879 seine weitere musikalische Ausbildung erhielt, u. a. bei Carl Reinecke und Salomon Jadassohn. Falsch ist die Behauptung (Werner 1938), dass er im Anschluss daran in Dresden Gesangsunterricht bei Gustav Scharfe nahm; dieses biographische Detail gehört zur Vita des gleichnamigen Sängers, der am 12. Juni 1891 in Wiesbaden debütierte (vgl. Wiesbadener Bade-Blatt 11. Juni 1891) und dort bis mindestens 1922 belegbar ist. Mit Scharfe war Fuchs aber zumindest befreundet; er widmete ihm den Liederzyklus op. 23.

Eine erste Anstellung bekam Fuchs in Trier, wo er von etwa Mai 1880 bis Anfang 1881 anstelle von Matthias Schöneck die Leitung des Musikvereins übernahm. Seine Nachfolge trat Ernst von Schiller an. Im März 1881 erscheint der „Capllm. Fuchs aus Trier“ auf einer Leipziger Fremdenliste (NZfM 25. März 1881); zu dieser Zeit befand Fuchs sich auf einer Reise, die ihn angeblich auch für längere Zeit nach Berlin führte (Geissler 1909, S. 107).

Im Anschluss ließ er sich 1883 in Oberlößnitz bei Dresden zum Komponieren auf einem Weingut, dem heutigen Haus Steinbach, nieder. Hier entstand u. a. seine Klaviersonate op. 11, die ihm, nach Gewinn eines Kompositionswettbewerbs unter dem Protektorat der spanischen Königin-Regentin Maria Christina, den Titel eines „Ehrenprofessors des Konservatoriums zu Valencia“ eintrug.

1889 erwarb Fuchs käuflich das nach seinem Gründer, Wilhelm Freudenberg, benannte Freudenbergsche Konservatorium in Wiesbaden. Es gelang ihm, den Ruf der unter seinem Vorgänger Otto Taubmann (1859–1929) nachlässig geführten Institution neu zu festigen. Der Erfolg war so groß, dass in einigen Presseartikeln vom „Fuchs’schen Conservatorium“ die Rede ist (z. B. Wiesbadener General-Anzeiger 29. März 1894). Wesentlich dazu beigetragen hat die Berufung Hugo →Riemanns und dessen damaligen Schülers Max →Reger als Lehrkräfte. Mit letzterem zusammen trat Fuchs in Hauskonzerten auf, in denen er alte, von ihm selbst gesammelte Musikinstrumente zum Erklingen brachte. Späteres Ergebnis seiner Sammelleidenschaft war die Schrift Taxe der Streich-Instrumente (1907), die in diversen angepassten Neuausgaben bis heute Verwendung findet. Einige seltene Instrumente zierten die Wände seines Arbeitszimmers (Musical America 12. März 1910). Nur selten gab es kritische Stimmen: Als Fuchs sein Amt an seinen Nachfolger Albert Eibenschütz (1857–1922) übergab, freute sich Max Reger über dessen neuen Führungsstil (Brief an Caesar Hochstetter, 16. Nov. 1898).

Fuchs folgte zum 1. Sept. 1898 einem Ruf an das Königliche Konservatorium in Dresden, wo er u. a. Musiktheorie und Gesang unterrichtete sowie – unter Verwendung der alten Instrumente aus seinem Besitz – konzertierte. 1901 kehrte er, zusammen mit dem Sänger Hans Buff-Gießen (1862–1907), anlässlich eines Konzerts am 15. März noch einmal nach Wiesbaden zurück. In diesem Jahr übernahm er in Dresden auch die Leitung der Robert Schumannschen Singakademie, für die er seine Oratorien op. 42 und op. 48 komponierte. 1908 wurde ihm der Titel Königlicher Professor verliehen. Fuchs wirkte in dieser Zeit auch als Kritiker für die Dresdner Tagespresse. Er starb an einem Herzschlag und hinterließ seine Ehefrau, Agathe Luise Gabriele, geb. Lucht (Heirat 1893), und zwei Kinder (Tochter Leonie Henriette Hildegard, * 1894, und Sohn Johannes Heinrich Carl Ottfried, * 1896). Verdis Requiem, für dessen Aufführung er bis zuletzt probte, wurde am 23. Febr. 1910 zu seinem eigenen. Aus den nicht wenigen Gedenkveranstaltungen hervorzuheben ist ein Konzert, das am 8. Jan. 1911 in Remscheid stattfand und das Oratorium Das tausendjährige Reich zu Gehör brachte; Fuchs hatte dort bei einem Auftritt 1908 nachhaltigen Eindruck hinterlassen und einen weiteren Auftritt für März 1910 geplant. Ein Teil des Reinerlöses floss in die Errichtung eines nach einem Entwurf von Oskar Menzel ausgeführten Grabdenkmals für den Komponisten in Dresden (Johannisfriedhof Tolkewitz); es wurde am 28. Mai 1911 geweiht und zeigte zwei singende Kinder (Fuchs’ eigene?). Die Grabstelle wurde 1970 aufgelassen. – In Dresden konstituierte sich 1910 eine Albert-Fuchs-Gesellschaft. Zu Ehren des Musikers wurde dort 1938 die Dampfschiffstraße in Fuchsstraße umbenannt.

Fuchs’ Kompositionen erfuhren in der zeitgenössischen Kritik durchweg positive Beurteilungen. Geissler (1909, S. 106) konstatiert: „Selten dürfte ein Tonsetzer zu finden sein, der die Eigenschaften des schaffenden Künstlers, des Lehrers und Dirigenten mit denen des hochgebildeten Mannes und vortrefflichen Menschen in so wohltuender Weise vereinigt, wie dies bei Albert Fuchs der Fall ist.“ Zu seinen beiden Oratorien op. 42 und op. 48 sowie zu einigen wenigen Liedern schrieb Fuchs die Texte selbst.

Werke — Eine vollständige Liste aller Kompositionen findet sich in MGG1. Außerdem: N. N., Verzeichnis der Compositionen von Albert Fuchs, nach Opuszahlen geordnet (Typoskript), o. O. ca. 1939; D-Dl. – Werke erschienen gedruckt u. a. bei den Leipziger Verlagen Siegel, Forberg, Brockhaus, Fritzsch und Kahnt. Im Mittelpunkt des Schaffens stehen Lieder und Gesänge unterschiedlichster Formen (Balladen, Romanzen, Sonette, dramatische Szenen, Vokalisen, Chöre (Mst. u. Fst.), Duette usw.). Bei regionalen Verlagen erschienen: Drei ungarische Volkslieder (Sst., Kl.) op. 5, Leipzig u. Offenbach/M.: André [1880]; D-OF <> Drei Lieder (Sst., Kl.) op. 6, Offenbach/M.: André [1880]; D-OF <> Vier Männerchöre op. 34, Frankfurt/M.: Steyl & Thomas [1899]; D-B <> Zwei Männerchöre op. 38, ebd. <> Beim Jägerwirte (Mst.) op. 43, Igstadt-Wiesbaden: Cezanne [1906] <> Weitere Vokalwerke (Auswahl): Bergsagen, Liederzyklus op. 16, Leipzig: Fritzsch [1885]; D-B, D-Dl, D-Mbs <> Minneweisen, Liederzyklus op. 18, ebd. [1884]; D-Dl, D-Mbs <> 6 Lieder op. 23 („Herrn Prof. Gustav Scharfe in Verehrung zugeeignet“), ebd. [1887] <> La Spiga rossa. Melodramma idillico in un atto op. 30; Autograph: D-Dl (Partitur mit Einträgen von Max Reger) <> Technische Studien für Gesang, Dresden: Selbstverlag [ca. 1902] <> Selig sind, die in dem Herrn sterben, Kirchliche Tondichtung, op. 42 („Seiner Majestät dem König Friedrich August von Sachsen ehrfurchtsvoll zugeeignet“), UA 1906, [Dresden: Selbstverlag 1907] (KlA. Mit Text); D-B, D-Dl; bzw. Dresden: Hoffmann [1907]; D-Dl <> Volkslied und Kunstlied (Fst.) op. 44, Leipzig: Siegel [1907] <> Das tausendjährige Reich, Kirchliche Tondichtung, op. 48, UA 1908, Leipzig: Rieter-Biedermann 1909; D-B, D-Mbs <> Passionslieder (Sst., Org.) op. 53, Hameln: Oppenheimer [1910] (letztes vollendetes Werk); darin enthalten: Nr. 3 Passionslegende (Vl./Vc., Org.); D-B <> Eine Oper Nirwan (bzw. Nirwana) blieb unvollendet und ist verschollen. <> Instrumentalwerke: 12 kleine Walzer (Kl. 4ms) op. 9, Leipzig: Eulenburg [1883] bzw. Fritzsch [1885]; D-B <> Sonate (Kl.) op. 11, Leipzig: Fritzsch [1887], 1903 an Siegel; D-B, D-Dl <> Ungarische Suite (Orch.) op. 12, Wien: Gutmann (KlA. 4ms); D-B <> Deutsche Tänze (Kl. 4ms) op. 17, Leipzig: Fritzsch [1885], 1903 an Siegel; D-B, D-Dl, D-Mbs <> Violinkonzert op. 25 (KlA.), Leipzig: Siegel [1904]; D-B, D-Mbs <> Sonate (Vc., Kl.) op. 27 („Seinem lieben Freunde, dem Kammervirtuosen Oskar Brückner zugeeignet“), Leipzig: Fritzsch [1894], 1903 an Siegel; CH-Bu, D-B, D-Mbs (digital), D-MZu <> Suite mignonne (Vc., Kl.) op. 28, Leipzig: Forberg [1896]; CH-Bm, D-B, D-KNh <> 2 Romanzen (Vl., Orch.) op. 33, Braunschweig: Litolff 1901; CH-BEl, D-B, D-Mh <> Drei kleine Sonaten (Vl., Kl.) op. 36, Berlin: Simon [1899]; D-B, D-Dl, D-F <> Suite Silhouetten (Vc., Kl.) op. 37, ebd. [1899]; D-B <> Streichquartett op. 40, Leipzig: Kahnt [1903]; D-B, D-Dl, D-Mbs <> Golgatha. Ein Passions-Praeludium (Str.) op. 49, Hameln: Oppenheimer [1909]; D-B <> Bearbeitungen/Herausgaben: Alt-Deutsche Lieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert (Mst.) op. 10, Leipzig: Fritzsch [1884]; D-B, D-Dl <> Bel Canto. Arien, Cantaten und Canzonen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts („Seiner Majestät dem König Albert von Sachsen ehrfurchtsvoll zugeeignet“), Braunschweig: Litolff [ca. 1902]; D-B, D-Mbs; Neuausgabe: Italian songs of the 18th century for voice and piano, New York: International Music Company, [1954]; D-Dl <> Alt-italienische Canzonen aus den Jahren 1716, 1717 & 1758, nach den in der Musikaliensammlung S. M. des Königs von Sachsen enthaltenen Manuscripten = Canzonette Italiane degli anni 1716, 1717, 1758, trascritte da originali esistenti nella collezione musicale di S. M. il Re di Sassonia, Mailand: Ricordi; D-Mbs <> Carl Philipp Emanuel Bach, Sonata a due Viol. e Basso (Cembalo) (aufgeführt (UA?) am 15. Dez. 1898 in Dresden), Leipzig: Brockhaus [ca. 1910]; D-B, D-Dl, D-Mbs <> Schriften: Zur Geschichte der Oper: ein Erinnerungsblatt an Peri’s und Caccani’s im Jahre 1600 erschienene Opern, Dresden: Warnatz u. Lehmann 1900; D-Dl <> Taxe der Streich-Instrumente. Anleitung zur Einschätzung der Geigen, Violen, Violoncelli, Kontrabässe usw. nach Herkunft und Wert, Leipzig 1907, mehrfach aufgelegt, zuletzt 172017 <> An Rezensionen, die für die Dresdner Tagespresse entstanden und dort nach gängigem Usus anonym erschienen, ist nichts Konkretes nachweisbar.

Quellen — KB Basel-Stadt (ref.) <> Personenstandsregister Wiesbaden <> Adressbücher Wiesbaden und Dresden <> Brief Max Reger an Caesar Hochstetter, 16. Nov. 1898 (Regest); weitere Briefe s. Kalliope <> Rezensionen, Tätigkeitsnachweise und Berichte in: Musikalisches Wochenblatt, NZfM bzw. ZfM <> Berichte über Auftritte und die Arbeit am Wiesbadener Konservatorium in: Wiesbadener General-Anzeiger, Wiesbadener Bade-Blatt <> Tätigkeitsnachweise am Dresdner Konservatorium in den Bericht[en] des Königl. Conservatoriums für Musik und Theater zu Dresden 1899–1910 <> Nachrufe u. a. in: Dresdner Nachrichten 16. Febr. 1910; Remscheider Zeitung 17. Febr. 1910; Wiesbadener Tagblatt 19. Febr. 1910; Musical America 12. März 1910; Bericht des Königl. Conservatoriums für Musik und Theater zu Dresden über das 54. Studienjahr 1909/1910, Dresden 1910, S. 13 <> Berichte rund um das Dresdner Grabmal in: Remscheider General-Anzeiger; ausführlicher Bericht zur Weihe: Dresdner Nachrichten 29. Mai 1911 <> Verlagsverzeichnis von C. W. F. Siegel’s Musikalienhandlung (R. Linnemann), Leipzig 1903, S. 86–88 <> Pazdírek, HmL, MMB <> Der an die Sächsische Landesbibliothek Dresden übergebene Nachlass (61 Bände Autographen, Abschriften, Erstausgaben) ging im Zweiten Weltkrieg bis auf ein Faszikel verloren (siehe Kalliope); vgl. auch Nachweiskatalog der Kriegsverluste D-Dl, digital, Sign. Mus.08401 (sechs Einträge).

LiteraturCyclopedia of Music and Musicians, hrsg. von John Denison Champlin, Bd. 2, New York 1889, S. 103f. <> RiemannL 51900, 71909 und 111929 <> BakerB <> Frank/Altmann 131927 <> Alfred Berner, Art. Fuchs, Leonhard Johann Heinrich Albert, in: MGG1 <> ThompsonC 101975 <> Edvard F. Kravitt, Art. Fuchs, (Leonhard Johann Heinrich) Albert, in: NGroveD <> Alfred Berner, Art. Fuchs, Albert, in: MGG Online <> Rud. Louis, Musikalien (Besprechungen der Sammlung Bel Canto und der Technischen Studien für Gesang), in: Die Musik Bd. 6, 1903, S. 124–126 <> Sachsens Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild, hrsg. von Bruno Volger, Leipzig, 1907–1908, S. 39 <> F. A. Geissler, Albert Fuchs, in: Monographien Moderner Musiker, Bd. 3, Leipzig 1909, S. 105–116 (mit Foto aus der Dresdner Zeit) <> Arnold Schering, Geschichte des Oratoriums, Leipzig 1911, S. 486f. <> Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier des Königlichen Conservatoriums für Musik und Theater zu Dresden 1856-1906, hrsg. vom Direktorium, [Dresden 1906] <> Die Geschichte der Stadt Trier von ihrer Gründung bis zur Gegenwart, hrsg. von Gottfried Kentenich, Trier 1915, S. 988 <> Erich H. Müller, Zwei ungedruckte Briefe von Robert Franz an Albert Fuchs, in: ZfM 18. Nov. 1922, S. 500f. <> Illustriertes Musik-Lexikon, hrsg. von Hermann Abert, Stuttgart 1927, S. 151 <> Th[eodor] W[ilhelm] Werner (Schüler Fuchs’ in Dresden), Albert Fuchs. Erinnerungsworte an den Dresdner Meister, in: ZfM Aug. 1938, S. 899f. <> Alfons Ott, Art. Fuchs, Leonhard Johann Heinrich Albert, in: NDB, Bd. 5, 1961, S. 676 (digital) <> Art. Fuchsstraße in: Stadt-Wiki Dresden (Stand: 23. Dez. 2017) (digital)

Abbildung 1: Albert Fuchs nach einer Fotografie von Heinrich Wirth (Wiesbaden) aus dem Jahr 1895 (Digitalisat aus D-F, Porträtsammlung Manskopf)

Abbildung 2: Titel der Drei Lieder op. 6; D-OF


Bernd Krause

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Website stimmen Sie dem Speichern von Cookies auf Ihrem Computer zu. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzbestimmungen gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
  • fuchsa.txt
  • Zuletzt geändert: 2024/09/02 16:05
  • von ab
  • angelegt 2024/08/01 10:10