Gellinger (Familie)
(auch Gälinger, Göllinger, Gölling – bisweilen verlesen als Bellinger etc.)
(1) Israel (nicht Israel Andreas) * Straßburg (?) verm. um 1610/15 | begr. Frankfurt/M. 22. Nov. 1681 (nicht 1687); Orgelmacher und Organist
(2) Andreas (nicht Israel Andreas) get. Frankfurt/M. 25. Nov. 1649 | begr. ebd. 19. Sept. 1724 (nicht 1687); Sohn von (1), Organist
(3) Israel get. Frankfurt/M. 26. Mai 1681 | begr. ebd. 20. Aug. 1727; Sohn von (2), Orgelmacher
(1) Vermutlich war Israel Gellinger (bis 1644 Gölling) Neffe, zumindest aber näherer Verwandter des Schreiners Isaac Gellinger (Gelinger), der – aus Straßburg stammend, wo er 1567 als Schreinerssohn geboren wurde – 1609 in Frankfurt heiratete und 1621 dort starb; unter dessen zahlreichen Kindern findet sich Israel jedenfalls nicht. Er wird gegen Ende der 1630er Jahre (als bereits verheirateter Mann und, was die Quellen ausdrücklich erwähnen, von Straßburg kommend) nach Frankfurt zugezogen sein, wo er 1639 als Beisasse begegnet. 1641 nennen ihn die Kirchenbücher „Instrumentist“ und (dies auch noch 1644 und 1646) Orgelmacher, 1649 dann ausdrücklich „Orgelmacher vndt Organist an St. Catharinen“; als solcher hatte er für die Instandhaltung des 1626 von Lorenz Ettlin erbauten Instruments Sorge zu tragen. Auch außerhalb der Stadt führte er Reparaturen und Renovierungsarbeiten durch, wie etwa bei der Orgel in der Kapelle des landgräflich-hessischen Residenzschlosses in Rotenburg (1651; vgl. Buchstab, S. 80) und der Stadtkirchenorgel in Darmstadt (1658; vgl. Noack, S. 110). Das Amt des Katharinenorganisten, das vor ihm bis 1648 Georg Mentzer innegehabt hatte, ging nach Gellingers Tod (1681) an Nicolaus Boller über. 1653 wurde Gellinger als Instrumentenmacher in die Schreinerzunft aufgenommen; zwei in den Jahren 1670 bzw. 1677 von ihm geschaffene Tasteninstrumente sind überliefert (s. Werke). Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Maria heiratete Gellinger 1659 Franciscina (auch Francina) geb. Gauckler, die Tochter eines Wollepackers; im Oktober 1662 erneut Witwer geworden, gab er im Januar 1663 der Schneiderstochter Catharina geb. Schneider das Jawort, und nachdem diese zwei Jahre später gestorben war, ließ sich der Katharinenorganist knapp fünf Monate Zeit, bis er Anna Catharina geb. Rohr, eine Tochter eines in Lich tätigen Reichsmünzgesellen heiratete. Enge persönliche Beziehungen bestanden zur ebenfalls aus dem Elsass stammenden Organisten-Familie Böddecker: Die Ehefrauen von Philipp Friedrich und Johann Heinrich fungierten bei Gellinger-Taufen (wenigstens) der Jahre 1641 und 1646 als Patinnen.
Werke — Clavichord (dat. 1670); Namur (Belgien), Hôtel de Groesbeech-de Croix <> zweimanualiges Spinett (dat. 1677); D-LEmim (s. Abb.)
(2) Andreas Gellinger, aus der ersten Ehe seines Vaters hervorgegangen, wurde 1671 Organist an der renovierten und mit einer weiteren (kleinen) Orgel ausgestatteten Frankfurter Barfüßerkirche. Abgesehen davon, dass er zweimal verheiratet war (1678 mit der Wollepackerstochter Susanna geb. Fritz, nach deren Tod 1687 mit Margarethe Elisabeth geb. Klumbs, der Tochter eines Sattlermeisters, die schon 1688 starb), wüssten wir kaum etwas über diesen Musiker, wenn nicht eine anscheinend besonders ausgeprägte charakterliche Schwäche den braven Kirchenbuchschreiber dazu veranlasst hätte, über seinen Schatten zu springen und der Nachwelt mehr zu überliefern als sonst – dies in Form zweier (alternativ gedachter) Vierzeiler, mit denen er im Jahre 1724 möglicherweise seinen Frust über den (nun endlich) verstorbenen Barfüßerorganisten abreagierte:
„Diß war ein Mann der drey und fünfftzig Jahr
Mit seiner Hand gantz angenehm gespielt;
Doch mit dem Mund nie wahren Frieden hielt,
der wahren Harmonie vergaß er also gar.
oder
Steht beydes Hand und Mund in reiner Harmonie,
so sündigt man an Gott und seinem Nächsten nie.
Hier spielte zwar sehr wohl des abgeleibten Hand;
Hingegen war sein Mund zum Mißlaut stets gewandt.“
(Totenbuch 1719–1724, S. 1009)
(3) Bei seiner Eheschließung im Jahre 1716 (mit der Bürgerstochter Elisabeth Neef) wird Israel Gellinger als „Bürger und Orgelmacher“ bezeichnet. Sein Sohn Andreas, den der gleichnamige Opa („avus paternus“) 1717 übers Taufbecken hielt (also „hub“, wie man das in Frankfurt nannte), setzte zumindest als Schreinermeister die Familientradition fort; er starb 1782.
Quellen — KB Frankfurt, KB Straßburg (St. Nikolaus) – freundliche Hinweise von Prof. Dr. Birger Petersen (Jugenheim)
Literatur — Valentin 1906 (mit irrigen Abgaben) <> Georg Kinsky, Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Katalog, Bd. 1, Köln 1910, S. 230 <> Noack 1967 <> Fischer/Wohnhaas 1994 (mit irrigen Abgaben) <> Art. Gellinger, Israel, in: Boalch-Mould online. A research database of harpsichords and clavichords and their makers, 1440–1925 (digital; mit irrigen biographischen Angaben) <> Bernhard Buchstab, Orgelwerke und Prospektgestaltung in Thüringer Schlosskapellen. Visualisierung sakraler Musikinstrumente im höfischen Kontext, Phil. Diss. Marburg 2002 <> Pierre Verbeek, The Israel Gellinger 1670 Clavichord, in: De Clavicordio VIII. Proceedings of the VIII International Clavichord Symposium […] Magnano 5–8 September 2007, hrsg. von Bernard Brauchli et al., Magnano 2008, S. 215–233
Abbildung: Zweimanualiges Spinett von Israel Gellinger (1677) (UL MIM 52); D-LEmim (digital), mit freundlicher Genehmigung
Axel Beer