NEUMEYER, FRITZ * Saarbücken 2. Juli 1900 | † Freiburg im Breisgau 16. Jan. 1983; Cembalist und Komponist

Der aus einer Weinhändlerfamilie in der Saargemünder Straße im späteren Saarbrücker Stadtteil St. Arnual stammende Neumeyer studierte nach dem Wehrdienst im letzten Kriegsjahr zunächst Medizin in Bonn, dann Klavier und Musiktheorie: 1919 bis 1921 an den Hochschulen für Musik in Köln (u  a. bei Franz Bölsche) sowie von 1921 bis 1924 in Berlin, dort außerdem Orchesterleitung, sowie an den Universitäten Köln und Berlin Musikwissenschaft. Von 1924 bis 1927 wirkte er als Korrepetitor, Chorleiter und Kapellmeister am Stadttheater seiner Heimatstadt. Nach Übersiedlung nach Berlin 1928 nahm er Cembalounterricht bei Alice Ehlers, kam in Kontakt mit dem Direktor des Instrumentenmuseums Curt Sachs, unterrichtete von 1939 (ab 1941 als kommissarischer Professor und Nachfolger seiner jüdischen, 1934 nach England emigrierten Lehrerin Ehlers) bis 1944 Cembalo und Musikerziehung an der Berliner Hochschule für Musik und arbeitete parallel 1939/40 beim Bärenreiter-Verlag in Kassel; als „musikalischer Spezialist“ wurde er ab 1942 von der zuständigen Behörde unabkömmlich gestellt und folglich nicht zum Kriegsdient eingezogen. Nach dem Krieg lehrte er von 1946 bis 1968 (ab 1949 als Professor) Cembalo, Generalbass und Historische Tasteninstrumente an der Hochschule für Musik Freiburg im Breisgau. Neumeyer interessierte sich bereits von den 1920er Jahren an für historische Instrumente und deren Nachbauten und gehörte zu den Begründern einer historisch informierten Aufführungspraxis. Er gründete 1933 die Vereinigung für Alte Musik, mit der er 1933/34 erste Rundfunkaufnahmen machte, und begann bereits um 1930, historische Tasteninstrumente zu sammeln: Etwa 50 Instrumente aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, die Neumeyer mit seinen Schülern Bradford Tracey und Rolf Junghanns zusammengetragen hat, werden als Teil einer Stiftung seit 1974 im Bad Krozinger Schloss (Sammlung historischer Tasteninstrumente Fritz Neumeyer) verwahrt. 1933 gründete Neumeyer die Saarbrücker Vereinigung für Alte Musik, außerdem wurde er Mitglied des Kammermusikkreises Scheck-Wenzinger mit Gustav Scheck und August Wenzinger – 1935 rief er das Kammertrio für Alte Musik ins Leben, das bis 1965 bestand; darüber hinaus war er ab 1954 Cembalist der Capella Coloniensis (dem Ensemble für Alte Musik des WDR) und von 1960 bis 1965 Mitglied der Wiener Solisten. Mit seinem Schüler Rolf Junghanns bildete Neumeyer ein Cembalo-Duo. Für die Deutsche Grammophon entstanden zwischen 1948 und den 1960er Jahren zahlreiche Einspielungen.

Die Fritz-Neumeyer-Akademie für Alte Musik im Saarland besteht seit 1993, vergibt gemeinsam mit dem Saarländischen Rundfunk regelmäßig den Fritz-Neumeyer-Preis für Alte Musik und veranstaltet seit 2001 die Tage für Alte Musik im Saarland; das nach Fritz Neumeyer benannte Neumeyer Consort wurde 2007 als Ensemble für Alte Musik gegründet und wird von den Mainzer Hochschullehrern Felix Koch und Markus Stein geleitet; 2010 wurde darüber hinaus die Neumeyer-Consort-Stipendiatenakademie zur Förderung des akademischen Nachwuchses gegründet.

Werke (in Auswahl) — Manuskripte (sämtlich in CH-Zz): Drei Gesänge (Fch.; 1922) <> Ave Maria (2 S, A, Org.; 1922) <> Drei geistliche Gesänge (A, Va., Kl.; 1922; UA 19. Okt. 1924 in Schwerin <> Acht Studentenlieder nach Gedichten aus dem 17. Jahrhundert (T, Streichorch.; 1923) <> Vier Gedichte von Friedrich Hebbel (B, Kl.; 1923) <> Marienlieder (vier Soli, Chor, Orch.; 1923; UA 9. Okt. 1925 in Saarbrücken <> Lieder nach Texten verschiedener Dichter (1925) <> Rezitativ, Arie und Choral nach biblischen Texten (A, Vl., Org.; 1925) <> Aus dem siebenten Ring nach Texten von Stefan George, Lieder und Gesänge (S, Kl.; 1924) <> Spielmannslieder nach Stefan George (Bar., Kl.; 1927; Instrumentation von Hans Georg Renner) <> Traurige Tänze nach 10 Gedichten von Stefan George (T, Strq., Bläserquartett, Hrf.; 1928; Instrumentation von Hans Georg Renner) <> Nachtgesang nach J. Chr. v. Grimmelshausen (A, Fl., Va. und Vc.; 1929) <> Lieder und Chöre nach verschiedenen Dichtern (1930/31) <> Aus dem „Westöstlichen Diwan“ (Goethe; Chor mit Instrumenten ad lib.; 1932) <> Verklingende Weisen (Louis Pinck; Soli, Chor, Orch.; 1933/49) <> Kammerkantate Das Herz des Wortes (Konrad Weiß; S, T, B, Vl., Va. und Vc.; 1945) <> Morgen-Kantate (nach Konrad Weiß, Sinnreich der Erde; vier Soli, Chor und Orch.; 1946) <> Volksliedsätze in verschiedenen Besetzungen (1946) <> Deutsche Volksweisen der Romantik in verschiedenen Besetzungen (1974) <> 12 Volksliedsätze aus der Deutschen Schweiz (Chor, und Instr.; 1975) <> Liedkantate Die güldne Sonne (Paul Gerhardt; Sst. und Instr. ad lib.; 1975) <> gedruckt: Jahreslied (vierst. gem. Ch.), Kassel: Bärenreiter [1947] <> Herausgaben: Deutsche Volkslieder aus Lothringen (4 Hefte), Kassel: Bärenreiter [1950] <> Lothringer Sing- und Spielbüchlein, ebd. [1954] <> Finnische Volkslieder, ebd. o. J. <> Liedsätze aus Losen Liederblättern in verschiedenen Liederbüchern, ebd.

Quellen — Sammlung Neumeyer, Bad Krozingen <> Nachlass im Stadtarchiv der Landeshauptstadt Saarbrücken

Literatur — Dieter Gutknecht, Versuch über eine ,Clavier-Sammlung‘. Fritz Neumeyer und die Instrumente im Schloß Krozingen, in: Concerto 2 (1984) Heft 1, S. 24–33 <> Dieter Gutknecht, Studien zur Geschichte der Aufführungspraxis Alter Musik. Ein Überblick vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, Mainz 1993 (21997) <> Fritz Neumeyer. Wege zur Alten Musik. Stationen und Dokumente, hrsg. von Jürgen Böhme, St. Ingbert 1996 (Schriften der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek 2) <> Nike Keisinger, Pioniere der Aufführungspraxis. Fritz Neumeyer und die Saarbrücker Vereinigung für Alte Musik, in: Musik in Saarbrücken: Nachklänge einer wechselvollen Geschichte, hrsg. von Nike Keisinger und Ricarda Wackers, Saarbrücken 2000, S. 153–162 <> Fritz Neumeyer und seine Sammlung, hrsg. von Susanne Berkemer und Markus Zepf, Freiburg etc. 2014 <> Dieter Gutknecht, Art. Neumeyer, Fritz, in: MGG2P (2016) <> Markus Zepf, Cembaloähnliche Geräusche. Fritz Neumeyer, Pionier historischer Aufführungspraxis, in: Bach-Magazin 45 (2025), S. 39–41 <> Neumeyer-Consort (Website)

Abbildung: Titel zum Jahreslied mit einer Umschlagvignette von Hermann Zapf, Kassel: Bärenreiter [1947]; D-Kbeer


Birger Petersen

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Website stimmen Sie dem Speichern von Cookies auf Ihrem Computer zu. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzbestimmungen gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
  • neumeyer.txt
  • Zuletzt geändert: 2025/05/29 12:56
  • von kk
  • angelegt 2025/05/29 12:56