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ZAPF, HERMANN * Nürnberg 8. Nov. 1918 | † Darmstadt 4. Juni 2015; (Noten-)Schriftgestalter, Kalligraph, Buchgestalter

Biographie und Schaffen von Hermann Zapf, Sohn eines Facharbeiters und Gewerkschafters, sind umfassend dokumentiert, u. a. auch von ihm selbst. Nach einer Lehre als Retuscheur (1934–1938) in einer Nürnberger Druckerei war er seit 1938 mit wenigen Unterbrechungen beruflich und privat fest mit dem Rhein-Main-Gebiet verbunden, zunächst als Mitarbeiter in der Druckwerkstatt Haus Fürsteneck (1938/39) in Frankfurt, nach dem Krieg ebendort als künstlerischer Leiter der Schriftgießerei D. Stempel AG (1947–1956), als Dozent an der Werkkunstschule in Offenbach (1948–1950) sowie später als Professor für Typographie an der Technischen Hochschule in Darmstadt (1972–1981). Zahlreiche der insgesamt rund 200 von Zapf entworfenen Schriften – darunter Palatino (ab 1948), Optima (ab 1958), ITC Zapf (ab 1977) und Zapfino (ab 1999) – gehören zu den bekanntesten Fonts überhaupt; wesentlich dazu beigetragen haben seine Tätigkeiten als Berater der Linotype Company in New York (1957–1974) und als Professor an der School of Printing in Rochester/NY (1977–1987), wo er Pionierarbeit auf dem Gebiet der Schriften-Digitalisierung leistete.

Weniger bekannt, aber Begründung dafür, ihm als einem der prägendsten Typographen des 20. Jahrhunderts im MMM ein Denkmal zu setzen, ist die Tatsache, dass Zapf auch als Notenschreiber und Gestalter von Notenschriften hervortrat. Diese Arbeiten gehören ausnahmslos der Frühzeit seines Schaffens an und sind eng verbunden mit Paul Koch und dessen Druckwerkstatt Haus Fürsteneck; das Schreiben von Liederbüchern war dort eine von Zapfs Hauptbeschäftigungen: Sämtliche Text- und Notenbeispiele in Kochs Notenschreibbüchlein (1939) stammen von seiner Hand, ebenso wie die im Verlag Voggenreiter in Potsdam erschienenen Liederbücher Der helle Tag (1938) bzw. Die Morgenfrühe (1939) von Hans Baumann – dass diese mit einer „wunderbare[n] samtschwarze[n]“ Talmud-Tinte geschrieben waren, hat der stramme Nazi Baumann freilich nie erfahren (Zapf, Alphabetgeschichten, S. 19f.). In seiner „Handschrift von einer beseelten Zartheit und Genauigkeit“ (Otto S. Fabricius) liegen, als bibliophile Jahresgabe 1939 der Maximilian-Gesellschaft für alte und neue Buchkunst, die Vier ernsten Gesänge op. 121 von Johannes Brahms vor.

1938 hatte sich Zapf erstmals an der Entwicklung einer kursiven Notenschrift namens Musica Presto versucht, die jedoch nicht über das Entwurfsstadium hinaus gelangte. Sicherlich noch auf Vermittlung von Paul Koch entstanden für die Musikverlage Bärenreiter in Kassel (1939/40) und Voggenreiter (1942) die Notenschriften Alkor bzw. Musica (Entwürfe und Andrucke in der Sammlung Hermann Zapf, D-W); die fertigen Typensätze beider Schriften sind im Zweiten Weltkrieg untergegangen (wenige Überreste im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Abteilung für Schriftguss, Satz und Druckverfahren). Zu einer Wiederherstellung oder zu Neuentwürfen kam es später nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Zapf noch gelegentlich an der Ausstattung von Ausgaben des Bärenreiter-Verlags beteiligt; u. a. gestaltete er die Schmuckausgabe des Hirtenbüchel auf die Weihnacht, Lieder zur Christgeburt ausgewählt von Fritz Dietrich, Kassel 1946, und den Bärenreiter-Einblattdruck Nr. 171, Der Mensch lebt so dahin und nimmt es nicht in acht, wie jede Stunde ihm sein Leben kürzer macht, Kassel 1948. Allerdings fühlte sich Zapf von der Geschäftstüchtigkeit des Verlegers Karl Vötterle abgestoßen (vgl. den Brief an Paul Standard [1950], Sammlung Hermann Zapf, DIV 2, S. 90), sodass die Zusammenarbeit nicht fortgeführt wurde.

Zapf wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Gutenberg-Preis der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz (1974) und dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse (2010). Seit 1951 war er mit der Schrift- und Buchkünstlerin Gudrun Zapf-von Hesse (* Schwerin 2. Jan. 1918 | † Darmstadt 13. Dez. 2019) verheiratet.

Schriften (Auswahl) — Paul Koch, Notenschreibbüchlein (Notenbeispiele geschrieben von Hermann Zapf), Wolfenbüttel: Kallmeyer 1939 – 2. Auflage hrsg. von Hermann Zapf, ebd.: Möseler 1953 <> Hermann Zapf and His Design Philosophy, Chicago 1987 <> Alphabetgeschichten: Eine Chronik technischer Entwicklungen, Bad Homburg/Rochester 2007 (Autobiographie)

Quellen (Auswahl) — Sammlung Hermann Zapf (Nachlass) in D-W; darin u. a. Notenschriftentwürfe sowie Paul Kochs Einladungsschreiben (11. März 1938) (Sign. WAL 343), Briefe an Paul Standard (Sign. DIV 2)

Literatur (Auswahl) — Otto S. Fabricius, Die Werkstatt ‚Haus zum Fürsteneck‘ in Frankfurt, in: ABC-XYZapf. Fünfzig Jahre Alphabet Design. Gesammelte Beiträge über Fachliches und Persönliches für Hermann Zapf, hrsg. von John Dreyfus und Knud Erichson, Offenbach/London 1989, S. 30–33 <> Sammlung Hermann Zapf, Wolfenbüttel 1993 (Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel) <> Meister der Schrift Hermann Zapf. Kalligraph, Schriftdesigner, Typograph, Buchgestalter, hrsg. von Eva Homrighausen und Anne Isphording, Nürnberg 2002 (Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg) <> Nikolaus Julius Weichselbaumer, Der Typograph Hermann Zapf. Eine Werkbiographie, Berlin/Boston 2015 <> [Savva Terentyev], Hermann Zapf’s musical notation calligraphy. An example for musicians & typeface designers (part I) YouTube <> freundliche Hinweise von Prof. Dr. Nikolaus Weichselbaumer, Mainz

Abbildung 1: Brahms Vier ernste Gesänge Opus 121, „nach einer Handschrift von Hermann Zapf gedruckt bei August Osterrieth in Frankfurt am Main“ (Nr. 60 von 330 Exemplaren); Jahresgabe der Maximilian-Gesellschaft für alte und neue Buchkunst 1939; im Besitz der Verfasserin

Abbildung 2: aus dem Hirtenbüchel auf die Weihnacht (Schmuck-Ausgabe; Kassel etc.: Bärenreiter 1946); im Besitz der Verfasserin


Gudula Schütz

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  • Zuletzt geändert: 2024/11/02 13:07
  • von ab
  • angelegt 2024/10/15 15:52