kradochwill

auch Kradochwil und selten Kratochvill(e), Kratowil, Gratowichle

(1) Sebastian Fabian * Cassowitz (vermutl. Kassejowitz bzw. heute Kasejovice, Tschechien) ca. 1739/40 | † Koblenz 3. Juli 1802; Regimentsmusiker

(2) Mathias (Joseph) * Koblenz 26. Nov. 1784 | † Wien 3. Nov. 1862; Sohn von (1), Konzertmeister, Korrepetitor, Musiklehrer

(3) Joseph Heinrich * Koblenz 3. Febr. 1787 | † ebd. 7. Juni 1854; Sohn von (1), Geiger, Tanzmeister


(1) Sebastian Fabian Kradochwill schloss am 24. Nov. 1785 in Koblenz die Ehe mit Maria Anna geb. Haslinger (* ca. 1759 | † Koblenz 20. Mai 1836). Darüber hinaus ließen sich lediglich seine Tätigkeit und sein Todesdatum eruieren. Der im Sterbeeintrag genannte Geburtsort „Cassowitz in Boehmen“ ist nicht eindeutig zu identifizieren – vermutlich handelt es sich um Kassejowitz (Kasejovice), wo sich zwar kein Geburtseintrag für ihn in den Kirchenbüchern finden lässt, der Name Kradochwill aber mehrfach begegnet.


(2) Mathias Kradochwill, in den Quellen gern mit dem Zusatz „der ältere“ (l’ainé) zur Unterscheidung von seinem Bruder bezeichnet, war von 1809 bis 1848 Konzertmeister und Korrepetitor des Musik-Instituts zu Koblenz; dafür wurden ihm neben der Gehaltszahlung ab 1811 regelmäßig Benefiz-Konzerte veranstaltet. In vielen Konzerten dürfte er, obwohl ungenannt, als Solist der häufig gegebenen Violinkonzerte gewirkt haben. Außerdem ist anzunehmen, dass die Violinschüler des Instituts (darunter die Gebr. →Hartmann) von ihm unterrichtet wurden, so wie auch Joseph →Lenz zu seinen Schülern zählte. Seit 1805 und auch noch nach der Gründung des Musik-Instituts im Jahre 1808 bis mindestens 1815 ist er als Veranstalter von eigenen Konzerten mit Bällen hervorgetreten, zunächst im Gasthof Zu den drei Cronen, später im Saal des Collegiums, also des Gymnasiums. Darüber hinaus vertrieb Kradochwill etwa seit 1809 als Kommissionär Verlagswerke des Offenbacher Hauses André, über das er 1816 auch in Kontakt zum Mainzer Schott-Verlag kam. In den Koblenzer Adressbüchern ist er als Musiklehrer für Violine und Gitarre eingetragen. 1848 schied er aus dem Musik-Institut aus (sein Nachfolger wurde Georg Hartmann), da er nach Stuttgart übersiedelte, wo ihn die Adressbücher abermals als Musiklehrer führen. Seine Tochter Clara (* Koblenz 2. Febr. 1819 | † Wien 18. Jan. 1856) hatte bereits 1845 in Stuttgart den Schriftsteller und Buchhändler Anton Carl Dittmarsch (* Stuttgart 27. Mai 1819 | † Wien 30. Jan. 1893; Inhaber der (typographisch-artistisch-literarischen) Verlage C. Dittmarsch & Comp. in Stuttgart und später Zamarski & Dittmarsch in Wien) geheiratet, der zuvor bei den Firmen Hölscher in Koblenz und von Zabern in Mainz tätig gewesen war und 1846 ein Heft Komponisten- und Musikerporträts veröffentlichte. Dittmarsch war ein Neffe Kradochwills und Sohn des Regisseurs und Schauspielers Johann Anton Carl Dittmarsch (c. 1790–1872). Kradochwill folgte später (nicht vor 1853) seiner Tochter und seinem Neffen nach Wien.

Weitere Kinder, die aus Mathias Kradochwills 1812 mit Maria Antonia (auch Antonetta) Theresia geb. Litz (* Koblenz 11. Febr. 1791 | † nicht vor 1827) geschlossenen Ehe hervorgingen, waren u. a. Gertrude (* Koblenz 25. Nov. 1816 | † New York 25. Nov. 1869, Ehefrau von Joseph Noll) und Maria Sibilla Wilhelmina (* Koblenz 15. Febr. 1827 | † Wien 9. Sept. 1912; seit 1863 zweite Ehefrau Anton Carl Dittmarschs)

WerkeWein und Liebe (Sst., Git./Kl.), Nr. 208 der Reihe Auswahl von Arien, Mainz: Schott [1821]; D-B, D-Mbs (digital, s. Abb.)


(3) Auch „der jüngere“ (le cadet) Joseph Heinrich Kradochwil war wahrscheinlich Geiger und als solcher Mitglied im Orchester des Musik-Instituts. Außerdem ist der Presse und den Adressbüchern von Koblenz zu entnehmen, dass er spätestens ab 1813 als Tanzmeister in Erscheinung trat und entsprechende Kurse gab. Seit 1813 war er mit Anna Margaretha Lessmann (* Koblenz 7. Jan. 1797 | † ebd. 6. Apr. 1876) verheiratet; die Ehe wurde später geschieden. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei ihm um jenen als „Dä Grattewill“ bekannt gewesenen Musiker und Tanzlehrer gehandelt haben könnte, der in den 1920er Jahren von Joseph Eisenach als frühes Koblenzer Original charakterisiert wurde. Eisenach bezeichnet ihn als Bruder des „großen Geigenkünstlers“, nennt als richtigen Namen allerdings „Philipp Kradochvill“. Bislang ließ sich kein Bruder Mathias Kradochwills mit diesem Vornamen ermitteln, was die Vermutung zulässt, dass Joseph Heinrich gemeint sein könnte.


Quellen — KB Koblenz (Liebfrauen; St. Kastor), Stuttgart (St. Eberhard), Wien (Am Hof, St. Karl Borromaeus) <> Sterberegister Koblenz <> Adressbücher Koblenz, Stuttgart <> Akten zum Musik-Institut Koblenz; D-KBa (Best. 441 Nr. 25889), D-KBsta (Best. 623 Nr. 1646 und 4513) <> Briefe von Mathias K. an Schott in Mainz (22, 1816–1826); D-Mbs, s. Kalliope <> Briefe von André in Offenbach an Mathias K. (18, 1809–1822/23); D-OF (Kopierbücher) <> HmL, MMB <> Coblenzer Anzeiger 7. Febr. 1806, 30. Jan. 1807, 6. Nov. 1807, 3. Febr. 1809; Feuille d’Affiches 15. Okt. 1813; Koblenzer Nachrichten 14. Jan. 1815, 13. Okt. 1815; Kölnische Zeitung 16. Apr. 1826, 13. Apr. 1833; AmZ 9. Juni 1841; Niederrheinische Musik-Zeitung 29. Juli 1865; Österreichisch-Ungarische Buchdrucker-Zeitung 2. Febr. 1893 (Nachruf Carl Dittmarsch) <> freundliche Mitteilungen von Frau Judith Höhn-Engers (Stadtarchiv Koblenz) (Jan. 2025)

Literatur — Albert Staudt, Oeffentliches Musikwesen in Coblenz von seinen ersten nachweisbaren Anfängen bis zur Gründung des Musik-Instituts, in: Zeitschrift für Heimatkunde von Coblenz und Umgebung 1 (1920), hier S. 78 <> Joseph Eisenach, Dä Grattowill, in: Kowelenzer Steckelcher, Koblenz [1926], S. [7]f. (zuerst veröffentl. in: Coblenzer Heimat-Blatt 23. März 1924) <> Karl Zimmermann, Fastnacht in Koblenz zur franzsösischen Zeit 1794–1813, in: Koblenzer Heimatblatt 2. März 1930 <> Paul Schuh, Joseph Andreas Anschuez, in: BzrhM 25 (1958), S. 34, 65 <> Hans Schmidt, Musik-Institut Koblenz, Koblenz 1983, S. 37, 66–68, 158 <> Baur 2009

Abbildung 1: Programm eines Benefizkonzerts für Matthias Kradochwill am 26. Febr. 1847; D-KBsta (KH 54 Bl. 7), mit freundlicher Genehmigung

Abbildung 2: Titelseite zu Matthias Kradochwills Wein und Liebe; D-Mbs


Uwe Baur (†) | Kristina Krämer

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  • Zuletzt geändert: 2025/02/11 14:54
  • von kk
  • angelegt 2025/01/13 21:01