Gugel (Familie)
(1) Georg (auch Görg) Anton * (Mainz-) Kastel 13. Apr. 1743 | † Ludwigsburg 22. Dez. 1802 (nicht Stuttgart 1804); Militärmusiker, Kapellmeister und Komponist
(2) (Franz) Joseph get. Mainz 15. Sept. 1773 | † St. Petersburg 30. Juni 1848; Sohn von (1), Waldhornist
(3) Heinrich (auch Henry) get. Mainz 27. Febr. 1781 | vermutl. begr. London 4. März 1849; Sohn von (1), Waldhornist und Komponist
(4) (Heinrich) Rudolph * Hildburghausen 11. Okt. 1805 | † nicht vor 1866; Sohn von (2), Waldhornist
(1)
Georg Anton Gugel gehörte als Militärmusiker dem Regiment Lamberg an. Als solcher wird er bei seiner 1766 in Mainz erfolgten Eheschließung mit der Lehrerstochter Eleonora (Clara) Barthauer (* Heidesheim 17. Febr. 1744 | † vermutl. Ludwigsburg nicht vor 1803) und in den Taufeinträgen seiner Kinder zumeist bezeichnet. 1780 erhielt er eine Anstellung als Hofkapellmeister von Herzog Ludwig Eugen von Württemberg (Residenz in Weitlingen und Bönnigheim) und wurde 1793 im Zuge der Auflösung der Hofkapelle pensioniert. Seine in dieser Zeit entstandenen Kompositionen verkaufte er an Fürst Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein. Gugel verstarb in Ludwigsburg, wo seine Tochter Anna Maria (get. Mainz 28. Jan. 1763) seit ihrer Heirat mit dem Privatlehrer und späteren Rektor Johann Gottlieb Biber (1770–1848) im Jahr 1799 lebte. Seine Witwe veräußerte Anfang 1803 seine Notenbibliothek und mehrere Instrumente aus seinem Besitz.
Werke — gedruckt: Six quatuor concertants (Vl., 2 Va., Vc.) op. 1, Paris: Durieu [ca. 1780]; s. RISM G 4891 <> Duo(s)? (2 Fl.) op. 2, ebd. [ca. 1780?] (Durieu-Verlagskatalogen entnommen) – möglicherweise identisch mit Six Duettos (Fl./Vl., Violone) op. 1, Brüssel: Gram & Ceulemans; ehem. D-B <> 12 Contredanses in: Franz Xaver →Sterkel, Six menuets avec contre danses (Kl.), Mainz: Schott [1783]; s. RISM S/SS 6021 <> Symphonie périodique (2 Vl., Va., Kb., 2 Fl., 2 Hr., 2 Trp., Tr.; Herzog Ludwig Eugen von Württemberg gew.), Mannheim/München: Götz [1786]; s. RISM G/GG 4890 <> Manuskripte (s. RISMonline; überliefert in D-HR, wenn nicht anders angegeben): Gesang („Höre Himmel hör’ o Erden“; S, A, T, 2 Vl., 2 Fl., 2 Hr., Va., Cemb., B.) <> 14 Symphonien (je 4 in C-Dur und D-Dur, 3 in G-Dur, 2 in A-Dur und 1 in Es-Dur) <> Ballo D-Dur (Cemb., 2 Vl., 2 Klar., 2 Hr., Va., B.) <> Divertimento Dis-Dur (2 Cemb., 2 Fag., Vl., Va., 2 Hr., B.) <> Quartetto B-Dur (Cemb., Klar., Va., Vc.) <> Trio B-Dur (Klar., Vl., B.); F-Pn <> 6 Sonatas (für 2–6 Instr.) <> Schrift (Zuschreibung unsicher): Allgemeiner Aufstand der Strassburger Jakobiner gegen die Rebellen der Vendee. Eine komische Heldengeschichte, Straßburg [1795]; F-Sn
Quellen — Kirchenindexkarten Mainz <> KB Ludwigsburg <> Brief Gugels an Fürst Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein 18. Dez. 1795 (wiedergegeben in Haag 1964) <> Schwäbischer Merkur (Stuttgart) 26. Dez. 1802 (Todesanzeige), 27. Jan. 1803
Referenzwerke und Literatur — Heinz Haag, Georg Anton Gugel (1743–1804), in: MittAGm 5 (1963), S. 36f. <> Ders., Nachtrag zu Georg Anton Gugel, in: MittAGm 6 (1964), S. 43f. <> Schneider 1989, S. 159, 369
Abbildung 1: Titelseite der Six quatuor concertants op. 1; I-MOe (digital)
(2)
Joseph Gugel soll zunächst Schüler seines Schwagers (nicht Onkels) Franz Scholl (* ca. 1752 | † Preßburg 27. Nov. 1828; Klarinettist und Instrumentenbauer) in Wien gewesen sein, bevor der Vater ihn und seinen jüngeren Bruder Heinrich (3) im Kindesalter „[o]hne Reisegefährten, ohne Welt- und Menschenkenntniß, nur mit einigen Louisd’or in der Tasche, das Werkzeug ihrer ungewissen Subsistenz unter dem Arme, […] zu Fuße“ auf Reisen schickte (AmZ 16. Sept. 1801). Zumindest im Kern dürfte die märchenhaft anmutende Erzählung auf der Wahrheit beruhen: 1791 sind Auftritte der beiden Waldhornisten in Bruchsal und Kirchberg belegt und der Plan einer Reise durch Deutschland in der Presse erwähnt. 1795 fanden sie Aufnahme als Kammermusiker in die herzogliche Hofkapelle in Sachsen-Hildburghausen, wo sie bis 1805 im Dienst standen und zweifellos mit Christoph Grimm, Johann Peter Heuschkel, möglicherweise auch mit dem zeitweise sich dort aufhaltenden Carl Maria von →Weber Umgang pflegten. In dieser Zeit erlangten sie durch auswärts gegeben Konzerte u. a. in Hamburg, Stuttgart, Leipzig, Berlin und Frankfurt/M. (dort 1801 und 1803) zunehmende Bekanntheit als Waldhornvirtuosen. Selten findet noch ein dritter, Klarinette spielender, älterer Bruder Erwähnung, der ebenfalls Kammermusiker in Hildburghausen gewesen sein soll – es könnte dies Anton (get. Mainz 7. Jan. 1767; 1805 Bezirkseinnehmer in Kaiserslautern, 1812 als Kunde im Kontakt mit dem Schott-Verlag) oder Franz Leonhard (get. Mainz 30. Apr. 1769) gewesen sein. Joseph Gugel heiratete 1803 in Sachsendorf (heute zu Eisfeld) Friederike geb. Rückert (* Hildburghausen 1777 | † St. Petersburg 3. Nov. 1862), die er sicherlich über ihre Stellung als Kammerjungfer der Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen kennengelernt hatte. Ob die Brüder Gugel, wie spätere Erzählungen behaupten, ihren Dienst verließen, nachdem sie sich geweigert hatten, bei einem Ball am Hofe aufzuspielen und deshalb arrestiert worden waren (vgl. Die Gartenlaube Nr. 28, 1873), ist noch zu prüfen. Jedenfalls wandten sie sich nach St. Petersburg, von wo aus sie 1808 nach Moskau kamen, sich dort u. a. mit einem Konzert aus der Feder ihres Hildburghäuser Kollegen Heuschkel hören ließen, und über Riga und Mitau nach Paris zu reisen gedachten. Wann genau die Anstellung als Kammermusiker in St. Petersburg erfolgte, ist ungewiss.
Seit 1816 trat Joseph Gugel vornehmlich mit seinem damals 11jährigen Sohn Rudolph (4) auf, den er auf dem Waldhorn ausgebildet hatte. Eine ausgedehnte, mehrjährige Konzertreise traten Vater und Sohn 1818 an, die sie zunächst von St. Petersburg über Moskau, Kiew, Warschau, Königsberg, Berlin, Dresden, Leipzig in das Rhein-Main-Gebiet führte, wo sie im Frühjahr 1819 in Frankfurt/M. und Wiesbaden auftraten, bevor sie weiter nach Paris reisten. Es folgten bis Ende 1820 Konzerte in Straßburg, Speyer, Koblenz, Bonn, Elberfeld, Köln, Den Haag, Amsterdam, Verviers, Aachen, Wiesbaden (mit Moritz und Hermann →Ganz am 9. und 14. Aug. 1820), Mainz, Kaiserslautern, Landau, Karlsruhe, Ludwigsburg, Augsburg und München. Von dort ging es 1821 nach Wien, Prag, Breslau, Hamburg, Bremen, Münster, und abermals Hamburg. 1822 folgten Auftritte in Dänemark (Odense, Kopenhagen, Christiania), bei denen Friedrich Kuhlau mitwirkte (der ihnen sein Concertino (2 Hr., Orch.) op. 45 widmete), Schweden (Stockholm, Uppsala) und Finnland (Turku, Helsinki), bevor sie nach St. Petersburg zurückkehrten. Dort erhielten sie eine Anstellung als Orchestermusiker des Kaiserlichen Theaters mit einem Gehalt von 3800 Rubeln; die musikalische Presse berichtete von dort noch bis 1837 immer wieder von Konzertauftritten der beiden. Joseph Gugel starb an Cholera. Seine Söhne Christian Georg Ernst (* Hildburghausen 4. Jan. 1804 | † St. Petersburg? 1842) und Ludwig Gottlieb (* Ort unbekannt 14. Aug. 1810 | † St. Petersburg? 26. März 1869) waren u. a. als Lehrer tätig. Christoph August Gabler widmete ihm sein Andante avec Variations op. 41 (Leipzig: Breitkopf & Härtel [1819]).
Quellen — KB Sachsendorf; KB Hildburghausen (Hofkirche); KB St. Petersburg (St. Petri) <> Erik Amburger-Datenbank (online) <> Briefe Joseph Gugels an Schott in Mainz (2, 1820); D-B, s. Kalliope <> Briefe von Schott an [Anton] Gugel in Kaiserslautern (2, 1812); D-MZsch (Briefkopierbuch) – sowie von [Anton] Gugel an Schott (2, 1816); D-Mbs <> Erwähnung der Brüder Gugel in einem Brief von Jean Paul an Emanuel Osmund, Coburg 3. Febr. 1804 (vgl. Jean Paul’s Briefwechsel mit seinen Freunden Emanuel Osmund, Friedrich von Oertel und Paul Thieriot, München 1865, S. 145–147) <> (zu den Reisen und Auftritten von (2) und (3)): Musikalische Korrespondenz der teutschen Filarmonischen Gesellschaft 20. Apr. 1791; Kaiserlich-privilegirte Hamburgische Neue Zeitung 10. Juli 1798; Frankfurter Frag- und Anzeige-Nachrichten 15. Mai 1801, 25. Okt. 1803 (Beilage), 4. Nov. 1803, 8. Nov. 1803; Schwäbischer Merkur (Stuttgart) 26. Juli 1801; AmZ 9. Sept. 1801, 16. Sept. 1801 ([Johann Friedrich] Christmann, Joseph und Heinrich Gugel), 25. Jan. 1804, 18. Apr. 1804, 20. Aug. 1817; Zeitung für die elegante Welt 26. Okt. 1802; Allgemeine Zeitung (München) 8. Dez. 1802; Kurpfalzbaierische Münchner Staatszeitung 16. März 1803, 5. Jan. 1804; Münchner Tagsblatt 16. März 1803, 16. Dez. 1803; Der Zuschauer(Riga) 2. Mai 1808; Rigasche Zeitung 17. Febr. 1812; Intelligenzblatt der St. Petersburgischen Zeitung 26. März 1812, 4. März 1813, 26. März 1815 <> zu den Reisen und Auftritten von (2) und (4): Intelligenzblatt der St. Petersburgischen Zeitung 29. Febr. 1816, 6. März 1817, 24. Febr. 1825, 14. Febr. 1828; Zeitung für die elegante Welt 6. Juni 1816, 23. Juli 1818, 14. Aug. 1818; AmZ 2. Juli 1817, 29. Apr. 1818, 29. Juli 1818, 16. Sept. 1818, 11. Nov. 1818, 27. Jan. 1819, 17. März 1819, 19. Mai 1819, 2. Juni 1819, 30. Juni 1819, 29. Sept. 1819, 17. Mai 1820, 19. Juli 1820, 28. März 1821, 27. März 1822, 3. Apr. 1822, 1. Okt. 1823, 8. Nov. 1837; Gazeta Warszawska 11. Apr. 1818; Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 23. Juli 1818, 30. Juli 1818, 4. Aug. 1818, 22. Okt. 1818, 24. Okt. 1818; Berlinische Zeitung 28. Juli 1818; Dresdner Anzeigen 2. Dez. 1818; Leipziger Zeitung 21. Dez. 1818; Herzogl. Sachsen Coburg-Saalfeldisches Regierungs- und Intelligenzblatt 30. Jan. 1819; Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 9. Febr. 1819, 17. März 1819; Rheinische Blätter (Wiesbaden) 14. März 1819; Le Moniteur Universel (Paris) 22. Mai 1819; Journal des débats politiques et littéraires (Paris) 23. Mai 1819; Neue Speyerer Zeitung 11. Sept. 1819, 28. Okt. 1819; Allgemeine musikalische Zeitung (Wien) 13. Nov. 1819, 14. Juli 1821; Bonner Wochenblatt 9. Jan. 1820; Kölnische Zeitung 15. Jan. 1820; ’s Gravenhaagsche courant 5. Apr. 1820; Aachener Zeitung 19. Mai 1820, 25. Mai 1820, 30. Mai 1820, 6. Juni 1820, 20. Juni 1820; Beilage der Rheinischen Blätter 6. Aug. 1820, 8. Aug. 1820, 12. Aug. 1820; Karlsruher Intelligenz- und Wochen-Blatt 8. Okt. 1820; Schwäbischer Merkur 2. Nov. 1820, 12. Nov. 1820; Flora (München) 7. Dez. 1820, 21. Dez. 1820, 28. Dez. 1820; Neue Breslauer Zeitung 3. Febr. 1821, 5. Febr. 1821, 7. Febr. 1821, 10. Febr. 1821, 12. Febr. 1821, 17. Febr. 1821, 24. Febr. 1821; Hamburgische Adreß-Comtoir-Nachrichten 15. März 1821, 26. März 1821, 2. Apr. 1821, 16. Nov. 1821, 23. Nov. 1823, 4. Febr. 1822; Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten 31. März 1821, 1. Mai 1821, 27. Okt. 1821, 23. Nov. 1821, 6. März 1822; Bremer Zeitung 9. Sept. 1821, 15. Sept. 1821, 30. Apr. 1822; Münsterisches Intelligenzblatt 28. Sept. 1821; Königlich privilegirte Altonaer Adreß-Comtoir-Nachrichten 28. Nov. 1821; Fyens Stifts Kongelig allene privilegerede Adresse-Avis og Avertissementstidende (Odense) 4. Jan. 1822, 7. Jan. 1822; Kjøbenhavns kongelig alene privilegerde Adressecomptoirs Efterretninger 21. Jan. 1822; Dagen (Kopenhagen) 28. Jan. 1822; Stockholms Dagligt Allehanda 10. Apr. 1822, 29. Apr. 1822; Argus (Stockholm) 4. Mai 1822; Stockholms Posten 7. Mai 1822; Upsala Stads och Läns Tidning 15. Mai 1822, 17. Mai 1822; Åbo Tidningar 8. Juni 1822, 12. Juni 1822, 19. Juni 1822; Finlands Allmänna Tidning (Helsinki) 22. Juni 1822; Rigaische Stadt-Blätter 25. Juli 1822; Abend-Zeitung (Dresden) 14. Juli 1825; St. Petersburgische Zeitung 14. Febr. 1828, 28. Febr. 1828; Didaskalia 17. Apr. 1830
Referenzwerke und Literatur — Art. Gugel (Joseph) und (Heinrich) und Gugel (…), in: Johann Georg Meusel, Teutsches Künstlerlexikon […], 2. Aufl., Lemgo 1808 <> GerberNTL, SchillingE, Mendel/Reissmann, FétisB <> G. Petrowa, Art. Gugel, in: Nemcy Rossii. Enciklopedija, Moskau 1999 <> Ingeborg Wesser, Musikgeschichte der Hohenlohischen Residenzstadt Kirchberg. Von der Mitte des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Stuttgart/Weimar 2001, S. 216 <> Harald Strebel, Anton Stadler. Wirken und Lebensumfeld des „Mozart-Klarinettisten“. Fakten, Daten und Hypothesen zu seiner Biographie, Addenda zu Bd. 1 und 2, Wien 2020, S. 58f.
Abbildung 2: Unterschrift Joseph Gugels auf einem Brief an Schott (Landau [nicht London!], 26. Sept. 1820); D-B (digital)
(3)
Heinrich Gugel war auf dem Waldhorn Schüler seines älteren Bruders Joseph (2), mit dem er gemeinsam Konzertreisen unternahm, am Sachsen-Hilburghäuser Hof angestellt war (1795–1805) und nach St. Petersburg ging. Es ist ungewiss, wo er sich zuletzt aufhielt, bevor er 1821 „[n]ach langer Abwesenheit“ kurzzeitig nach St. Petersburg zurückkehrte, bevor er alleine Richtung Paris aufbrach, mit Zwischenstationen u. a. in Riga, Mitau, Königsberg, Berlin, Wiesbaden (Auftritt mit Joseph Küffner und Anton Foreit im Aug. 1823), Mainz und Straßburg. Aus gesundheitlichen Gründen war Gugel gezwungen, ab dem Winter 1823/1824 eine fast zweijährige Pause im Elsass einzulegen. Von dort aus intensivierte er seinen Kontakt zum Mainzer Musikverlag Schott, der bereits 1823 zwei Werke von ihm veröffentlicht hatte und nun neben dem zweiten Heft seiner Etüden auch sein Hornkonzert – Gabriel d’Auvergne gewidmet, bei dem Gugel in Wesserling untergekommen war – zu drucken versprach. Gugel erhoffte sich, durch geschickte Vermarktung „schon vor meiner Ankunft in Paris bekannt zu werden“ (Brief vom 30. Mai 1824), zumal er sich sicher war, dass wenn seine „H[erren] Kollegen erst meine Sachen ein wenig kennen lernen sie gewiß dann nichts anders mehr mit Vergnügen spielen werden“ (Brief vom 2. Juli 1824). Aus dem Briefwechsel geht hervor, dass ihn eine Freundschaft mit seinem früheren Hildburghäuser Kollegen Johann Peter Heuschkel verband, der nun die Korrektur seiner Werke bei Schott übernehmen sollte, und er in Kontakt mit den Mainzer Instrumentenmachern [Johann?] Diehl und Ferdinand Korn stand. Im Mai 1825, nach wie vor in Wesserling lebend, gab Gugel seine vergeblichen Mühen um produktiv-geschäftlichen Kontakt mit Schott auf, nachdem der Verlag seine Bestellungen und Briefe erst mehrere Monate lang ignoriert und schließlich in beleidigend unhöflichem Ton darauf reagiert hatte („Ihre Vernachläßigung gegen mich so wie Ihre früheren äuserungen fangen an mir lästig zu werden“, Brief vom 29. Jan. 1825). Dass Gugel Instrumente bei Ferdinand Korn in Auftrag gab, sorgte außerdem für Unmut und der Verlag beschuldigte ihn, die Schott’schen Instrumente in Misskredit bringen zu wollen, indem er behauptete, dass ihre Hörner „nichts tauchten“, ohne sie überhaupt „gehörig probiert“ zu haben (Zitat nach Gugel vom 23. Febr. 1825).
Im November 1825 reiste Gugel schließlich wegen seines „Kornhorns“ nach Mainz. Ob er von dort, wie in der Presse angekündigt, nach Paris und London weiterreiste, ist ungewiss. 1827 kam er von St. Petersburg aus, abermals mit dem Ziel Paris – wohin er angeblich vom Pariser Konservatorium eingeladen worden war (vgl. Hamburgische neue Zeitung 12. Apr. 1827) – in Hamburg an und ließ sich dort, wie auch in Bremen und Leipzig hören. 1828 sind Auftritte in Mainz und Mannheim nachweisbar und Ende 1829 wurde aus Paris berichtet, er habe sein Instrument aufgegeben und würde nun Klavierunterricht geben (Journal des débats 21. Dez. 1829). Über den weiteren Fortgang seiner Biographie liegen keine gesicherten Daten vor. Robert Lucas Pearsall berichtet über Gugel, mit dem er (wohl 1828) in Mainz aufeinandergetroffen war, dass dieser die Flachheit seiner Lippen und damit einen entscheidenden technischen Vorteil verloren habe: „They bulged, probably from age. He was much distressed as he now lost some of his highest notes. One morning he came to me, saying, that he was sure he should recover his powers, if he could get a skilful surgeon to pare his lips down flat as before“ (The musical world 26. Juli 1838). Pearsall zufolge habe Gugel sich schließlich, da er keinen Chirurgen fand, selbst mit einer Rasierklinge „operiert“, sich damit ruiniert und 1830, als Pearsall ihn in Paris traf, in großer Armut gelebt. Da sich sein Name allerdings nicht in den Pariser Sterberegistern finden lässt, sei die Vermutung geäußert, dass er nicht dauerhaft in Paris blieb und es sich möglicherweise bei ihm um jenen „Mr. H. Gugel“ aus Deutschland handelte, der in der englischen Presse zwischen 1834 und 1847 mehrfach als herumreisender Instrumentenhändler und „Verbesserer“ von Geigen begegnet, der zuletzt in London lebte und mutmaßlich identisch mit dem Henry Gugel war, der mit 65 Jahren im März 1849 in London verstarb.
Zu Heinrich Gugels technischen Fähigkeiten heißt es in der AmZ: „[…] dabey ist sein Ton, bey dem bedeutenden Umfange von 5 1/2 Octaven, in allen Lagen schön und kräftig, seine Intonation, auch in den entferntesten Tonarten, rein und bestimmt, und jede vorkommende Schwierigkeit wird von ihm mit der grössten Kraft und Präcision vorgetragen.“ (AmZ 15. Sept. 1821)
Werke — gedruckt: Nocturne Pastorale (Hr., Kl.; Louis Maurer gew.), Mainz: Schot [1823]; D-B, D-Mbs (digital, auch Stichvorlage digital), DK-Kk, F-Pn – zahlreiche spätere Auflagen <> Douze Études (Hr.; „dédiées à son ami Louis Berger de Berlin“ (nicht zu verwechseln mit Ludwig Berger)), 1. Heft, Mainz: Schott [1823]; D-B, D-Mbs (digital; auch Stichvorlage digital), DK-A – zahlreiche spätere Auflagen und Bearbeitungen für andere Instrumente <> Douze Etudes (Hr.), 2. Heft, Mainz: Schott [1825]; D-B, D-Mbs (digital, s. Abb. 3.) <> Premier Concert (Hr., Orch.; Gabriel d’Auvergne gew.), Mainz: Schott [1825]; D-B, D-Mbs (Partitur-Ms. digital), DK-Kk (digital), S-Skma <> ungedruckt: Variationen über Nel cor più non mi sento (Hr., Vc. bzw. Hr., Kl.); vgl. AmZ 3. Sept. 1823, Hamburgische neue Zeitung und Adreß-Comtoir-Nachrichten 12. Apr. 1827 (dort ebenfalls genannte „schriftliche Aufsätze über die eigenthümliche Behandlung und Vervollkommnung“ des Horns lassen sich nicht nachweisen) <> Potpourri über den russischen Kuhreigen; vgl. AmZ 3. Sept. 1823, 23. Sept. 1824 <>
Quellen — Briefe Heinrich Gugels an Schott in Mainz (12, 1823–25); D-B, D-Mbs, s. Kalliope <> Briefe Johann Peter Heuschkels an Schott mit Erwähnungen Gugels (18. Okt. 1824, 28. Okt. 1824, 1. Nov. 1824, 22. Nov. 1824, 29. Nov. 1824, 2. Dez. 1824, 6. Jan. 1825, 16. Febr. 1825); D-B <> HmL <> Morgenblatt für gebildete Stände 19. Mai 1815, 26. Juni 1823, 2. Okt. 1827; AmZ 2. Juli 1817, 15. Sept. 1821, 2. Apr. 1823, 13. Aug. 1823, 3. Sept. 1823, 23. Sept. 1824, 13. Juni 1827; Intelligenzblatt der St. Petersburgischen Zeitung 12. März 1818; 8. März 1821; Rigasche Zeitung 12. Dez. 1822, 19. Jan. 1823; Zeitung für die elegante Welt 7. März 1823; Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten 29. März 1823, 23. März 1827; Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz (Berlin) 28. Apr. 1823; Der Spiegel 20. Aug. 1823 (Beilage); Niederrheinischer Kurier (Straßburg) 18. Dez. 1823; Le Corsaire (Paris) 29. Dez. 1823; Abend-Zeitung (Dresden) 11. Juni 1824; Berliner Allgemeine musikalische Zeitung 6. Juli 1825 (Bespr. der 2 Hefte Études), 20. Juli 1820 (Bespr. des Hornkonzerts), 5. Apr. 1826; Didaskalia 25. Nov. 1825; Hamburgische neue Zeitung und Adreß-Comtoir-Nachrichten 19. März 1827, 12. Apr. 1827; St. Petersburgische Zeitung 29. März 1827; Königlich privilegirte Altonaer Adreß-Comtoir-Nachrichten 7. Apr. 1827; Mannheimer Zeitung 30. März 1828, 2. Apr. 1828, 10. Apr. 1828, 11. Apr. 1828, 19. Apr. 1828; Rheinisch-Westphälisches Korrespondenzblatt 14. Nov. 1829; Journal des débats politiques et littéraires (Paris) 21. Dez. 1829; Liverpool Mercury 7. März 1834; The Manchester Guardian 22. März 1834; The Manchester Courier 29. März 1834; The Halifax Guardian 26. Apr. 1834, 6. Febr. 1847; Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 30. Apr. 1834; The Newcastle Journal 2. Aug. 1834; The Musical World (London) 26. Juli 1838 (R. S. Pearsall, Henry Guzel[!], the horn player); The Gloucester Journal 29. Dez. 1838; Gloucestershire Chronicle 29. Dez. 1838
Referenzwerke und Literatur — Art. Gugel (Joseph) und (Heinrich), in: Johann Georg Meusel, Teutsches Künstlerlexikon […], 2. Aufl., Lemgo 1808 <> GerberNTL, SchillingE, Mendel/Reissmann, FétisB, EitnerQ
Abbildung 3: Titelseite zum zweiten Heft von Heinrich Gugels Hornetüden; D-Mbs
(4)
Rudolph Gugels Jugend war, wie schon die seines Vaters und Onkels, von Konzertreisen geprägt. Von seinem Vater auf dem Waldhorn ausgebildet, befand er sich mit diesem etwa von seinem zwölften bis siebzehnten Lebensjahr auf einer einzigen ausgedehnten Reise durch Europa (zu den Stationen siehe unter (2)). Dabei lernte er in Berlin Felix →Mendelssohn kennen, der mit den beiden Waldhornisten ein Trio zu Gehör brachte. Sein Brief an Rudolph Gugel vom 1. November 1819, worin er sich erinnert „[w]ie der große Bengel dastand und pustete, auf einem Horn welches noch einmal so groß als er selbst war“ ist der früheste autograph überlieferte Brief aus seiner Feder (vgl. Mendelssohn-Briefe Bd. 1 Nr. 3). Nach ihrer Station in Berlin waren Gugel und sein Vater in Dresden wiederum mehrfach bei Carl Maria von Weber zu Gast. Nach beendigter Reise lebte Rudolph Gugel als Orchestermusiker in St. Petersburg. Bei seiner am 6. Juni 1846 in Pernau (heute Pärnu, Estland) mit der Schuhmachermeisterstochter Louise Wilhelmine geb. Drewsen (* Pernau 9. Febr. 1819 | † ebd. 31. Juli 1866) erfolgten Heirat ist er als „Kaiserlicher Theater-Musikus in St. Petersburg“ bezeichnet, jedoch ließ er sich 1848 aus gesundheitlichen Gründen vom Dienst befreien. Aus seiner Ehe gingen sieben Kinder hervor, bevor sie geschieden wurde.
Quellen — KB Pernau <> Familienregister Pernau <> Brief Mendelssohns an Rudolph Gugel 1. Nov. 1819 s. Felix Mendelssohn Bartholdy. Sämtliche Briefe, Bd. 1, hrsg. von Juliette Appold und Regina Back, Kassel 2008, S. 31, 66, 572 (dort irrig als Sohn Heinrich Gugels bezeichnet) <> Tagebucheinträge Carl Maria von Webers mit Erwähnung Rudolph Gugels und seines Vaters (19. Nov. 1818, 25. Nov. 1818, 26. Nov. 1818, 5. Dez. 1818, 6. Dez. 1818), s. Weber-Gesamtausgabe (online) <> B. S., Felix Mendelssohn-Bartholdy im Flügelkleide, in: Die Gartenlaube Nr. 28, 1873 (Kommentar zu und Faksimile des Mendelssohn-Briefs an Gugel) <> G. Petrowa, Art. Gugel, in: Nemcy Rossii. Enciklopedija, Moskau 1999
Kristina Krämer