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ERHARDI, LORENZ * Hagenau (Elsass) 5. Apr. 1598 | begr. Frankfurt/M. 6. Nov. 1669; Lehrer und Kantor

Seine Karriere als Musiklehrer begann Erhardi nach eigener Aussage (Compendium musices, S. 96) im Jahre 1618, wobei er Saarbrücken, Straßburg und Hagenau als Stationen benennt; dass er selbst Schüler von Christoph Thomas Walliser in Straßburg gewesen war, auf den er sich vielfach bezieht und dessen Adjunkt als Kantor am Münster und an St. Thomas er in den Jahren 1621 bis 1624 war (Chor- und Figural Gesang-Buch, nach S. 811), wird man annehmen dürfen. 1623 schrieb er sich außerdem zum Studium an der Philosophischen Fakultät der Straßburger Universität ein, das er mit dem Magistertitel abschloss. Möglicherweise aufgrund sich zuspitzender konfessioneller Unruhen verließ Erhardi seine Heimat und wandte sich nach Frankfurt, wobei er sehr wahrscheinlich in Johann Andreas Herbst, der just um diese Zeit den Musikbetrieb in Kirche und Schule zu reformieren suchte, einen Fürsprecher fand: Nachdem Erhardi am 25. Jan. 1625 an den Rat mit der „Bitte umb ein Schuldienst“ herangetreten war, wurde bereits zwei Tage später seine Einstellung als Lehrer („praeceptor classicus“) und Kantor des Gymnasiums beschlossen (Ratsprotokolle, Bl. 44r und 45r). Ihm fiel überdies die Leitung der Choral- und Figuralmusik an St. Katharinen zu sowie die Aufgabe, mit dem Schulchor an bestimmten Tagen bei den Gottesdiensten in der Barfüßerkirche mitzuwirken. Resultat dieser Tätigkeiten im musikpädagogischen und kirchenmusikalischen Bereich sind sein Chor- und Figural Gesang-Buch sowie die hierzu ausdrücklich als theoretisch-pädagogischer Unterbau gedachte zweite Auflage seines Compendium musices. Nachfolger Erhardis in der Funktion als Praeceptor des Gymnasiums wurde sein Schwiegersohn Ernst Bogislav Moscherosch (1637–1702), der 1665 Maria Elisabeth Erhardi (* 1638) geheiratet hatte; sie entstammte der 1625 geschlossenen Ehe des Vaters mit Catharina Münch (Monachus), einer Tochter des 1617 verstorbenen Stadtpfarrers Matthäus Monachus. Außerdem wurde nach Erhardis Tod Christian Bornheimer (1643–1679) als Sänger und Kantor bei Trauerfeiern angestellt.

Dass Lorenz Erhardis über 40 Jahre währende Tätigkeit im Spannungsfeld von Kirche, Schule und Verwaltung – dies zudem in kriegerischen Zeiten – einerseits auf Anerkennung stieß, andererseits auch Ungemach mit sich brachte, ist überliefert. Was aber den einen zu ewigem Ruhm gereicht – Bachs Tage im Arrest seien erinnert –, wird anderen von den strengen Kulturexegeten der Nachwelt hart vorgerechnet: So hat sich Caroline Valentin, die mit erhobenem Zeigefinger mitzuteilen weiß, dass von Erhardis „Händeln mancherlei verlautet“, mehr oder weniger feinsinnige Gedanken über das von Sebastian Furck geschaffene Portrait, das sie im Anhang ihres Buchs wiedergibt, gemacht: „Hohle unheimliche Augen blicken über die große Nase hinweg, hart und unfreundlich ist auch der Zug um den Mund. Nach der äußeren Erscheinung ist es nicht zu verwundern, daß dieser Mann einen herrischen, abstoßenden Charakter hatte.“ (Valentin 1906, S. 173). Freilich sah das der Frankfurter Gelehrte Peter Lotichius anders, der in den beigefügten lateinischen Versen eigentlich nur blumig vom Antlitz eines gebildeten und gläubigen Mannes spricht – sicher war auch nicht beabsichtigt, einen stadtbekannten Schurken aus Anlass seines 50. Geburtstags durch die Veröffentlichung eines prachtvoll ausgestatteten Portraits zu würdigen.

WerkeCompendium musices, Frankfurt: Selbstverlag 1640; verschollen (vgl. Schaefer 1975, S. 434, sowie 2. Aufl., S. 38 des Appendix) – 2. (erheblich erweiterte) Auflage: Compendium musices latino-germanicum […], Frankfurt: Kempfer 1660; s. VD 17 12:120283B sowie RISM B/VI, Écrits imprimés, Bd. I, S. 294 <> Epicedium à 3 vocum („In deine Hände befehl ich meinen Geist“), in: Leichenpredigt auf Friedrich List (Animarum Beatarum Receptaculum) von Bernhard Waldschmidt, Frankfurt: Humm 1645; D-DS (s. VD 17 17:750036D) <> Fuga in unisono à 4 („Ich weiß daß mein Erlöser lebet“), in: Leichenpredigt auf Erasmus Seiffart (Christiana eutanasia/Christliche Güldene Sterb-Kunst) von Georg Philipp Liechtstein, Frankfurt: Spörlin 1664; s. RISM E 747 sowie VD 17 39:108470M <> Fuga in Unisono à 4. Voc. („Fidentem nescit deseruisse Deus“), Stammbucheintrag 23. Sept. 1650; D-Sl (digital) <> als Herausgeber: Harmonisches Chor- und Figural Gesang-Buch / Augspurgischer Confession: Worinnen die Psalmen und Geistliche Lieder / vornemlich Herrn D. Martin Luthers / und anderer Gottseligen Lehrer begriffen […] Reich zu singen gebräuchlich / mit 2. 3. 4. 5. und 6. Stimmen […] Beneben einem nützlichen Unterricht nothwendiger Musicalischer Sachen […], Frankfurt: Selbstverlag (Kempfer) 1659 (nicht 1651); s. VD 17 12:120279R sowie RISM B/VI, Écrits imprimés, Bd. I, S. 294, und Schaefer 1975, S. 460 – enthält u. a. Melodien bzw. Sätze von Johann Andreas Herbst (29), Erhardi (6), Johann Jeep (6), Ludwig Hörnigk (1) und Christian Theodor Völckel (1)

Quellen und Referenzwerke — KB Frankfurt <> Ratsprotokolle Frankfurt 1624/25; D-Fsa (H.02.02.92) <> Gustav C. Knod, Die alten Matrikeln der Universität Strassburg 1621–1793, Straßburg 1897, S. 521 <> Martin Vogeleis, Quellen und Bausteine zu einer Geschichte der Musik und des Theaters im Elsass 500–1800, Straßburg 1911, S. 484 <> Schaefer 1975

Literatur — Valentin 1906 <> Peter Epstein, Die Frankfurter Kapellmusik zur Zeit J. A. Herbst’s, in: Archiv für Musikwissenschaft 6 (1924), S. 58–102 <> Peter Cahn, Kirchenmusik an St. Katharinen, in: St. Katharinen zu Frankfurt am Main, hrsg. von Joachim Proescholdt, Frankfurt 1981, S. 293–315, hier S. 293–296 <> Diana Rothaug, Art. Erhard, Erhardi, Lorenz, Laurentius, in: MGG2P (2001) <> Roman Fischer, Art. Erhard, Lorenz, in: Frankfurter Personenlexikon (online) (hier auch weitere Quellenangaben)

Abbildung: Lorenz Erhardi nach einem Stich von Sebastian Furck (1648); A-Wn (digital)


Axel Beer

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  • angelegt 2025/02/05 00:44