Johann Conrad Seibert
SEIBERT (auch Seybert), JOHANN CONRAD get. Maar (heute Stadtteil von Lauterbach; Vogelsbergkreis) 9. Jan. 1712 (nicht 1711)| † Frankfurt/M. 9. Juli 1792; Musiker und Komponist
Seibert war Sohn eines Hufschmieds in Maar – wem er seine musikalische Begabung und deren Förderung zu verdanken hatte, wissen wir nicht. Ebenso sind die Umstände unbekannt, die ihn nach Frankfurt führten und um 1727 zum Kapellknaben unter dem städtischen Musikdirektor Johann Balthasar →König werden ließen. Seit 1735 ist seine Mitwirkung als Sänger in der Kapelle der Barfüßer- und Katharinenkirche belegt; 1750 wurde er auf eigenes Ansuchen zu deren Vizedirektor ernannt, und in den Jahren 1758 bis 1769 zeichnete er zudem (als Nachfolger von Heinrich Valentin Beck) verantwortlich für die Musik an der Peterskirche. Nachdem seine Bewerbung um das Amt des Musikdirektors nach dem Tod Königs (1758) noch erfolglos geblieben war, konnte er 1769 an die Stelle Johann Christoph Fischers treten, der seinerzeit Königs Nachfolger Johann Henrich Steffan beerbt hatte. Wie Fischer führte Seibert in den Gottesdiensten neben eigenen auch zahlreiche Kantaten anderer Komponisten auf (vgl. Cahn, S. 304f.). Weiterhin setzte er – gleichfalls abseits seiner öffentlichen Tätigkeit – dessen Winterkonzerte fort (bis etwa 1775; seit 1771 gemeinsam mit Wolfgang Nicolaus Haueisen und Paul Rothfischer) und erteilte privaten Musikunterricht, u. a. in der Familie von Goethes Jugendfreund Johann Bernhard Crespel – dass er zeitweilig (zwischen 1768 und 1775) bei Crespels zur Miete wohnte, ist sicher keine Beiläufigkeit: Seibert lebte in einer ausgesprochenen Umbruchzeit, in die nicht nur der Abriss der baufällig gewordenen Barfüßerkirche (1785) fiel, sondern auch die hauptsächlich auf die Mitwirkung in den Gottesdiensten konzentrierte Kapellmeisterstelle nachhaltig an Reputation verlor – „ein jämmerliches Amt“, so Goethes Mutter nicht lange nach dem Tod Seiberts in einem Brief an den Filius in Weimar (1. Jan. 1793), von dem allein man „ohnmöglich […] leben kann“ (zit. nach Roman Fischer). Johann Andreas Bismann, der als Musiklehrer und als Musikalienhändler schon seit geraumer Zeit etabliert war, wurde, obwohl schon reichlich in die Jahre gekommen, Seiberts Nachfolger als Leiter der Kirchenmusik an St. Katharinen, wo auch die Gottesdienste der Barfüßergemeinde stattfanden. Verheiratet war Johann Conrad Seibert, der 1744 das Frankfurter Bürgerrecht erhielt, seit 1739 mit der aus Lauterbach gebürtigen Bäckerstochter Sibylla Margaretha geb. Jäger († Frankfurt/M. 1747).
Werke — 45 vorwiegend für die Gottesdienste sowie auch für bestimmte Anlässe (Jubiläen, Trauerfeiern) komponierte Kantaten (Ms.; meist wohl autogr.; einige datiert ab 1771); D-F (s. RISMonline sowie Schlichte) – die in D-Cl und D-SWl überlieferten Kantaten dürften kaum von unserem Seibert herrühren.
Quellen — KB Frankfurt; KB Maar (danach das Taufdatum; das in den Frankfurter KB mitgeteilte Jahr ist irrig) <> Gesuche Seiberts um Ernennung zum Vizedirektor (1750) bzw. um Zuweisung der Direktorstelle (1758); D-Fsa (H. 02.14.1750-I bzw. 1758-II) <> Israel 1876
Literatur — Joachim Schlichte, Thematischer Katalog der kirchlichen Musikhandschriften des 17. und 18. Jahrhunderts in der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (Signaturengruppe Ms. Ff. Mus.), Frankfurt/M. 1979, S. 126–137 <> Peter Cahn, Kirchenmusik an St. Katharinen, in: St. Katharinen zu Frankfurt am Main, hrsg. von Joachim Proescholdt, Frankfurt 1981, S. 293–315, hier S. 303–305 <> Ann Barbara Kersting-Meuleman, Die Musik an der Barfüßer- und Paulskirche, in: Von der Barfüßerkirche zur Paulskirche. Beiträge zur Frankfurter Stadt- und Kirchengeschichte, hrsg. von Roman Fischer, Frankfurt 2000 (Studien zur Frankfurter Geschichte 44), S. 343–378, hier S. 365 <> Dies., Zwischen Hamburg und Frankfurt. Zur Rezeption der Vokalwerke Telemanns in Frankfurt 1722 bis 1767, in: Extravaganz und Geschäftssinn – Telemanns Hamburger Innovationen, hrsg. von Bernhard Jahn und Ivana Rentsch, Münster und New York 2019, S. 281–298, hier S. 290–291 <> Roman Fischer, Art. Seibert, Johann Conrad, in Frankfurter Personenlexikon (online)
Abbildung: Erste Seite der vielleicht autographen Partitur zur Kantate Ein Richter du zukünftig bist; D-F (digital)
Axel Beer