Heinz Möhn
MÖHN (später auch: MOEHN), HEINZ (eig. Heinrich Jacob) * Limburg an der Lahn 23. Nov. 1902 | † Wiesbaden 27. Apr. 1992; Dirigent, Komponist, Bearbeiter und Herausgeber
Heinz Möhn – die Schreibung „Moehn“ findet sich gelegentlich auch in deutsch-, vorzugsweise aber in englischsprachigen Dokumenten –, Sohn des Kaufmanns Heinrich Jacob Möhn und seiner Ehefrau Friederike Margaretha geb. Günthert, erhielt seinen ersten Musikunterricht (Violine) von dem Limburger Kapellmeister Karl Reifert und eignete sich darüber hinaus im Selbststudium theoretische Kenntnisse sowie erste pianistische Fertigkeiten an. Letztere erweiterte er nach Abschluss der schulischen Laufbahn 1921 in Verbindung mit Unterricht in Harmonielehre, Kontrapunkt und Orchestrierung bei Eduard Gelbart in Frankfurt/M. sowie in Dirigieren bei Carl Schuricht in Wiesbaden.
Im Anschluss an seine Studien leitete er in Limburg den dortigen Männergesangverein und das Ensemble Frauenlob; auch als Dirigent mehrerer Instrumentalkonzerte trat Möhn hier in Erscheinung. Am 8. Nov. 1931 heiratete er Franziska Rudersdorf; aus der Ehe gingen die Söhne Rudi Stephan (* 15. Febr. 1933; benannt nach dem Komponisten Rudi Stephan, den Möhn zwar nicht persönlich kannte, jedoch sehr bewunderte) und Heinrich Eduard (* 22. Mai 1934) hervor. 1933 trat er der NSDAP bei; bis 1937 fungierte er als „Ortsmusikerschaftsleiter Limburg“ der Reichs-Musikkammer. In dieser Zeit entstanden einige Kompositionen mit nationalsozialistischem Einschlag, etwa die „Arbeiter-Kantate“ Von den Männern, die ihre Pflicht getan (1934), die Hymne an die Menschheit (1935) sowie die Feiermusik zum 9. November (1938; am 14. Mai 1939 im Rahmen einer Morgenfeier der NSDAP im Kurhaus Wiesbaden erneut aufgeführt). Eigens für ein Konzert zum Geburtstag Benito Mussolinis schrieb er eine Intrada (für Blechbläser, Pauken, Becken; Kurhaus Wiesbaden, 29. Juli 1942; Leitung: August Vogt).
Möhn war auch als Kritiker für den Limburger Anzeiger tätig, und 1936 fand er zudem eine Anstellung als Organist am Limburger Dom; seine Kenntnisse im Orgelspiel hatte er vermutlich erneut autodidaktisch erworben. Eine Rippenfellentzündung zwang ihn jedoch noch im selben Jahr zur vorübergehenden Aufgabe aller laufenden Anstellungen, was ihm aber ermöglichte, sein Augenmerk verstärkt auf das Komponieren zu richten, so dass das Jahr 1937 sein produktivstes wurde. Auch einen Auftritt am 28. Nov. desselben Jahres als Pianist im Kurhaus Wiesbaden ließ sein angegriffener Zustand zu. Ansonsten hielt er sich in dieser für ihn problematischen Lebensphase mit verschiedenen privat angebotenen Dienstleistungen und Unterricht über Wasser, wie eine in April und Mai 1938 mehrfach im Wiesbadener Tagblatt abgedruckte Anzeige belegt (s. Abb. 1).
Möglicherweise als Reaktion auf die Düsseldorfer Ausstellung Entartete Musik (Mai 1938) stellte Möhn wenig später seine kompositorische Tätigkeit weitestgehend ein, konnte jedoch – nach weitgehender, aber nicht vollständiger Genesung – für die Saison 1938/39 eine Anstellung als musikalischer Leiter des Wiesbadener Varieté-Theaters Scala annehmen; „er und seine Spielschar sorg[t]en [dort] für anfeuernde und schmissige Begleitmusik“ (Fritz Günther 1938). Im November 1938 war Möhn Jurymitglied beim „Pflichtwertungssingen“ des Sängerbundes Frankfurt, außerdem trat er noch einmal als Pianist auf, nämlich am 27. Nov. 1938 bei einem Vereinskonzert des Schubertbundes im Kasino zu Wiesbaden (s. Abb. 2). Danach wurde er 1939 auf Veranlassung von Karl Maria →Zwissler als Repetitor am Stadttheater Mainz verpflichtet, wo man ihn zwei Jahre später zum Chorleiter ernannte.
Musikdirektor August Vogt, der 1938 die Wiesbadener Uraufführungen von Möhns Musik für Violine und Orchester und die Feiermusik zum 9. November dirigiert hatte, verfasste 1939 ein Empfehlungsschreiben, in dem er neben der „selbstverständlichen Beherrschung des technischen Rüstzeuges“ auch „außerordentlichen Reichtum phantasievoller und plastischer musikalischer Gedanken und eine absolute klare, saubere, und ehrliche, aus dem Herzen kommende Ausdrucksweise, die seiner Musik den Stempel des ‚aus innerster Überzeugung geschriebenen‘ aufdrückt.“ (zit. nach Lalonde (Projektleitung), Finding Heinz Moehn, Unterseite August Vogt (later Carl August Vogt), German Conductor). Die immer noch anhaltenden Symptome seiner Krankheit – für seine Ausfälle gewährte man ihm mehrfach Unterstützung aus der Stiftung Künstlerdank – ersparten Möhn den Kriegsdienst, so dass er seiner Verpflichtung in Mainz bis Juli 1944 nachgehen konnte und im Anschluss daran eine Anstellung als Redakteur und Lektor beim dortigen Schott-Verlag bekam. Hier war er bis 1959 aktiv. Sein Name verband sich vor allem mit den von ihm herausgegeben Klavierauszügen, aber er war auch an anderen Projekten maßgeblich beteiligt, schwerpunktmäßig an der Veröffentlichung einiger Werken von Komponisten, die von den Nationalsozialisten der Denunzierung und Verfolgung ausgesetzt waren, darunter Arnold Schönberg, Karl Amadeus Hartmann und Paul →Hindemith. Aber auch einige dem Regime seinerzeit nahe stehende Komponisten fanden seine Aufmerksamkeit, etwa Carl →Orff, Bernd Alois Zimmermann und Wolfgang Fortner. Besonders eng gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Hans Werner Henze, für den er mehrere Klavierauszüge erstellte und der 1959 in geradezu warnenden Worten sein Bedauern über Möhns Weggang aus Mainz und dem damit verbundenen Verlust für den Schott-Verlag zum Ausdruck brachte (Brief an Möhn, 2. März 1959). Mit seiner 1952 begonnenen und ebenfalls bis 1959 andauernden Tätigkeit als Dirigent des Wiesbadener Orchestervereins konnte Möhn außerdem maßgeblich zum Wiederaufleben des Musiklebens vor Ort beitragen.
1959 wechselte Möhn zum Verlag Bärenreiter in Kassel, ohne dabei seinen Wiesbadener Wohnsitz aufzugeben. Als Leiter der Abteilung „Bühnen- und Orchesterwerke“ war er für die Herausgaben sowohl älterer als auch zeitgenössischer Werke verantwortlich, größtenteils in Form von Klavierauszügen. Von besonderer Bedeutung war für ihn die Mitarbeit an der Neuen Mozart-Ausgabe. Mozarts Requiem in der Fassung von Franz Xaver Süßmayr gab er 1965 als Klavierauszug heraus; dieser wirkte nachhaltig auf zahlreiche weitere Editionen des Werks. Nach Antritt des Ruhestands 1966 blieb Möhn dem Verlag bis 1988 als freier Mitarbeiter erhalten. – Zu den wenigen Kompositionen, die nach dem Krieg entstanden, gehören eine Missa brevis (1948, revidiert 1982) und, als „opus ultimum“, eine Vertonung von Goethes „Wandrers Nachtlied“, datiert 10. Juli 1991. Die Schlussworte „Warte nur, bald ruhest du auch“ erfüllten sich wenig später. – Johannes Dyring, in Kanada lebender Enkel Möhns, hat sich um die Aufarbeitung des Nachlasses (seit 1992 in seinem Besitz) sowie die (Wieder-)Aufführung von einigen Werken verdient gemacht.
Werke — ein (fast – es fehlt z. B. die oben genannte Intrada von 1942) vollständiges Verzeichnis aller Kompositionen, erstellt von Amanda Lelande und Kennedy Kosheluk, findet sich auf der von Amanda Lalonde betreuten Internetpräsenz Finding Heinz Moehn, Unterseite Catalogue of Works <> zu Herausgaben und Bearbeitungen siehe Unterseite Heinz Moehn’s Editorial Work
Quellen — KB Limburg (Dompfarrei St. Georg) <> Adressbücher Wiesbaden (1948, 1950, 1958, 1966) <> Nachlass, Privatbesitz Nachfahren Heinz Moehn, CDN-Saskatchewan <> Fallakte Heinz Möhn, Laufzeit 1946–1949; D-WIsta <> Biographisches Material; Bundesarchiv (Bestand RKK, Namensakte), darin u. a. Antragsunterlagen für Spende „Künstlerdank“ mit Fragebögen und Bewilligung von 150 RM <> Biographisches Material; D-KImi (Archiv Prieberg), darin u. a. Brief an Fred K. Prieberg, 5. April 1983, mit Anlage detaillierter selbstbiographischer Angaben <> Brief an Rudolf Alexander Schröder, 1947; D-MB (s. Kalliope) <> Brief Kurt →Hessenberg an Möhn, 6. Sept. 1951; D-B (s. Kalliope) <> weitere Briefe von und an Möhn im Privatbesitz (Nachfahren Heinz Moehn, CDN-Saskatchewan, Übersicht: Correspondence), darunter: August Vogt an „Herrn Verwaltungsrat Schäfer“, 28. März 1939; Hans Werner Henze an Möhn, 2. März 1959; Ernst Krenek an Heinz Möhn, 26. Apr. 1971; Verlagskorrespondenz mit Schott und Bärenreiter <> Limburger Anzeiger 28. Sept. 1918 („öffentliche Belobung“ für die Beteiligung an der Laubheusammlung) <> mehrere Nachweise im Wiesbadener Tagblatt 1935–1942 <> Fritz Günther, „Scala“-Überraschungen, in: Wiesbadener Tagblatt 17. Aug. 1938 <> W. F., Sängerchöre im Wettstreit. Pflichtwertungssingen des Sängerbundes Frankfurt, in: Neueste Zeitung (Frankfurt/M.) 7. Nov. 1938 <> Ga., Anerkennenswertes Musizieren, in: Wiesbadener Tagblatt 21. März 1972 <> N. N. Kapellmeister Heinz Moehn wird 85 in: Wiesbadener Tagblatt 21./22. Nov. 1987 <> Michael von Poser, Kapellmeister Moehn wird 85, in: Wiesbadener Leben 36. Nov. 1987
Literatur — PriebergH <> Schnell 1998, S. 35 <> Sabine Doebel-Atchison, When all puzzle pieces fit together… The story of Heinz Moehn with a Saskatoon connection“, in: Postillon. Der Rundbrief des Saskatchewan German Councils = The quarterly newsletter of the Saskatchewan German Council Spring 2019, S. 8f. <> Amanda Lalonde (Projektleitung), Finding Heinz Moehn, Saskatchewan, Kanada, © 2025 (Startseite) (mit weiteren Hinweisen)
Abbildung 1: Annonce Möhns im Wiesbadener Tagblatt 2./3. Apr. 1938, Anzeigenteil
Abbildung 2: Ankündigung eines Vereinskonzerts des Schubertbunds Wiesbaden, in: Wiesbadener Tagblatt 26./27. Nov. 1938
Bernd Krause