(1) Johann Heinrich * Mechterstädt (heute Ortsteil der Landgemeinde Hörsel bei Gotha) 26. März 1666 | † Heppenheim (Bergstraße) 6. Dez. 1703; Orgelbauer

(2) Augustin(us) * Mechterstädt 24. Dez. 1677 | † Dürkheim 6. Aug. 1739; Bruder von (1), Orgelbauer

(3) Johann Michael * Dürkheim 3. Febr. 1708 | † ebd. 13. Jan. 1763 (nicht 1762); Sohn von (2), Orgelbauer und Ratsherr

(4) Johann Philipp * Dürkheim 9. Juli 1750 | † Kallstadt 3. Jan. 1806; Sohn von (3), Orgelbauer


Der Sohn des Thüringer Schreiner- und Müllermeisters Christoph Hartung, Johann (1), siedelte mit seinem Bruder Augustin (2) an den Mittelrhein um, vermutlich in den Raum Worms-Darmstadt und eventuell in Zusammenhang mit der kulturellen Blüte am Hof von Hessen-Darmstadt seit Landgraf Ludwig VI. Hartung trat zum Katholizismus über und erhielt u. a. deswegen ab 1690 Bauaufträge im kurmainzer Gebiet, in der Nähe Darmstadts und an der Bergstraße, darunter in Worms, Weinheim an der Bergstraße, Heppenheim, Herrnsheim und Bensheim. Seine Instrumente sind nicht erhalten. Er erlag im Kontext der Instandsetzungsarbeiten an der von ihm 1702 fertiggestellten und bald darauf von einem Blitzeinschlag zerstörten Orgel in Heppenheim den Verletzungen, die er sich bei einem Sturz vom Pferd zugezogen hatte; das Heppenheimer Kirchenbuch weist ihn als „organifex insignis“ aus. Augustin Hartung übernahm nach dem Tod seines Bruders die Werkstatt, die sich ab 1707 in der Strauchelgasse in Dürkheim befand; er baute u. a. ein noch von Johann Heinrich entworfenes Instrument in Dürkheim (nicht erhalten), 1710 ein neues für die Schlosskirche St. Martin zu Bockenheim (Weinstraße) und Instrumente für (Grünstadt-) Asselheim (1729), Edenkoben und Ellerstadt (1739). Aus der 1707 geschlossenen Ehe mit der Bäckermeisterstochter Sophia geb. Schwab (nicht Schroth) stammt der älteste Sohn Johann Michael (3) – neben Johann Balthasar (* 1715), der Bäcker in Dürkheim werden sollte, und weiteren Kindern.

Johann Michael Hartung ist 1733 bei einer Orgelreparatur in Dalsheim (bei Worms) nachweisbar sowie 1737 als Mitarbeiter beim Neubau in Ellerstadt; er heiratete 1737 die Küferstochter Anna Barbara geb. Klein, die bereits 1744 verstarb; aus der 1745 mit der Wirtstochter Marie Louise geb. Baum geschlossenen Ehe gingen neun Kinder hervor, darunter als zweitältester Sohn Johann Philipp (4). Johann Michael H. verlegte schon bald nach Übernahme des Betriebs die Werkstatt in die Lettengasse; dieses Gebäude wurde bei einem Fliegerangriff 1945 zerstört. Zu seinen Neubauten gehörten Instrumente für Winden bei Bergzabern (1747/48), für die reformierte Gemeinde Gimmeldingen (1749), Rohrbach bei Landau (1752), Haßloch (1753), Oberotterbach (1754) und Assenheim (1759). Er war außerdem Ratsherr in Dürkheim. Nach seinem Tod übernahm zunächst sein Geselle Johann Peter Kampf die Werkstatt; der Sohn Johann Philipp Hartung absolvierte seine Lehre bei Johann Georg Geib in Saarbrücken und konnte nach Kampfs Wegzug nach Worms 1770 die Werkstatt nicht lange halten: Noch vor 1787 wurde das väterliche Anwesen in Dürkheim an den Stadtschreiber Koch veräußert. Johann Philipp sprach 1777 nachweislich bei Johann Andreas Silbermann in Straßburg vor und zog schließlich nach Kallstadt um, wo er das Bürgerrecht erwarb und 1787 die Bürgermeisterstochter Charlotte Louise geb. Schuster heiratete; er ist vor allem bei Orgelstimmungen und Reparaturen nachweisbar, darunter in Iggelheim, Prüm und Dürkheim. Unklar ist die verwandtschaftliche Beziehung zu einer Wormser Familie gleichen Namens bzw. mit dem zwischen 1583 und 1606 als Organist in Rüdesheim nachweisbaren Adolarius Hartung und mit dem Schweinfurter Orgelbauer Cornelius Hartung, der 1606 als Gutachter für die neue Mainzer Domorgel belegt ist. Ein Immanuel Hartung ist am 15. Aug. 1736 bei der Stimmung einer Orgel der ref. Kirche zu Speyer nachweisbar. Eine eigene Linie bildet die Thüringer Orgelbauerwerkstatt um Johann Michael Hartung (1702–1777) aus Schloßvippach nordöstlich von Erfurt sowie in Kölleda in Thüringen.

Inwiefern der aus dem Rheinland stammende Pfarrer Christian Hartung (Orgelnachspiel: Ein Kirchenkrimi, Neukirchen-Vluyn 2014, um den Hunsrücker Dorfpfarrer Michael Held) ein Nachfahre dieser Familie ist, muss ebenso offen bleiben wie die Annahme, ein Nachfahre Johann Philipp Hartungs sei gleich zweifach US-amerikanischer Präsident geworden.

Erhaltene Werke (in Auswahl) — Augustin Hartung: 1710 Bockenheim an der Weinstraße, Martinskirche (ev.), 1813 umgestaltet durch Johann Michael Stumm; 1967 Umbau durch Oberlinger zu I/P/12, Gehäuse erhalten <> 1717 Neu-Saarwerden [Saar-Union]; zwischen 1730 und 1760 hat die Orgel „von den Meussen grossen Schaden gelitten“ und wurde 1761 unter Erhalt des Prospekts von Huberti neu errichtet, nach 1971 Rekonstruktion durch Jean-Georges Koenig als II/P/18 <> 1738 [Bad Dürkheim-] Ungstein (ev.), 1771/72 Erweiterung um ein Rückpositiv durch Johann Georg Geib; 1928 Neubau eines pneumatischen Instruments durch Joseph Poppe (Landau), Gehäuse erhalten, 1968 Neubau durch die Gebrüder Oberlinger (Familie) <> Johann Michael Hartung: 1749 [Landau-] Dammheim (ev.) (I/P/6), Gehäuse erhalten (unklare Provenienz) <> 1750 Kirchheim an der Weinstraße, Andreaskirche, Gehäuse erhalten; zwischenzeitig ein Instrument von Walcker (1896), 1993 Neubau durch Mönch (Überlingen) in Anlehnung an Hartung mit II/P/23 <> um 1750 Großkarlbach (ev.), Gehäuse erhalten, Neubauten von Voit & Söhne 1912 und Oberlinger 1952 sowie Owart (Neuhofen) 1981 (II/P/19) <> 1751 Gimmeldingen, Laurentiuskirche (I/P/14), 1781 erweitert von Stumm, 1899 umgebaut von Franz Xaver Christ (Steinfeld) und 1951 motorisiert von Karl Kemper; 1956 technischer Neubau von Oberlinger, 1995 Erneuerung der Traktur, 2015 Erweiterung durch Peter Ohlert und 2019 Neuintonation von Raab & Plenz <> 1752 Haßloch, Christuskirche (II/P/21), 1878/79 Umgestaltung und Neudisposition durch Emil Eichenauer (Kaiserslautern); 1934 Neubau einer pneumatischen Orgel hinter dem Gehäuse Hartungs durch Friedrich Weigle, 1984 Restaurierung, 1992 technischer Neubau durch Cornelius Winterhalter (Oberharmersbach) nach dem Vorbild Hartungs <> 1752 Rohrbach bei Landau, Simultankirche St. Michael (I/P/14), größere Instandsetzungen ab 1781; 1895 Umbau und Translozierung auf ein Podium durch die Gebrüder Huber (Pirmasens) <> 1752 Hagenbach, St. Michael; 1913 Neubau von Voit (Durlach), 1953 von Ernst Steuer im historischen Gehäuse (II/P/28), 2000 und 2017 renoviert und überholt von Gerhard Kuhn (Esthal) und Markus Graser (Speyer) <> 1754 Oberotterbach (ev.) (I/P/11), nach mehrfachen Umbauten 1964/65 von Oberlinger einem technischen Neubau unterzogen <> 1754 Winden (ev.) (I/P/14); 1903 durch ein Instrument von E. F. Walcker ersetzt (Gehäuse erhalten), 1993 Neubau durch Winterhalter Orgelbau unter Verwendung des historischen Gehäuses und der Prospektpfeifen Hartungs (I/P/11) <> 1759 Edenkoben (ev.) (II/P/25), 1793/94 im „Plünderwinter“ schwer beschädigt, aber Gehäuse erhalten und 1802 von Andreas Ubhauser instandgesetzt; 1885 bis 1889 Neubau durch die Gebrüder Link, 1977–1979 von E. F. Walcker, repariert und erweitert durch Markus Graser zu II/P/30 <> Minfeld (ev.) (I/P/14), schon 1798 als „mangelhaft“ dokumentiert; nach größeren Reparaturen 1836 und 1880 1934 Neubau durch A. Poppe & Söhne, Gehäuse und Prospektpfeifen erhalten, 1988 Neubau nach der Disposition von Hartung durch Winterhalter (2004 überholt) <> Gerolsheim (I/P/9), nach Erweiterung durch Kämmerer um 1900 zu I/P/11, Umdisposition 1929 <> Johann Philipp Hartung: Neu-Bamberg (ev.) (I/P/9); ursprünglich Stumm zugeschrieben, weist das Instrument die Inschrift „Jo: Philipp | Hartung | 1776 | OrgelmacherGesell“ im Ventilkasten der Pedalwindlade auf. 1975 restauriert von Gerhard Schmid (Kaufbeuren)

Quellen — KB Dürkheim (ev.); KB Kallstadt (ev.)

Literatur — Hans Martin Balz, Orgeln und Orgelbauer im Gebiet der ehemaligen hessischen Provinz Starkenburg, Marburg 1969, S. 122–134 <> Bösken 1967 <> Noack 1967 <> Theodor Wohnhaas, Der Prozeß um die Albisheimer Orgel im 18. Jahrhundert, in: MittAGm 28 (1974), S. 44–47 <> Angelika Tröscher, Die Orgelbauwerkstatt Hartung, in: MittAGm 37 (1978), S. 407–426 <> Matthias Thömmes, Orgeln in Rheinland-Pfalz und im Saarland, Trier 1981 <> Angelika Tröscher, Hartung, Orgelbauerwerkstatt, in: MMM1 (1981), S. 50–56 <> Christian Freund, Die Orgelbauerfamilie Hartung, in: Pfälzisch-Rheinische Familienkunde 32 (1983), S. 230–233 <> Bernhard H. Bonkhoff, Historische Orgeln in der Pfalz, München und Zürich 1984 <> Bonkhoff 1990 <> Gero Kaleschke, Der Orgelbau in der Pfalz, in: Beiträge zur Orgelgeschichte im ehemals kurrheinischen Reichskreis und seinen Nachfolgestaaten, hrsg. von Friedrich W. Riedel, Mainz 1992 (Die Orgel als sakrales Kunstwerk Bd. 1), S. 88–114 <> Fischer/Wohnhaas 1994 <> Hermann Fischer, Personalprospekte des 18. Jahrhunderts am Mittelrhein, in: Orgelbau und Orgelspiel in ihren Beziehungen zur Liturgie und zur Architektur der Kirche, hrsg. von Friedrich W. Riedel, Mainz 1995 (Die Orgel als sakrales Kunstwerk Bd. 3),S. 75–100 <> Bernhard H. Bonkhoff, Die Orgeln des Landkreises Bad Dürkheim, in: MittAGm 63–64 (1995), S. 42–115 <> Hans-Martin Balz und Reinhardt Menger, Alte Orgeln in Hessen und Nassau, Kassel 21997 <> Markus Frank Hollingshaus und Carsten Lenz, Orgeln in Wiesbaden, Wiesbaden 2003 <> Bösken/Fischer/Thömmes 2005 <> Bernhard H. Bonkhoff, Historische Orgeln im Saarland, Regensburg 2015

Abbildung 1: Portrait von Johann Michael Hartung (um 1750), Bildnis eines anonymen Künstlers (des Leininger Hofmalers?) (gemeinfrei, Wikimedia Commons)

Abbildung 2: Prospekt der Orgel von Johann Michael Hartung in der Christuskirche Haßloch, aufgenommen im Sept. 2024 (Foto von „MusikerTK“, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons)


Birger Petersen

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  • Zuletzt geändert: 2025/06/13 18:20
  • von kk
  • angelegt 2025/06/13 17:28