mauersberger


MAUERSBERGER, (KARL) ERHARD * Mauersberg (Erzgebirge) 29. Dez. 1903 | † Leipzig 11. Dez. 1982; Kirchenmusiker (luth.; Organist, Chorleiter), Pianist, Komponist

Der Vater Erhards und seines Bruders Rudolf Mauersberger (* Mauersberg 29. Jan. 1889 | † Dresden 22. Febr. 1971) war der in Mauersberg tätige Lehrer und Kantor Ferdinand Oswald Mauersberger (1856–1930), verheiratet mit Lina geb. Schönherr (1860–1948). Erhard wurde 1913 Mitglied des Thomanerchors in Leipzig, legte dort an der Thomasschule das Abitur ab und besuchte im Anschluss bis 1925 das Konservatorium; seine Lehrer waren Otto Weinreich und Maximilian Schwedler (Klavier) sowie Karl Straube (Orgel). Eine erste Anstellung fand er 1925 in Aachen als Organist an Annen- und Christuskirche, wo er bereits seit 1922 in Konzerten unter Leitung seines Bruders Rudolf an der Orgel mitgewirkt hatte; nun trat er dessen Nachfolge an. Er leitete außerdem den Bachverein und wirkte – auch als Pianist – häufig bei den Städtischen Konzerten sowie in Kammermusik- und Liederabenden mit.

Zum 1. Okt. 1928 folgte Mauersberger einem Ruf nach Mainz, wo er an der städtischen Musikschule und am Konservatorium als Dozent für Orgel und evangelische Kirchenmusik tätig war. Dazu wurde er von der Aachener Gemeinde zunächst für ein Jahr freigestellt. Die Verbindung dorthin blieb aber in Form von regelmäßigen Gastauftritten bestehen. Und Mauersberger heiratete hier am 17. März 1930 die Aachenerin Else Moll; aus der Ehe ging die Journalistin und TV-Redakteurin Helga (* Eisenach 23. Apr. 1931 | † Hamburg 23. Mai 2021) hervor. Seinen ersten öffentlichen Auftritt in Mainz als Organist hatte er am 25. Nov. (Totensonntag) 1928, und zwar mit Solo-Werken von Liszt und →Reger am Instrument der Christuskirche, wo er in den folgenden Jahren dann mehrfach zu hören war, auch als Leiter des Kirchenchors. Hans-Oscar Hiege hebt in einem seiner Musik-Briefe aus Mainz (Signale für die musikalische Welt, hier: 25. Sept. 1929, S. 1131) die „gediegen künstlerische Haltung“ der Konzerte Mauersbergers hervor, betont aber auch dessen Vortrefflichkeit. Offiziell angestellt (vgl. Härtwig in MGG1: „1928 nach Mainz als Kantor und Org. an der Christuskirche“) war er dort jedoch nicht, vielmehr diente die Christuskirche als kirchenmusikalischer Konzertsaal des Konservatoriums. Er trat aber auch andernorts in Erscheinung, etwa am 7. März 1929 im großen Saal der Mainzer Liedertafel, als er Paul →Hindemiths Konzert für Orgel und Orchester erstmalig dem Mainzer Publikum zu Gehör brachte. Bei einem Festkonzert im Rahmen der musikpädagogischen Tagung des Reichsverbandes deutscher Tonkünstler und Musiklehrer Anfang Okt. 1929 war Mauersberger als Solist in Walter Braunfels’ Orgelkonzert op. 38 zu hören (vgl. Hieges Bericht in den Signalen; der genaue Aufführungsort wird nicht genannt). Sein wohl letzter Auftritt in Mainz erfolgte im November 1930, als er Hieges Ernste Gesänge op. 10, vorgetragen von Lulu Rötter (Frankfurt/M.), an der Orgel begleitete.

Einige Monate zuvor hatte die Tagespresse mitgeteilt, dass Mauersberger zum 1. Juli 1930 Mainz verlassen und eine Anstellung als Organist und Leiter des Kirchenchors an der Nicolaikirche zu Flensburg antreten werde (Aachener Anzeiger 4. Apr. 1930). Dazu kam es aber nicht, stattdessen zog er nach Eisenach; Nachfolger am Mainzer Konservatorium wurde Kurt Utz. Noch im selben Jahr trat Mauersberger in Eisenach – erneut als Nachfolger seines Bruders – die Stelle als Landeskirchenmusikdirektor (Musikwart der Thüringer evangelischen Kirche) an und gründete die Thüringer Kirchenmusikschule. Er wirkte dort auch als Kantor an St. Georg und Leiter des Bachchors, dann ab 1932 als Dozent für Orgel und Chor- bzw. Partiturspiel im Fach Kirchenmusik in Weimar. Seit 1935 trug er den Titel eines Kirchenrats. Als überzeugter Nationalsozialist war Mauersberger Mitglied mehrerer politischer Organisationen, etwa bei den Deutschen Christen, im Kampfbund für deutsche Kultur, in der Reichsmusikkammer und bei der Deutschen Arbeitsfront, kurzzeitig auch in der NSDAP (die 1937 beantragte Mitgliedschaft wurde erst 1939 endgültig gewährt, nach wenigen Monaten jedoch wieder aufgehoben; vgl. PriebergH, S. 4805). Schließlich war er Mitarbeiter im 1939 gegründeten Entjudungsinstitut in Eisenach.

Unmittelbar nach dem Krieg, 1946, kam Mauersberger als Professor an der Weimarer Franz-Liszt-Musikhochschule zu einer neuen Anstellung; 1950 wurde er Leiter der von ihm gegründeten Thüringer Kirchenmusikschule in Eisenach. Zwischen 1961 und 1965 leitete er den Gewandhauschor, und ebenfalls 1961 folgte die Ernennung zum Thomaskantor in Leipzig. Dieses Amt hatte er bis 1972 inne; sein Ausscheiden stand in Zusammenhang mit der veränderten Kulturpolitik der DDR-Führung. Zuvor war er mehrfach geehrt worden (Vaterländischer Verdienstorden der DDR, Kunstpreis der Stadt Leipzig u. a.). In den verbleibenden Jahren des Ruhestands widmete sich Mauersberger, „als Reflektion der eigenen Interpretationsarbeit“ (Biller 2010, S. 54), der Komposition.

WerkeKompositionen: Mauersberger hinterließ ausschließlich Kirchenmusik (Motetten, Choräle, Chorlieder, meist a cappella), entstanden in den Jahren in Eisenach, Weimar und Leipzig; ein vollständiges Werkverzeichnis fehlt bislang. Die umfangreichste Liste mit Aufführungsdaten findet sich beim Fachinformationsdienst (FID) Musikwissenschaft, Musiconn Performance; zu weiteren Nachweisen vgl. WordCat und StabiKat <> Schriften: Kirchenmusik im Dienste der Kunst, in: Fünfundsiebzig Jahre Staatliche Hochschule für Musik zu Weimar, Weimar 1947, S. 38–42 <> Thuringia cantat, in: Kirchenmusik heute 1959, S. 76–83 <> In der Stille tönte ein Amen. Zum 275. Geburtstag Johann Sebastian Bachs, in: Neue Zeit. Deutschland-Ausgabe 20. März 1960 <> Bach-Wettbewerb in Leipzig, in: Musik & Kirche Jg. 38, 1968, S. 300 <> Im Dienste Johann Sebastian Bachs. Zur 225. Wiederkehr seines Todestages, in: Standpunkt Jg. 3, 1975, Nr. 7, S. 187–190 <> Herausgaben (Auswahl): gemeinsam mit Rudolf Mauersberger, Neues Thüringer Choralbuch zum Evangelischen Kirchengesangbuch, Berlin: Ev. Verlagsanstalt 1958 <> Mitherausgabe der Singhefte des Thüringer Kirchenchorwerkes <> Orgelbau: Planung der neuen Orgel in der ev. Kirche Dermbach (Wartburgkreis); Durchführung: Orgelbauanstalt Markert-Hoffmann, Ostheim vor der Rhön (vgl. Zeitschrift für Instrumentenbau Jg. 58, 1937/38, S. 241)

Quellen — Adressbücher Aachen (1926–1928), Eisenach (1931/32–1950) <> Nachlass (Autographe, Drucke, Bearbeitungen, Briefe, Programme, Rezensionen); D-LEm (siehe Kalliope) <> Namensakte (enth. u. a. Korrespondenz mit der NSDAP); Berlin, Bundesarchiv (Bestand Reichskulturkammer) <> biographisches Material; D-KImi (Archiv Prieberg) <> Briefe von und an Mauersberger sind überliefert in D-B, D-Dl, D-LEsm, D-MB, D-SWl, D-WRgs (vgl. Kalliope) <> Konservatorium und Hochschule für Musik, Leipzig, Personalverzeichnisse W.S. 1921/22 u. S.S. 1925; Konzertprogramme 1823–1825 <> zu Aktivitäten in Aachen und Mainz: Echo der Gegenwart, Aachener Anzeiger <> Erwähnungen in ZfM, Musica, Signale für die musikalische Welt <> Hans-Oscar Hiege, Bericht Musikpädagogische Tagung in Mainz (5.–8. Oktober 1929), in: Signale für die musikalische Welt 25. Sept. 1929, S. 1456–1459, hier: S. 1457 <> Nachrufe: Hans Pischner u. Helmuth Rilling, Erhard Mauersberger, in: Bach-Jahrbuch Jg. 68, 1982, S. 6; Wolfgang Hanke, Im Gedenken an Erhard Mauersberger, in: Musikrat der Deutschen Demokratischen Republik, Bulletin Jg. 20, 1983, Nr. 1, S. 59–61; ders., Zum Tode von Thomaskantor i. R. Prof. Erhard Mauersberger, in: Standpunkt. Evangelische Monatsschrift Jg. 11, 1983, Nr. 2, S. 49–50

Literatur (Auswahl) — Dieter Härtwig, Art. Mauersberger, in: MGG1 (Suppl.) <> Matthias Herrmann, Art. Mauersberger (Familie), 2. Erhard, in: MGG2 u. MGG-online <> N. N., Art. Mauersberger, Eduard, in: NGroveD1, Bd. 11, 1980, S. 840f. (in NGroveD2 nicht mehr enthalten) <> Frank/Altmann 151978, Ergänzungsband <> PriebergH <> Alain Pâris, Lexikon der Interpreten klassischer Musik im 20. Jahrhundert, München u. Kassel 1992, S. 471 <> Ulrich Schicha, Art. Mauersberger, Rudolf, in: NDB Bd. 16, 1990, S. 428f. (mit Angaben zur Abstammung) <> Biographisches Handbuch der SBZ / DDR 1945–1990, hrsg. von Gabriele Baumgartner u. Dieter Hebig, Bd. 2, München u. a. 1996, S. 521 <> Hans Böhm, Erhard Mauersberger neuer Thomaskantor, in: Musica 1961, H. 4, S. 208 <> Thomas Bickelhaupt, Bilanz eines Jahrzehnts. Versuch eines Porträts von Eduard Mauersberger, in: Evangelisches Pfarrerblatt der DDR 1972, Nr. 7, S. 185f. <> Karl-Heinz Melzer, Berühmte Persönlichkeiten unserer Heimat: Prof. Erhard Mauersberger, in: Erzgebirgische Heimatblätter Jg. 5, 1983, Nr. 2, S. 37 <> Kerstin Sieblist, Erhard Mauersberger. Thomaskantor und Komponist, Kassel 2003, mit Literaturverzeichnis, S. 72–74 <> Dresdner Kreuzchor und Thomanerchor Leipzig: zwei Kantoren und ihre Zeit. Rudolf und Erhard Mauersberger, hrsg. von Helga Mauersberger, Marienberg 2007 (Schriften des Mauersberger-Museums in Mauersberg Bd. 2) <> Georg Christoph Biller, Thomanerchor und Thomaskantoren, in: Die Thomaskirche Leipzig. Ort des Glaubens, des Geistes, der Musik, hrsg. von Christian Wolff, Leipzig 22010, S. 47–55

Abbildung: Verlobungsanzeige, Echo der Gegenwart 5. Apr. 1929


Bernd Krause

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