Gungl (Familie)
(auch Gung’l)
(1) Josef get. Zsámbék (deutsch Schambeck) bei Budapest 1. Dez. 1809 [lt. KB; nicht 1810] als Josef Kunkel | † Weimar 31. Jan. oder 1. Febr. 1889; Kapellmeister und Komponist
(2) (Cajetana Helena) Virginia (1877 verh. Naumann-Gungl) * New York 31. Dez. 1848 | † Frankfurt/M. 1. Sept. (nicht 28. Aug.) 1915; Tochter von (1), Sängerin
(1) Es sind freilich nur einige wenige Momentaufnahmen aus einem bewegten Musikerleben: Nachdem Josef Gungl mit seiner nachmals berühmten Kapelle schon im September 1843 und noch einmal 1863 auf der Durchreise in Frankfurt Halt gemacht hatte und im Sommer 1875 für die Londoner Promenadenkonzerte verpflichtet worden war, beschloss er zu Beginn des folgenden Jahres – wohl aus Altersgründen –, die Leitung seines Orchesters aufzugeben und sich gemeinsam mit seiner Tochter Virginia (2) während der Zeit ihres dortigen Engagements als Sängerin in der Mainmetropole niederzulassen, wo beide bis Ende 1881 ihren Hauptwohnsitz hatten. Anschließend zogen Vater und Tochter nach Bremen, 1883 nach Kassel und 1886 nach Weimar. Während der Frankfurter Zeit nahm Gungl vielfach weiterhin Gelegenheiten wahr, außerhalb als Dirigent tätig zu sein: Seine Reisen führten ihn u. a. nach Hamburg, Leipzig und München, mehrmals für einige Monate nach London und zuletzt, nachdem er im Dezember 1880 in Frankfurt „im Kreise seiner Familie seinen siebzigsten [recte: 71.!] Geburtstag“ in „einer erstaunlichen Rüstigkeit“ begangen hatte (Signale Nr. 2 (Jan.) 1881, S. 27), Anfang des Jahres 1881 nach Paris, wo er das Orchester der Opernbälle leitete und damit sein öffentliches Wirken einstellte. Gungls Bekanntheit als Orchesterleiter in der Region zeigt sich u. a. darin, dass Joseph Rixner bereits 1859 „Produktionen à la Gungl“ veranstaltete (Zweibrückener Wochenblatt 27. Febr. 1859).
Werke — Die mehr als 350 zu Lebzeiten veröffentlichten und mit Opuszahlen versehenen Werke (überwiegend Tänze für Orchester bzw. Klavier) erschienen fast ausnahmslos bei Bote & Bock in Berlin, wo auch einige wenige Kompositionen mit erkennbar mittelrheinischem Bezug herauskamen: Rheinsagen. Walzer (Kl.) op. 218 [1866]; A-Wst, CH-Zz, D-B, D-Cl <> Souvenir de Frankfort (Kl.) op. 219 [1866]; D-B, I-Vlevi <> Turner-Rheinfahrt. Marsch (Kl.) op. 350 [1880]; D-B <> Taunusklänge. Walzer (Kl.) op. 357 [1881]; D-B. Ende 1880 führte ein Besuch in Mainz zur Veröffentlichung von vier Werken durch Schott: Was ich in der Jugend geträumt. Ungarische Fantasie (Orch.) op. 380 [1880]; D-MZs <> Schmetterling im Sonnenschein. Intermezzo (Orch. bzw. Kl.) op. 381 [1880]; D-MZs (s. Abb.) <> Tausendschön. Polka-Mazurka (Orch. bzw. Kl.) op. 382 [1880]; D-B (Kl.), D-MZs <> Frühlingsträume (Orch. bzw. Kl.) op. 383 [1881]; D-B (Kl.), CH-Gmu (Kl.)
(2) Virginia Gungl debütierte 1868 in München und fand Engagements in Köln (1872/73) und Schwerin (1873 [nicht 1874] bis 1875), bevor sie 1875 Mitglied des Frankfurter Opernensembles wurde. Von hier aus führten sie – seit Mitte 1877 unter dem Namen Gungl-Naumann – Gastspiele, Konzerte und Liederabende auch in andere Städte, etwa nach Aachen, Baden-Baden, Erfurt und Mainz (1881). Ob es wirklich eine „Anwandlung gekränkten Künstlerstolzes“ war (Die kleine Chronik (Frankfurt) 21. Aug. 1882), die ihren sich im Frühjahr 1881 ankündigenden Abschied aus Frankfurt (letzter Auftritt im Aug. des Jahres) herbeiführte, ist nicht zu klären. Nach Verpflichtungen an den Theatern in Bremen (1881 [nicht 1880] bis 1883) und Kassel (1883–1886) gehörte sie seit Mitte des Jahres 1886 (nicht 1885) dem Ensemble in Weimar an. 1891 beendete sie ihre Karriere und ging nach Frankfurt zurück, um als Gesangslehrerin zu arbeiten; zuletzt lebte sie in Hochheim im Taunus und verbrachte – den Nekrologen zufolge – einen „trüben Lebensabend“. Virginia Gungl hatte im Juni 1877 in Frankfurt die Ehe mit dem kgl. Hauptmann und Theater-Rendanten Ernst Carl Berthold Heinrich Naumann (* Berlin 4. Nov. 1837) geschlossen, der bereits am 23. Dez. 1879 verstarb.
Quellen — KB und Standesamtsregister Frankfurt; KB Zsámbék <> Briefe Josef Gungls (darunter an Schott, Reichenhall 3. Aug. 1880 und 5. Aug. 1880) s. Kalliope <> Adressbücher Berlin, Bremen, Frankfurt, Kassel, München und Weimar <> Deutscher Bühnen-Almanach 1873ff. <> Nekrologe: Musikalisches Wochenblatt 7. Febr. 1889; Signale für die musikalische Welt Nr. 14 (Febr.) 1889; Frankfurter Nachrichten und Intelligenzblatt 2. Sept. 1915; Neues Wiener Tagblatt 3. Sept. 1915; Kleine Presse (Frankfurt) 4. Sept. 1915 <> Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 15. Sept. 1843; Mährischer Correspondent (Brünn) 27. Sept. 1863; NZfM 27. Sept. 1872, 2. Apr. 1875, 1. Sept. 1876, 24. Nov. 1876, 23. März 1877, 14. Sept. 1877, 15. März 1878, 1. Okt. 1880, 2. Sept. 1881, 1. Juli 1882, 4. Febr. 1882, 2. Sept. 1882, 18. Sept. 1885, 23. Juli 1886, 3. Febr. 1892 und passim; Neue Berliner Musikzeitung 2. Okt. 1872, 20. 1872, 18. Sept. 1873, 8. Febr. 1877 und passim; Kölnische Zeitung 4. Nov. 1872, 24. Apr. 1873; Didaskalia 7. Sept. 1875, 9. Sept. 1875, 19. Sept. 1875, 12. Jan. 1876, 18. Mai 1876, 7. Juli 1876, 25. Okt. 1876, 14. Okt. 1878 und passim; Musikalisches Wochenblatt 10. Sept. 1875, 18. Aug. 1876, 18. Juli 1879, 3. Sept. 1880, 29. Dez. 1881, 6. Jan. 1882, 7. Apr 1882, 29. Dez. 1882, 4. März 1886 und passim; Siesta (Frankfurt) 14. Okt. 1875; Das Museum (Frankfurt) 6. Okt. 1876, 12. Sept. 1876; Die kleine Chronik (Frankfurt) 17. Febr. 1879, 8. Apr. 1879, 1. Mai 1881, 30. Okt. 1881, 21. Aug. 1882 und passim; Signale für die musikalische Welt Nr. 5 (Jan.) 1880, Nr. 2 (Jan.) 1881, Nr. 50 (Sept.) 1881, Nr. 8 (Jan.) 1883, Nr. 30 (Apr.) 1890, Nr. 28 (Apr.) 1892 und passim; Neues Frankfurter Communal-Blatt und Anzeiger 20. Aug. 1881; Frankfurter Nachrichten und Intelligenz-Blatt 2. Sept. 1915 (Todesmeldung) <> MMB; Pazdírek
Literatur — Art. Naumann-Gungl in Kutsch/Riemens <> Andrea Harrandt, Art. Gungl (Familie) in MGG2P <> Dies., Art. Gungl, Familie in Oeml (online)
Abbildung 1: Titel zu Josef Gungls Schmetterling im Sonnenschein op. 381, Mainz: Schott [1880]; D-MZs
Abbildung 2: Virginia Naumann-Gungl während ihrer Frankfurter Zeit; Photographie von Hermann Maas (Digitalisat aus D-F, Porträtsammlung Manskopf)
Axel Beer