geyer


GEYER, JOHANNA (eigentl. DOROTHEE MARGARETHE JOHANNETTE CHRISTINE) * Wiesbaden 5. Okt. 1823 | † (Berlin-) Charlottenburg 13. März 1890; Institutsvorsteherin, Erzieherin

Johanna Geyer wuchs mit ihren Geschwistern bei ihrer bereits seit Ende 1825 verwitweten Mutter Margarethe geb. Heußer (auch Häußer; * Mainz ca. 1786 | † Aschaffenburg 28. Nov. 1869; Tochter des Mainzer Kaufmanns Philipp Jacob H.) auf. Diese hatte 1820 die Ehe mit dem finanziell gut situierten Kriegsrat bzw. Herzoglich Nassauischen Rechnungs-Kammerrat Johann Philipp Geyer (* auf der Michelbacher Hütte 20. Apr. 1774 | † Wiesbaden 13. Dez. 1825; ein Schwager von Georg Reinhart) als dessen zweite Ehefrau geschlossen. Ob sie, wie bei Klingstein (s. Lit.) angegeben, „den Rest des Vermögens vergeudet[e]“ und dementsprechend mit den Kindern in ärmlichen Verhältnissen lebte, kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, erscheint aber zweifelhaft.

Eigenen Angaben zufolge erwarb Johanna Geyer ihre Befähigung zur Erzieherin durch Studien an einem deutschen Institut und in Paris – ohne eine gewisse finanzielle Sicherheit wäre dies wohl kaum möglich gewesen –, bevor sie „während vier Jahren die Erziehung und wissenschaftliche Bildung der vier Töchter einer angesehenen Familie in Frankfurt a. M.“ leitete und ihr Staatsexamen abschloss (Frankfurter Oberpostamts-Zeitung 7. Juli 1846). Bereits 1846 eröffnete sie in Wiesbaden eine „Erziehungs- und Unterrichts-Anstalt für die weibliche Jugend“, deren Zielgruppe – als Pensionat (350 fl. jährlich) und für externe Schülerinnen (36 bzw. 50 fl. jährlich) – sicherlich gehobenere Kreise waren. Einen entsprechenden Prospekt mit „vollständigem Lectionsplan“ legte sie bei den Buchhandlungen L. Schellenberg in Wiesbaden und Adreae in Frankfurt aus. Zu den Unterrichtsgegenständen gehörte neben Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Literatur, Sprachen und Geographie auch Gesang. Musik- und Tanzunterricht hingegen musste zusätzlich bezahlt werden. Ein Tafelklavier für ihre Anstalt erwarb sie 1846 bei Schott in Mainz. Inwiefern Geyer selbst musikalisch ausgebildet war, ist ungewiss – dennoch bedarf sie, als Leiterin eines Instituts, das Musikunterricht anbot, der Berücksichtigung im MMM. Die Identität der in diesem Bereich engagierten Lehrkräfte ist zumeist noch ungeklärt. Aus dem Jahr 1858 liegt ein Vertrag mit Joachim Raff vor, demzufolge dieser sich wöchentlich zu je zwölf Stunden Klavierunterricht für 87 fl. 30 kr. jährlich verpflichtete. Kontakt bestand auch zu Familie Wilhelmj: 1853 ging einem von Geyer beauftragten Dienstmädchen ein Päckchen mit Geld auf dem Weg an Charlotte Friederike Emilie Wilhelmj verloren (vgl. Wiesbadener Tagblatt 16. Juli 1853), was zumindest die Vermutung zulässt, dass diese dem Kollegium angehört haben könnte. 1859 zog das Geyer’sche Institut in ein anderes Gebäude um – vom Marktplatz an den südöstlichen Stadtrand in ein Haus im Gartenfeld nahe dem damaligen Bahnhof.

Einige Jahre später stand ein weit größerer Umzug an: Nachdem sie 1865 ein Gesuch an den Magistrat der Stadt Aschaffenburg gestellt hatte, dem im Jan. 1866 mit sieben gegen zwei Stimmen stattgegeben wurde, konnte sie im Frühjahr in der Presse die Verlegung ihrer Anstalt – „[a]ngezogen durch die freundliche Lage, schöne Umgebung und die annehmlichen Verhältnisse der Stadt“ – anzeigen und betonte dabei „[i]n Betreff des jährlichen Preises für Externat, für halbe und ganze Pension […] den Gewohnheiten in hiesiger Stadt Rechnung [zu] tragen“ (i. e. 40–50 fl. extern bzw. 150 fl. halbe Pension; Frankfurter Oberpostamts-Zeitung 29. März 1866). Die „Zöglinge“ (so wie auch Geyers Mutter) übersiedelten im Okt. 1866 mit nach Aschaffenburg. Dort wurde der – nach wie vor fakultative – Musikunterricht von Mitgliedern des Münchener Konservatoriums übernommen. Nach dem Tod ihrer Mutter Ende 1869 scheint Johanna Geyer Unterstützung durch eine oder mehrere ihrer Schwestern erhalten zu haben, von denen möglicherweise der Impuls zu einem weiteren Ortswechsel ausging. Dieser erfolgte 1873 nach Frankfurt/M. – die rund 35 Schülerinnen verblieben diesmal in Aschaffenburg, wo die Stadt nun die Notwendigkeit sah, eine eigene höhere Mädchenschule einzurichten, da mit dem Ende des Instituts der Geschwister Geyer lediglich das der Englischen Fräulein übrig blieb, und „es Protestanten, Israeliten und auch manchen Katholiken nicht zugemuthet werden kann, ihre Kinder in eine ihnen nicht behagende streng konfessionelle Schule zu schicken.“ (Aschaffenburger Zeitung 29. März 1873).

Unter der Leitung der Schwestern Johanna, Caroline (Maximiliane Julie Marie Margarethe * Wiesbaden 3. Mai 1821 | † Frankfurt/M. 9. Dez. 1893) und Louise Geyer (* Wiesbaden ca. 1817, wohl Kind erster Ehe | † Königstein (St. Anna Kloster) 4. März 1901) bestand die Erziehungs- und Pensionsanstalt in der Frankfurter Senckenbergstr. 7 noch bis um 1894. Welche Umstände Johanna Geyer gegen 1890 nach Charlottenburg führten (im Frankfurter Adressbuch ist sie bis einschl. 1891 geführt), wo sie wenig später verstarb, wohnhaft unter derselben Adresse wie der prinzlich Solms-Braunfelsische Kammerdiener Friedrich Künanz, der ihren Tod anzeigte, wissen wir nicht.

Schriften — Prospekt der Erziehungs- und Unterrichts-Anstalt für die weibliche Jugend, Wiesbaden; D-WIl

Quellen — Zivilstandsregister Wiesbaden; KB Aschaffenburg (St. Agatha); Standesamtsregister Frankfurt/M., Königstein, (Berlin-) Charlottenburg <> Briefe an Schott (2, 1847, 1851); D-B und D-Mbs <> Vertrag Geyers mit Joachim Raff; D-Mbs <> Magistratsprotokolle Aschaffenburg 1865/66; D-ASsta (Sign. ProtM 61, Nr. 223, 281) <> Adressbücher Wiesbaden, Frankfurt <> Frankfurter Oberpostamts-Zeitung 7. Juli 1846, 21. März 1851, 29. März 1866; Wiesbadener Tagblatt 31. März 1853, 16. Juli 1853, 22. Sept. 1853, 6. Dez. 1853, 19. Apr. 1854, 29. Sept. 1854, 16. Apr. 1855, 2. Okt. 1855, 28. März 1856, 27. Sept. 1856, 22. Apr. 1857, 5. Okt. 1857, 9. Apr. 1858, 25. Aug. 1858, 28. Apr. 1859, 6. Okt. 1859, 9. Nov. 1859, 27. Dez. 1859, 13. Apr. 1860, 8. Sept. 1860, 15. Dez. 1860, 6. Apr. 1861, 3. Aug. 1861, 19. Sept. 1861, 9. Nov. 1861, 4. Dez. 1861, 4. Febr. 1862, 7. Apr. 1863, 1. Okt. 1863, 5. Sept. 1864, 3. Dez. 1864, 2. Okt. 1865, 27. Apr. 1866, 2. Jan. 1867; Allgemeine Zeitung (Augsburg) 12. Sept. 1867, 19. Jan. 1868; Nürnberger Anzeiger 2. Juli 1868; Beobachter am Main und Aschaffenburger Anzeiger 30. Nov. 1869 (Todesanzeige der Mutter), 19. Sept. 1872, 8. Febr. 1873, 29. März 1873; National-Zeitung 15. Aug. 1871; Kölnische Zeitung 25. Sept. 1881

Literatur — H. Klingstein, Kriegsrat Philipp Geyer, in: Nassovia 1. Jan. 1909, S. 8f. <> Maria Rudolph, Die Frauenbildung in Frankfurt am Main. Historische Darstellung der Frankfurter Mädchenschulen, 1978

Abbildung 1: Unterschrift Johanna Geyers auf einem Brief an Schott, 7. Okt. 1847; D-B (digital, dort mit irriger Zuschreibung)

Abbildung 2: Ausschnitt einer Anzeige des Geyer’schen Instituts in Aschaffenburg, in: Allgemeine Zeitung (Augsburg) 12. Sept. 1867

Abbildung 3: Anzeige desselben in Frankfurt/M., in: Kölnische Zeitung 25. Sept. 1881


Kristina Krämer

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Website stimmen Sie dem Speichern von Cookies auf Ihrem Computer zu. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzbestimmungen gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
  • geyer.txt
  • Zuletzt geändert: 2025/09/29 17:30
  • von kk
  • angelegt 2025/09/29 11:59