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SCHLAR, JOSEPH (ANTON RUDOLF) * Graz (nicht Feldkirchen) 10. Apr. 1861 | † Schliersee 23. März 1922; Pianist, Dirigent und Komponist

Joseph Schlar, von dessen Eltern lediglich die Mutter namentlich bekannt ist, arbeitete zunächst als Volksschullehrer in seiner Heimatstadt und trat gelegentlich – belegt für 1882 – als Klavierbegleiter in Konzerten auf. Anschließend war er für etwa drei Jahre Mitglied (wohl auch Leiter) einer österreichischen Militärkapelle (Infanterie-Regiment Nr. 27 „König der Belgier“) und wandte sich – vielleicht nach einem kurzen Studienaufenthalt am Leipziger Konservatorium – spätestens im Sommer 1887 nach Berlin, wo er „schöne Erfolge durch sein vollendetes Klavierspiel“ errang (Grazer Volksblatt 17. Sept. 1892) und bei Hof (in offenbar vertrautem Miteinander mit der kaiserlichen Familie und insbesondere Willhelm II.) Klavierunterricht erteilte. 1893 wurde Schlar im Gefolge des bis dahin gleichfalls in Berlin tätigen Intendanten Georg von Hülsen an das Wiesbadener Theater berufen, und zwar zunächst als Chorrepetitor sowie in unmittelbarem Anschluss als Kapellmeister neben Joseph Rebicek, dem er 1897 nachfolgte; auch hatte er die musikalische Leitung der 1896 ins Leben gerufenen und von Wilhelm II. gerne besuchten Kaiserfestspiele inne, bei denen er seine Opernbearbeitungen zur Aufführung brachte. Die Saison 1903/04 verbrachte er vertretungsweise an der Berliner Hofoper. Schlar, dem 1900 von der Berliner Akademie der Professorentitel verliehen worden war, wurde aufgrund zunehmender Kränklichkeit im September 1921 pensioniert; er starb während einer Erholungsreise in Schliersee, wo er ein Landhaus besaß. Seine Frau Cornelia Katharina (gen. Nelly) geb. Brodmann (* St. Gertraud im Lavanttal 25. Nov. 1863 | † Schliersee 28. Apr. 1925) gehörte in den Jahren 1890 bis 1911 dem Wiesbadener Theater als Sängerin an und trat seit der Eheschließung (1903) vielfach gemeinsam mit ihrem Mann als Klavierbegleiter solistisch auf.

Aufgrund seiner nicht eben alltäglichen musikalisch-schöpferischen Ausrichtung geriet Joseph Schlar ins Fadenkreuz der Wiesbadener Karnevalisten. Was der Sitzungspräsident der Sprudel-Generalversammlung am 20. Januar 1902 zum Besten gab, dürfen wir unserer Leserschaft natürlich nicht vorenthalten:

„Im Frühjahr, im herrlichen Festmonat Mai,
Strömt die Menschheit von allen Staaten herbei,
Dann kehrt auch wieder die Festspielzeit,
Wo Herr v. Hülsen stellt alles bereit.
Professor Schlar, der Herr Komponist,
Schon mit Glucks Armida beschäftigt ist,
Den Oberon hat er schon umkomponirt
Und dadurch ist leider was Schlimmes passirt.
Altmeister Weber nahm dem Schlar das krumm,
Drehte sich wegen der Konkurrenz im Grabe herum.
Ich fürchte, wenn die Armida wird umkomponirt,
Daß dem Gluck genau dasselbe passirt.
Hätt’ Schlar sich an Webers Freischütz gemacht,
Dann hätte der Weber im Grabe gelacht,
Der Weber hätt’ sich nochmal gedreht, o Glück,
Er wär’ wieder in seiner Stellung zurück.
Lieber Schar, ich bin zwar kein großer Lober,
Doch Du hast Talent, mach’ ’ne eigene Oper:
Dein Taktstock und Deine Genialität
Braucht keine fremde Elektricität.“
(Wiesbadener Tagblatt 21. Jan. 1902, Abendausgabe, S. 4)

WerkeSechs kleine Rondos (Klavierstücke) über beliebte Motive aus der komischen Oper „Ritter Pásmán“ von Johann Strauss, Berlin: Simrock [1892] <> Schauspielmusik zum Drama Sappho (G. Conradi, i. e. Prinz Georg von Preußen; UA Wiesbaden 22. Nov. 1894) <> Musik zum Festspiel Salve (Joseph Lauff; UA Wiesbaden 9. Juli 1897) – Textbuch Wiesbaden: s. n. [1897]; D-WRz, I-Bca <> Musik zum Festspiel Adlerflug aus Anlass des 200. Jahrestags des preußischen Königreichs (Joseph Lauff; UA Berlin und Wiesbaden 18. Jan. 1901, Wiesbaden 3. Nov. 1903) <> Musik zum dramatischen Gedicht Gotberga (Joseph Lauff; UA Wiesbaden 12. Mai 1907) <> Musik zum Ballett Sardanapal (Joseph Lauff; UA Berlin 5. Sept. 1908) – Textbuch s. l., s. n. [1908]; D-MZu <> Musik zum Festspiel Kerkyra aus Anlass des Geburtstags Wilhelms II. (Joseph Lauff; UA Berlin 27. Jan. 1913) – Textbuch Berlin: Greve [1913]; D-SWl <> Bearbeitungen: Zwischenakt- und Schlussmusik zu Lortzings Undine „mit Verwendung Lortzing’scher Motive“ (Wiesbadener General-Anzeiger 9. Mai 1899; UA 16. Mai 1899; noch 1922 im Repertoire) <> Delphischer Hymnus An Apollo (Chor, Orch.) „nach der Weise des im Jahre 1893 […] gefundenen Originals“ (Wiesbadener General-Anzeiger 12. Okt 1900; aufgef. bei der Saalburgfeier 12 Okt. 1900) <> „Melodramatische Ergänzung“ zu Webers Oberon in der textlichen Neubearbeitung von Joseph Lauff (UA 16. Mai 1900; 170. Aufführung am 13. Mai 1911) <> „Musikalische Ergänzung“ zu Glucks Armide in der szenischen Neubearbeitung (3 statt 5 Akte) von Georg von Hülsen (UA Wiesbaden 1. Juni 1902; noch 1911 im Repertoire – von Kienzl, S. 85, augenzwinkernd „Schlarmide“ genannt) – Textbuch [Wiesbaden]: Bechtold [1902]; A-Wst, CH-Gpu, D-KNu <> Musik zum Festspiel Der Große König aus Anlass des 200. Geburtstags Friedrichs II. nach Kompositionen desselben eingerichtet (Joseph Lauff; 1912) – Textbuch und KlA. Berlin: Oldenburg 1912; D-AN, D-B, D-BHu, D-BMu, D-Dl, D-KNu, D-MZu (s. Abb. 2), D-SPlb, D-WIl

Quellen — KB Graz (St. Andrae), St. Gertraut im Lavanttal <> Briefe s. Kalliope <> NN., Professor Josef Schlar †, in: Wiesbadener Neueste Nachrichten 24. März 1922 <> NN., Professor Josef Schlar †, in: Grazer Tagblatt 27. März 1922 <> NN., Professor Schlar †, in: Wiesbadener Bade-Blatt 26./27. März 1922 <> NN., Nelly Schlar-Brodmann †, in: Wiesbadener Bade-Blatt 28. Apr. 1925 <> Grazer Volksblatt 8. Dez. 1882, 7. Aug. 1892, 17. Sept. 1892, 29. Nov. 1892, 6. Jan. 1893, 3. Juni 1894, 27. Nov. 1894, 27. Juni 1894 und passim; Neue Freie Presse (Wien) 2. Okt. 1886, 10. Juli 1887; Wiesbadener Neueste Nachrichten 10. Okt. 1894 und passim; Wiesbadener Bade-Blatt 22. Nov. 1894, 16. Mai 1899, 22. Mai 1906, 10. Nov. 1906, 8. Okt. 1907, 17. Jan. 1913, 24. Jan. 1913, 28. Jan. 1913 und passim; Wiesbadener General-Anzeiger 7. Sept. 1897, 2. Apr. 1899, 9. Mai 1899, 17. Mai 1900, 12. Okt. 1900, 20. Jan. 1901, 1. Juni 1902, 1. Nov. 1903, 5. Nov. 1903, 21. Nov. 1903, 29. Mai 1904, 17. Sept. 1904, 14. Mai 1907, 4. Sept. 1908 und passim; Wiesbadener Tagblatt 17. Mai 1900, 12. Okt. 1900, 21. Jan. 1902, 22. Aug. 1903, 20. Nov. 1903, 12. Mai 1907, 13. Aug. 1908, 15. Mai 1911, 4. Juli 1920 und passim <> Fritz Keiser, Carl Maria von Weber, Oberon, Wiesbadener Bearbeitung. Mit besonderer Berücksichtigung der melodramatischen Ergänzung von Josef Schlar, Wiesbaden 1900 <> Wilhelm Kienzl, Aus Kunst und Leben, 2. Aufl., Berlin 1904, S. 83–90 <> Art. Professor Josef Schlar, in: Franz Pazdírek (Hrsg.), Tonkünstler- und Verleger-Almanach der Musikliterarischen Blätter, 1905 <> Neubert 1905 <> Jansa 1911

Literatur — Uwe Harten, Art. Schlar in: ÖBL Bd. 10, S. 170; NassB <> Gerda Haddenhorst, Die Wiesbadener Kaiserfestspiele 1896–1914, Wiesbaden 1985 <> Stephanie Kleiner, Staatsaktion im Wunderland. Oper und Festspiel als Medien politischer Repräsentation, München 2013

Abbildung: Joseph Schlar (Pazdírek 1905, s. Quellen)


Axel Beer

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