Julius Steffens
STEFFENS (auch Stefens), CARL JULIUS (auch Jules) * Stargard, Pommern (heute Polen) 12. Juli 1831 | † Wiesbaden 4. März 1882; Cellist und Komponist
Julius Steffens war der jüngste von drei Söhnen des kgl. Musikdirektors Friedrich Steffens (1797–1869, zuletzt Direktor des Militär-Waisenhauses in Potsdam) und dessen Ehefrau Sophie, geb. Schulz. Die beiden Brüder waren ebenfalls Musiker. Steffens’ Cellolehrer war zunächst Moritz →Ganz (1806–1868), Konzertmeister in Berlin. Im Anschluss unterrichtete ihn Carl Schuberth (1811–1863) in St. Petersburg, wo er Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle wurde. Zwischen 1861 und 1868 trat Steffens als Solist in zahlreichen Städten Europas auf, oft mit der Angabe „aus St. Petersburg“, gelegentlich auch als „k. k. Russischer Solo-Violoncellist“ (z. B. Bonner Zeitung 3. Juni 1864). Der Großteil der Auftritte ab 1864 erfolgte dabei im Rahmen der so genannten Patti- bzw. Ullman(n)-Konzerte, benannt nach der darin als Hauptattraktion auftretenden Opernsängerin Carlotta Patti (1835–1889) bzw. ihrem Organisator, dem ansonsten in New York wirkenden Impresario Bernard Ullman (1817–1885). Es handelte sich dabei um reine, durchaus kritisch wahrgenommene Virtuosenkonzerte, in denen das Können der Beteiligten im Vordergrund stand. Steffens trat dort an die Stelle des dänischen Cellisten Christian Laurentz Kellermann (1815–1866), der 1864 nach einem Auftritt in Mainz einen Schlaganfall erlitten hatte. Seine wichtigsten Partner waren, neben der Patti, der Geigenvirtuose Henri →Vieuxtemps (1820–1881) und der Pianist Alfred Jaell (Jaëll; 1832–1882). In der mittelrheinischen Region konzertierte Steffens in Frankfurt/M. (5. Dez. 1862, 14. März 1863), Darmstadt (März 1864), Mainz (1. Apr. 1864, ein „Abschiedskonzert“), Mannheim (Apr./Mai 1864, zum Abschluss der Wintersaison), [Bad] Ems (28. Juli 1864) und Wiesbaden (Nov. 1867); weitere Auftritte sind u. a. belegt für Wien, Königsberg (jeweils 1861), Berlin (1862, 1863 und 1866: „Herr Julius Steffens, Herr Stahlknecht und Herr Zürn machten sich [im Februar] die Palme streitig und gewannen jeder eine grössere oder geringere Anzahl von Blättern derselben“ (AmZ 21. März 1866)), Leipzig (Winter 1862/63, 1867), London, Magdeburg (jeweils 1863), Amsterdam (hier im März 1864 erstmalig als Nachfolger Kellermanns), Bonn, Nürnberg, Fürth, Leipzig, Chemnitz (alle 1864), München (1864 und 1865), Hamburg, Hannover (jeweils 1866), Baden-Baden, Brüssel, Paris (alle 1867), Genf, Dresden (jeweils 1868). Aus gesundheitlichen Gründen zog Steffens sich im Winter 1867/68 vorübergehend aus dem Konzertleben zurück und weilte zur Erholung in Italien und Nizza. Nach weiteren Konzerten zwang ihn eine Krankheit zur Aufgabe des Cellospielens. Er ließ sich um 1870 in Wiesbaden zusammen mit seiner Schwester Emilie († ebd. 1890) nieder, wo er aber nicht mehr öffentlich in Erscheinung trat. In den Wiesbadener Adressbüchern begegnet er bis zuletzt als „Musikdirector“ bzw. „Kammermusiker a. D.“; seine Sterbeurkunde enthält noch einmal den vollen Titel „Kaiserlich russischer Kammermusiker“. Steffens wurde gerühmt wegen seiner „Vorzüge, welche in reiner Intonation, schönem klaren und sympathischen Ton und sicherem geschulten Bogenstrich bestehen“ (NZfM 11. Nov. 1864). Man zählte ihn „zu der Klasse der eleganten Spieler, denen das Zarte als die Hauptsache gilt und die sich mit Fiorituren aller Art hervorthuen“ (Neue Berliner Musikzeitung 4. Nov. 1863). 1885 wurde sein Instrument, „ein italienisches Violoncello, ächter Amati“, zum Preis von 6.000 Mark zum Verkauf angeboten (Neue Musik-Zeitung 1. und 15. Febr. 1885).
Werke — Zwei Konzerte (Vc., Orch.), davon nur bekannt Nr. 2, op. 9 (nachweislich aufgeführt in Hamburg 1866), Bonn: Simrock [1865] – KlA. ebd. [1904?]; D-B <> Romanze (Vc., Kl.), Frankfurt/M.: Henkel [1864] <> Drei Charakterstücke (Vc., Kl.; 1. Frühlingsglück, 2. Unerwartet, 3. Rheinfahrt) op. 10, Berlin: Schlesinger [1881]; D-B <> Ein Notturno (Vc., verm. mit Kl.), aufgeführt 1864 in Bad Ems, ein Konzertstück (Vc., Kl.; möglicherweise Auszug aus einem der Cellokonzerte) sowie eine Polonaise (Vc., Kl.), beide gespielt 1867 in Paris, blieben ungedruckt und sind nicht überliefert. Die von Peter Michael Braunwarth (Arthur Schnitzler, Briefe, Bd. 2, 1913–1932, Frankfurt am Main 1981, Anmerkungen, S. 726) Julius Steffens zugeordnete Musik zu der Posse in vier Akten Schützenliesl von Leon Treptow (1853–1916), Berlin 1882, stammt von Gustav Steffens (1842–1912). Ein 1866 unter „Steffens, J.“ angezeigter Trauermarsch La Mort de Lincoln, op. 193, Biel: Lauffer u. Barth (vgl. MMB, HmL) stammt von einem nicht näher bekannten John Steffens (vgl. WorldCat). Die Angabe in Signale für die musikalische Welt März 1882, S. 330, dass Steffens ab 1871 „hauptsächlich mit Componiren“ tätig gewesen sein soll, kann nicht bestätigt werden, da aus dieser Zeit keine weiteren Werke bekannt sind.
Quellen — Personenstandsregister Wiesbaden (Sterbeurkunde) <> Brief Steffens’ an Gustav Barth (1863); D-F <> Adressbücher Wiesbaden <> Verkaufsanzeige zu Steffens’ Cello, in: Neue Musik-Zeitung 1. Febr. 1885, S. 35; 15. Febr. 1885, S. 44 <> Pasqué 1868, S. 36 <> zahlreiche Konzertankündigungen und Erwähnungen in der nationalen und internationalen Tages- und Fachpresse, darunter Signale für die musikalische Welt, Berliner Musikzeitung, Süddeutsche Musik-Zeitung, Revue et gazette musicale de Paris, Über Land und Meer. Deutsche illustrierte Zeitung, NZfM, AmZ <> HmL; Pazdírek
Literatur — RiemannL 31887 <> BakerB 11900, 21905, 31919 <> Enciclopedia universal ilustrada europeo-americana, Bd. 57, Barcelona 1927, S. 1051 <> Frank/Altmann 141936 <> NassB <> Art. Steffens, Julius, in: Nizam Peter Kettaneh, Internetpräsenz Ernest Reyer (Link); Stand: 2. Aug. 2020 <> Art. Steffens, Julius, in: Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe (WeGA), digitale Edition (Link); Stand: 30. März 2022 <> Knispel 1891, S. 164
Abbildung 1: Gruppenfoto Julius Steffens mit Vieuxtemps, Jaell und der Patti, Foto von Amand Helm, veröff. Prag: Schalek u. Wetzler, 1864; F-Sn (digital)
Abbildung 2: Sterbeanzeige, in: Signale für die Musikalische Welt Nr. 19, (März) 1882, S. 301
Bernd Krause