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BARTH, (THADDÄUS JOSEPH FRANZ) GUSTAV (im Taufeintrag: Gustavus Thaddaeus Josephus) * Wien 2. Sept. 1811 (nicht 1812 oder 1818) | † Frankfurt/M. 11. Mai 1897; Komponist, Chordirigent, Pianist, Musikjournalist

Gustav Barth, Sohn des Hofkapellsängers Joseph Barth (1781–1865) und dessen Ehefrau Josepha, geb. Czuba, genoss eine frühe musikalische Ausbildung und spielte mit fünf Jahren bereits Klavier. Während der Gymnasialzeit besuchte er Vorlesungen über Orgel und Generalbass bei Joseph Drechsler (1782–1852). Noch bevor er weiteren Unterricht bei Adalbert Gyrowetz (1763–1850) und Ignaz von Seyfried (1776–1841) erhielt, begann Barth mit dem Komponieren. In der Jugendzeit machte er Bekanntschaft mit Franz Schubert. Nach Studien von Philosophie (Prag), Jura und Medizin (Wien) wandte sich Barth 1835 ausschließlich musikalischen Tätigkeiten zu. 1840 heiratete er (Bezeichnung im KB: „Tonkünstler“) die k. k. Hofopernsängerin Anna Maria Wilhelmine van Hasselt (1813–1881), mit der er gemeinsam auftrat, und die nach später erfolgter Scheidung den Doppelnamen Hasselt-Barth weiterführte. Aus der Ehe ging die Sängerin Johanna van Hasselt-Barth (1841–1918) hervor.

Barth beteiligte sich 1843 maßgeblich an der Gründung des Wiener Männergesangvereins, der ersten Chorvereinigung in Wien und in Österreich überhaupt. Er war dessen künstlerischer Leiter („Chormeister“) und 1849–1854 zugleich Mitglied des Vorstands. In dieser Zeit engagierte sich Barth auch außerhalb von Konzertsaal und Bühne, beispielsweise im Rahmen der Aufstellung des neuen Gluck-Denkmals auf dem Matzleinsdorfer Friedhof zu Wien am 11. Juli 1846, sowie 1849 als Mit-Stifter eines Goethe-Stipendiums „für einen armen, aber talentvollen Schüler der Akademie“ (Lott). Er war zudem Mitunterzeichner eines Manifests der Schriftsteller Wiens von 1848, in dem diese sich für die Pressefreiheit aussprachen. In seinen Schriften klingen gelegentlich auch patriotische Töne an, so etwa 1851 in einem Grußwort Der Männer-Gesangverein zu Wien an die Liedertafeln und Gesangvereine in Deutschland, wo es heißt, „daß es einem großen Volke wohl zukomme, vor Allem die zu belohnen, welche geistig für selbes thätig sind.“

1854 zwang eine Erkrankung (laut BLKÖ: „Halsleiden“) Barth zur Aufgabe seiner Aktivitäten. Nach kurzem Aufenthalt in Leipzig begab er sich zur Genesung, nach einer Notiz in Signale für die musikalische Welt (Aug. 1854, S. 277), „in die Bäder nach Aachen“; wenig später (Nov. 1854, S. 339) heißt es, er begebe sich „einstweilen nach Wiesbaden“.

Nach Angaben der Fachpresse erhielt Barth nach Überwindung seiner Krankheit 1857 eine Anstellung als „herzogl. badischer Konzertmeister“ (Blätter für Musik, Theater und Kunst 14. Juli 1857, NZfM 31. Juli 1857, Neue Wiener Musik-Zeitung 20. Aug. 1857). Er sei zunächst Privat-Gesangslehrer der Herzogin gewesen und nach Anstellung „mit Decret“ auch für die „nächstens beginnende“ Unterrichtung des Erbprinzen herangezogen worden (Münchner Theater-Journal 9. Sept. 1857). Richtig ist wohl, dass Barth am nassauischen Hof in Wiesbaden tätig war und die dortige Herzogin Adelheid Marie, geb. Prinzessin von Anhalt-Dessau (1833–1916), unterrichtete; bei dem besagten Erbprinzen handelt es sich um den späteren Herzog Wilhelm IV. (1852–1912). In Wiesbaden fungierte Barth auch als Organisator der Administrations-Konzerte; er führte ein, dass diese jeweils mit einer Ouvertüre eröffnet wurden. 1860 veranstaltete Barth im Kursaal Wiesbaden eine Schubert-Feier, 1865 oblag ihm die Organisation eines großen Konzerts daselbst mit Gästen aus Breslau und Düsseldorf; Dirigent war hier Musikdirektor Kéler.

Beginnend mit der Gründung 1874 war Barth Mitglied des Frankfurter Journalisten- und Schriftstellervereins. 1876 wurde er zum Beisitzer gewählt, 1879 dann zum zweiten Vorsitzenden; dieses Amt hatte er 10 Jahre lang inne. Bis zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen organisierte er die musikalischen Teile der Festveranstaltungen des Vereins. Zu seinem 80. Geburtstag erfolgte die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Barth war außerdem Ehrenmitglied des Olmützer Musikvereins (belegt in einer Auflistung von 1862). Nach dem Eintritt in den Ruhestand ließ sich Barth in Frankfurt/M. nieder und wirkte dort als Musikkritiker. Für 1881 ist er als Mitarbeiter des Musikalischen Centralblatts belegt. Nach Angabe in der Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Frankfurter Journalisten- und Schriftstellervereins (1899) schrieb er – wohl anonym, da nicht konkret nachweisbar – jahrelang die Musikberichte für die Didaskalia (Frankfurt/M.), bevor ihn 1896 eine schwere Erkrankung zur Aufgabe dieser Tätigkeit zwang und wenig später zum Tod führte.

Barths Werke aus der Zeit in Wien werden überwiegend positiv beurteilt, zwischen „frisch und freudig“ (AmZ 17. Juni 1846) und „über das Alltägliche hinaus“ gehend (AmZ 24. Juni 1846), op. 4 hingegen „ergötzt durch anspruchslose Bescheidenheit“ (Allgemeiner musikalischer Anzeiger 17. Aug. 1837). Insbesondere in seinen Männerchören finde man „ganz Vortreffliches“ (Berliner musikalische Zeitung 26. Dez. 1846). Kompositionen der Wiesbadener Zeit werden mit „von nicht übler Erfindung“ charakterisiert, zugleich stellt man aber auch den Mangel gelegentlicher „verschrobener Textbetonung“ fest (NZfM 6. Apr. 1860). Die Vermutung, Barths Gesang Trarah! op. 17 Nr. 2 habe als Vorbild für die Lautäußerung eines elefantösen Kinder-Comic-Helden namens Benjamin Blümchen gedient, konnte bislang nicht bestätigt werden.

Werke — In der Wiener Zeit entstanden (verlegt bei Diabelli, Mollo, Trentsensky, Glöggl u. a.): Lieder (Sst., Kl.): op. 2 (Trümmer), op. 3 (Der Einsame; Abschrift in A-Wn), op. 4, op. 5 (Abschrift in A-Wn), op. 6, op. 7 („dem hoch- und wohlgebornen Fräulein Wilhelmine Freiin von Brenner-Felsach achtungsvoll zugeeignet“; CZ-Pk), op. 10 (Herbstlied), op. 11, op. 15 (Liederkranz Waldklänge), opp. 18, 21, 22 <> Quartette und Chöre (Mst.): op. 16 (darin: Ständchen „In dem Himmel ruht die Erde“; D-B (Autograph (digital), A-Wn (Abschrift)), op. 17 (darin: Trarah! („Es klinget so lieblich“), D-MT (Abschrift)), op. 19 <> National Österreicher-Walzer op. 1 („seinen Herren Mitschülern freundschaftlichst gewidmet“), Prag: Zwettler & Nikl [ca. 1830]; CZ-Pu <> 2 Mazurkas (Kl.) op. 12, Wien: Trentsensky u. Vieweg [1841] bzw. Mollo u. Witzendorf [1846] <> Hochländers [nicht Holländers] Abschied (Mst., „Mein Herz ist im Hochland“), Wien: Glöggl [ca. 1844] <> Der Salzburger Kirchhof (Mst.), Vertonung der Quartette (Verse 1 bis 8) aus Nikolaus Lenaus gleichnamigen Sonett, gesungen bei dessen Beerdigung am 22. Aug. 1850, Kompositionsauftrag von Ludwig August Frankl <> Offertorium (Graduale Nr. 1) Domine Deus salutis meae (Chor, Org.) op. 13 („S:r Hochwürden Herrn Johann Weghuber, erstem Cooperator und Praecentor an der Metropolitan Kirche zum heil. Stephan in Wien gewidmet“) [ca. 1850]; A-RTf (Abschrift), A-Sfr (Autograph) <> Scherzo (Kl.) op. 14, Wien: Mollo u. Witzendorf [1845] („Herrn Evers gewidmet“) <> Graduale Nr. 2 (S, Chor, Orch.) op. 20 Nr. 1, Wien: Glöggl [ca. 1848] <> Messe für Männerstimmen (Solo u. Chor, Org. oder Physharmonika ad lib.) op. 24 („componirt und dem Männer Gesangvereine in Wien achtungsvoll gewidmet von dessen Chormeister und Vorstande“), Leipzig: Breitkopf & Härtel [1851]; A-Wn (Autograph), A-WEhsc <> Abend und Morgen (Mst, „Schon sank die Sonne nieder“), Wien: Glöggl – als „Wettgesang für Kunstvereine“ (Nr. 45) auch in der Sammlung Eichwald. Auswahl vierstimmiger Gesänge für Männerchöre, hrsg. von Bernhard Bogler, Schaffhausen: Brodtmann [1863] <> Werke der Wiesbadener und Frankfurter Zeit: 3 Lieder (Sst., Kl.) op. 26, Köln: Schloß [1859] <> 6 Lieder (Sst., Kl.) op. 27, Köln: Schloß [1859] <> 3 Lieder (Sst., Kl.; (Nächtlicher Gruß, „O komm in meinen Arm“, „Die Lilien glüh’n in Düften“) op. 28, Offenbach: André [1869]; D-OF <> 3 Klavierstücke op. 29 (Impromptu, Polonaise, Serenade), Leipzig: Forberg [1882] <> Altdeutsches Lied aus dem 16. Jhrh. (1592) („Es ist so schlimm noch nicht“; aus der Sammlung Deutsche Liebeslieder, hrsg. von Hoffmann von Fallersleben, 1860) <> Zwei von Otto Prechtler (1813–1881) für Barth geschriebene Opernlibretti mit den Titeln Das Hünengrab (1841) und Die Braut des Rabi (1842) sind nicht vertont worden (BLKÖ, Bd. 23, 1872, S. 243).

SchriftenAus dem Notizenbuche eines Musikers, fünfteilige Artikelfolge in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung, 1841–1842 <> Revue im Stich erschienener Musikalien, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 23. Juni 1842, S. 306; eine angekündigte Fortsetzung erschien offenbar nicht, die Rubrik wurde von Ign. Lewinsky fortgeführt <> Bemerkung über die Ausführung einer Stelle aus Mozart’s Zauberflöte, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 27. Okt. 1842, S. [521] <> Rettung eines Liedes von Beethoven, in: Sonntagsblätter 10. Aug. 1845 (Anekdote, Beschreibung einer persönlichen Begegnung des Vaters mit Beethoven) <> Der Männer-Gesangverein zu Wien an die Liedertafeln und Gesangvereine in Deutschland, Wien, 1. Juli 1851, in: Emil Mayer, Das deutsche Sängerfest in Passau, Linz 1851, S. 35f., auch in Rheinische Musik-Zeitung 1851/1852, S. 477f. <> Rede […] bei Gelegenheit der vom Männergesang-Vereine zu Wien zur Erinnerung an das Sängerfest zu Passau [1851] veranstalteten feierlichen Liedertafel am 7. Juli 1852, abgedruckt in: Donau-Zeitung 17. Nov. 1852 und Neue Passauer Zeitung 19. Nov. 1852 <> Robert Schumann, Richard Wagner und Charles Gounod, in: Frankfurter Zeitung 19. Juli 1883, Teilabdruck in: Signale für die musikalische Welt Aug. 1883, S. 680 <> Eine Erinnerung an Zacharias Werner, in: Frankfurter Zeitung 6. Nov. 1883

Quellen — KB Wien (St. Stephan u. St. Karl Borromaeus) <> Personenstandsregister Frankfurt/M. (Standesamt I, Sterbeurkunde) <> Adressbücher Frankfurt/M. <> Nachlass (331 Familienbriefe); D-F – siehe auch Kalliope <> F. Lumau, Liedercompositionen von Gustav Barth, in: Der Sammler 13. Juni 1835, S. 283f. <> N. N., Großes Concert, in: Der Wanderer 11. Okt. 1843, S. 968 <> Groß-Athanasius (Pseud.), Männer-Gesangsverein, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 3. Febr. 1844, S. [57] <> N. N., Gluck’s Denkmal, in: Mindener Sonntagsblatt zur Unterhaltung und Belehrung 23. Aug. 1846, S. 273f. <> N. N., Schubert-Feier, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung, 25. Nov. 1847, S. 567 <> Jahresberichte des Männergesangsvereines in Wien <> Lenaus Werke, Erster Teil: Lyrische Gedichte, hrsg. von Max Koch, Berlin u. Stuttgart 1888, S. 272 <> Theodor Lott, Bericht über die Studienjahre 1876/77 bis 1891/92, erstattet aus Anlass der Feier des zweihundertjährigen Bestandes der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Wien 1892, S. 109 <> Manifest der Schriftsteller Wiens, 15. März 1848, abgedruckt in: E. V. Zenker, Geschichte der Wiener Journalistik von den Anfängen bis zum Jahre 1848, Wien und Leipzig 1892, S. 141 <> Rezensionen und Konzertberichte in: Allgemeiner Musikalischer Anzeiger, Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Österreichisches Morgenblatt, AmZ, Iris im Gebiet der Tonkunst, Moravia. Ein Blatt zur Unterhaltung […], Allgemeine Theater-Zeitung, Berliner musikalische Zeitung, Neue Berliner Musik-Zeitung, NZfM, Signale für die musikalische Welt, Süddeutsche Musik-Zeitung, Niederrheinische Musik-Zeitung, Neue Münchener Zeitung, Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik, Frankfurter Zeitung <> Neue Freie Presse 13. Mai 1897 (Nachruf) <> N. N., Herzogl. nass. Hofconcertmeister G. Barth †, in: Wiesbadener General-Anzeiger 14. Mai 1897, S. 3 <> Musical Courier 9. Juni 1897 (Todesmeldung) <> Katalog des Musik-Archives der St. Peterskirche in Wien, Wien 1908, S. 58 <> Pazdírek, HmL

Literatur — BLKÖ, Bd. 1, S. 165f. <> FétisB (mit geschätztem Geburtsjahr 1818) <> Mendel/Reissmann (Artikel zum Vater) <> GollmickH <> RiemannL 31887 (mit falschem Geburtsjahr 1818), 51900 (mit falschem Geburtsjahr 1812) <> BakerB <> Emil Mayer, Das deutsche Sängerfest in Passau Juli 1851. Ein Erinnerungsblatt, Linz 1851 <> N. N., Zehn Jahre aus dem Wiener Musikleben, in: Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 12. Dez. 1860, S. 777–780 <> „pp.“, Musikzustände in Olmütz, in: Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 9. Febr. 1862, S. 87–89 <> Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, Bd. 1, Wien 1869, S. 318–320 <> Deutscher Litteratur-Kalender 1884 <> Benjamin Schier, Wiens Gesangvereine, in: Wiener Almanach. Jahrbuch für Literatur, Kunst und öffentliches Leben Jg. 3, 1894, S. 294–330 <> Die Wiener Stiftungen. Ein Handbuch, hrsg. von Carl Ferd. Mautner Ritter von Markhof, Wien 1895, S. 694 <> N. N., Goethes hundertster Geburtstag in Wien, in Chronik des Wiener Goethe-Vereins, Bd. 13, Wien 1899, S. 33–35 <> Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, Bd. 4, 1899, Sp. 97 (mit falschem Geburtsjahr 1812 und falschem Sterbeort Wien) <> Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Frankfurter Journalisten- und Schriftstellervereins, 1899, Vorsatz (Foto), S. 117f., 120 <> Frank/Altmann 131927 (mit falschem Geburtsjahr 1818) <> Maurice J. E. Brown, Schubert. A critical Biography, London u. New York 1958, S. 47 <> Oscar Thompson (Ed.), The International Cyclopedia of Music and Musicians, New York, Toronto u. London 1975 <> Jeffrey Kallberg, „Voice“ and the Nocturne, in Pianist, Scholar, Connoisseur. Essays in honor of Jacob Lateiner, hrsg. von Bruce Brubaker und Jan Gottlieb, Stuyvesant, NY 2000, S. 1–46, bes. S. 23f. <> Felix Czeike, Historisches Lexikon Wien, Bd. 1, Wien 1992 <> Michael Ritter, Zeit des Herbstes. Nikolaus Lenau, Wien 2002, S. 304

Abbildung 1: Gustav Barth nach einer Lithographie von Josef Kriehuber (1849); Privatbesitz (Wikimedia Commons)

Abbildung 2: Ankündigung der (verschobenen) Schubert-Feier, Wiesbaden, 30. Nov. 1860, Kölnische Zeitung 29. Nov. 1860

Abbildung 3: Titel zu den Liedern op. 28; D-OF


Bernd Krause

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  • Zuletzt geändert: 2024/06/14 09:32
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  • angelegt 2024/06/12 19:01