Carl Joseph Rodewald
RODEWALD, CARL JOSEPH * Seitsch (heute Siciny in der Gemeinde Niechlów, Polen) 11. März 1735 | † Hanau (nicht Kassel) 11. Juli 1809; Konzertmeister, Komponist
Nachdem er seine musikalische Ausbildung in Berlin bei Franz Benda (Vl.) und Johann Philipp Kirnberger (Komp.) abgeschlossen hatte, fand Rodewald, Sohn eines schlesischen Erb- und Gerichtsschultheißen, um 1762/63 Anstellung als Violinist in der Kasseler Hofkapelle Landgraf Friedrichs II. Daneben erteilte er Violin- und Kompositionsunterricht (zu seinen Schülern zählen David August von Apell, Christian Kalkbrenner und Louis Massonneau) und nahm gelegentlich auch Auftritte als Solist und Dirigent wahr. 1783 leitete er eine Aufführung seines Stabat mater (c-Moll), das von Zeitgenossen hochgeschätzt und später vom Darmstädter Kapellmeister Karl Theodor Haßloch als „Meisterstück des Kirchenstils, würdig, dem Pergolesischen an der Seite zu stehen“ (Schreiben Haßlochs vom 14. Juni 1812), beurteilt wurde. Weitere Aufführungen folgten dort (1786) sowie in Koblenz (1788), Berlin (1793) und Hanau (1800). Dass er dieses Werk auf Anregung Apells für die Kasseler Sängerin Nina d’Aubigny von Engelbrunner und eine ihrer Schwestern, die 1788 an der Aufführung am Kurtrierischen Hof in Koblenz beteiligt waren, schrieb (vgl. Art. Aubigny von Engelbrunner, Nina d’, in MGG2P), lässt sich ebenso wenig belegen wie die Anekdote, er habe es „während einer gefährlichen Krankheit, den Tod vor Augen“ komponiert (Ledebur). Nach der 1785 erfolgten Auflösung der Hofkapelle und der damit einhergegangenen Pensionierung ihrer Mitglieder blieb Rodewald (als einer von wenigen) zunächst in Kassel und engagierte sich in der dortigen Philharmonischen Gesellschaft. 1787/88 verlieh ihm der nun amtierende Landgraf Wilhelm IX. den Titel eines Fürstlich Hessischen Konzertmeisters und ernannte ihn zum Musiklehrer des Kurprinzen Wilhelm II. Letzteren begleitete Rodewald nach Marburg (ca. 1789–1792) und ließ sich, nachdem er für einige Jahre nach Kassel zurückgekehrt war, schließlich gegen 1800, abermals dem Prinzen folgend, in Hanau nieder. Das Magazin der Musik bezeichnete ihn als einen Mann, „welcher es blos seiner übermäßigen Bescheidenheit zuzuschreiben hat, wenn er der Welt nicht längst als Künstler der ersten Classe bekannt war“ (Magazin der Musik 1783, S. 595).
Nach dem Tod Rodewalds wurde sein Nachlass versteigert, und Bernhard Hundeshagen gelang es dabei, ein „zweites Stabat mater, in der Partitur, auch mit den mehreren von seiner Hand zur Ausführung geschriebenen Stimmen zu acquiriren“ (Brief an Spohr 8. Aug. 1845). Louis Spohr gegenüber beschrieb er es als neues Werk, das Rodewald komponierte, nachdem das bekannte, bei Schott erschienene Stabat mater (c-Moll) vergriffen war, jedoch gibt es mehrere Widersprüche, die darauf hindeuten, dass es sich um eine weitere Fassung des Werks in c-Moll gehandelt haben dürfte. Hundeshagen hatte bereits 1812 dem Hessischen Großherzog eine (mutmaßlich dieselbe) Handschrift Rodewalds übersandt, die der Darmstädter Hofmusikmeister Haßloch als „Manuscript seines bekannten Meisterstückes: Stabat Mater, welches er vor seinem Ende gänzlich umgearbeitet hat“, bezeichnete (Schreiben von Haßloch 14. Juni 1812). Die in D-DS als Kriegsverlust verzeichnete handschriftliche Partitur weist dasselbe Incipit auf wie das Stabat mater in c-Moll.
Werke — Sinfonia (B-Dur), als Nr. VII in: Raccolta delle megliore Sinfonie di piu celebri Compositori di nostro tempo, accomodate all’Clavicembalo. Raccolta II, Leipzig: Breitkopf 1761; A-Wn (digital), s. a. RISM B/II, S. 298 – vgl. auch Breitkopf-Katalog, Suppl. Nr. 1, 1766, S. 18 <> Stabat mater dolorosa (c-Moll) (2 Sst., Orch.), Mainz: Schott [1788/89]; s. RISM R/RR 1815 – Ms.; A-Sd, ehem. D-DS, D-Rtt, D-SWl, D-WFe, GB-Lbl, US-Wc – Auszug in: Musikalische Anthologie für Kenner und Liebhaber. Der musikalischen Realzeitung praktischen Theils Bd. 1, Speyer 1788, S. 57–77 – moderne Ausgabe (auch als Fsg. mit Kl.-/Org.-Begl.), Stuttgart: Carus (2010) <> Stabat mater (f-Moll) (2 Sst., Streichorch.), Ms.; A-Sd, D-MÜs, F-Pn, I-BGc <> Sinfonie La calma e la tempesta (D-Dur) (Orch.), Ms.; D-BE, D-Rtt <> Instrumentalstücke (Vl., B.c.), Ms.; D-SWl <> verschollen: weitere Sinfonien, Streichquartette, Ballettsachen, italienische Arien und eine französische Oper Julie
Quellen — KB Hanau (St. Marien; im Sterbeeintrag als „H. Conrad Rodewald, Concertmeister dahier“ bezeichnet) <> Akten betr. Besoldung; D-MGs (Best. 40 a Rubr. 04 Nr. 3475; Best. 40 a Rubr. 04 Nr. 3784) <> Kabinettsakte Bernhard Hundeshagen (darin Eingaben an Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt 8. Juni und 20. Juli 1812 zu Rodewalds Stabat mater und eine Beurteilung desselben von Karl Theodor Haßloch 14. Juni 1812); D-DSsa (Best. D 12 Nr. 18/40 digital) <> Brief von Bernard Hundeshagen an Louis Spohr, 8. Aug. 1845 (s. Spohr-Briefe) <> Hochfürstl. Hessen-Casselischer Staats- und Adreß-Calender 1764–1785; Landgraefl. Hessen-Casselischer Staats- und Adreß-Kalender 1789 <> [David August von Apell], Cassel und die umliegende Gegend. Eine Skizze für Reisende, Kassel 31801, S. 125 <> Casselische Polizey- und Commerzien-Zeitung 17. Juli 1769, 3. Sept. 1792, 17. Sept. 1798; Theater-Journal für Deutschland 14 (1780), S. 81–82; Litteratur- und Theater-Zeitung (Berlin) 30. Juni 1781; Carl Friedrich Cramer, Magazin der Musik 1 (1783), S. 145–147 (22. Jan. 1783), S. 595–597 (9. Mai 1783), S. 934 (30. Okt. 1783); 2 (1784/87), S. 710 (13. Juli 1785), S. 959f. (21. Nov. 1786), S. 1274–1276 (23. Apr. 1787); Musikalischer Almanach für Deutschland (Leipzig) 1784 (1783), S. 113, 1789 (1788), S. 89; Petites Affiches de Cassel 26. Nov. 1784, 17 Febr. 1785; Musikalische Real-Zeitung (Speyer) 5. März 1788, 10. Dez. 1788, 17. Juni 1789, 25. Nov. 1789, 2. Dez. 1789; Musikalisches Wochenblatt (Berlin) Nr. XXI (1792); Berlinische Musikalische Zeitung 2. März 1793, 30. März 1793, 6. Apr. 1793; AmZ 19. Febr. 1800, 1. Aug. 1804, 25. Okt. 1809, 18. Mai 1864; Hanauer Neue Europäische Zeitung 7. Apr. 1800; Münchener allgemeine Musik-Zeitung 21. Sept. 1828 (Biographie Apells)
Referenzwerke und Literatur — GerberATL; GerberNTL; SchillingE; FétisB; Bernsdorf; Ledebur; Mendel/Reissmann; EitnerQ <> Art. Rodewald (Carl Joseph), in: David August von Apell, Gallerie der Vorzüglichsten Tonkünstler und merkwürdigen Musik-Dilettanten in Cassel, Kassel 1806 <> Art. Rodewald und Rodewald (Karl Joseph), in: Carl Julius Adolph Hoffmann, Die Tonkünstler Schlesiens. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Schlesiens, vom Jahre 960 bis 1830, Breslau 1830 <> Art. Kalkbrenner (Christian), in: Friedrich Wilhelm Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeiten, Bd. 7, Cassel 1787 <> Bereths 1964, S. 186, 201 <> Müller 1977, S. 40, 121 <> StiegerO <> Sigrid Nieberle, Art. Aubigny von Engelbrunner, Nina d’, in: MGG2P
Karl Traugott Goldbach und Kristina Krämer