collischonn


COLLISCHONN, (JACOB HEINRICH) CARL * Frankfurt/M. 18. Dez. 1861 | † ebd. 15. März 1935; Hauptmann, Hospitalinspektor, Komponist und Musiker

Collischonn, der einer Hugenottenfamilie entstammte, wuchs in einem musik- und kunstaffinen Umfeld auf: Sein Vater Johann Georg Adolph C. (1828–1907), Hospitalmeister am Hospital zum heiligen Geist, engagierte sich neben seiner beruflichen Tätigkeit u. a. in den Vorständen des Rühl’schen Gesangvereins und des Tonkünstlervereins Leierkasten (beide zu jener Zeit geleitet von dem mit ihm befreundeten Friedrich Wilhelm Rühl), und erwarb zudem die Glasharmonika des 1868 verstorbenen Franz Xaver →Schnyder von Wartensees aus dessen Nachlass. Sein Onkel Johann Friedrich Otto C. (1820–1883) war ein Geschäftspartner von Henry Fuchs, sein Onkel Hermann C. (1826–1914) Maler und seine Tante 2. Grades, Anna Philippina (auch Nanette) C. (1805–1861) eine Schülerin Heinrich Dürings und die Ehefrau von Johann Valentin Wörner. Es dürfte Carl Collischonn demnach nicht an Möglichkeiten gemangelt haben, eine private Musikausbildung zu erhalten. Beruflich schlug er eine militärische Laufbahn ein (Näheres ließ sich bislang nicht ermitteln) und kehrte um die Mitte der 1890er Jahre als Premier- bzw. Oberleutnant außer Dienst in seine Heimatstadt zurück, wo er an der Seite seines Vaters als Inspektor des Heiliggeisthospitals und als Sekretär bzw. Direktor des Bürgervereins wirkte, bevor er im Ersten Weltkrieg in Frankfurt als Hauptmann im Inf.-Rgt. Nr. 81 (= 1. Kurhessisches) diente. Anschließend führen ihn die Adressbücher als „Hauptmann a. D.“

Eine musikalische Betätigung lässt sich für Collischonn seit seiner ersten Rückkehr belegen, indem er um 1900 mehrere Lieder seiner Komposition (zumeist auf eigene Kosten) bei ansässigen Musikverlagen veröffentlichte. 1910/11 stellte er vor dem Frankfurter Altertumsverein unter Beweis, dass er die von seinem Vater erworbene Glasharmonika zu spielen wusste: Anlass war ein Vortrag Bernard Müllers, Direktor des Historischen Museums, über das Instrument, den Collischonn um eine musikalische Kostprobe ergänzte. Ein weiterer Auftritt lässt sich im Südwestrundfunk 1932 nachweisen. Zwischenzeitlich hatte Collischonn bereits einen Versuch unternommen, das Instrument für 120.000 Mark an die Staatliche Akademische Hochschule für Musik in Berlin zu veräußern, dies allerdings ohne Erfolg. Nach seinem Rundfunkauftritt erhielt er zwei Angebote dafür, die er jedoch ablehnte, da seine „Tochter Musik studierte und [sie] sie auch spielen konnte“ (Luise C. an Ulrich Rück 23. Sept. 1939). Bei jener Tochter, die wohl beinahe mit dem Instrument bei dem 1936 in Tübingen veranstalteten Mozartfest mitgewirkt hätte (Brief Luise C.s vom 11. Nov. 1939), dürfte es sich um Asta Collischonn (* 9. Mai 1915) handeln, die 1936/37 in Frankfurt Klavierunterricht erteilte und nach ihrer Eheschließung 1939 nach Stettin verzog. Ihre Mutter – die Witwe Carls – Luise geb. Wolff (1881–1955, Tochter eines Hammerwerkbesitzers in Edenkoben; Heirat 1914) bemühte sich seit 1939 ebenfalls um den Verkauf und trat diesbezüglich mit dem Nürnberger Instrumentensammler Ulrich Rück und anschließend mit dem Staatlichen Institut für Musikforschung in Berlin in Verbindung, die jedoch beide nicht auf den von ihr festgesetzten Preis von 2.000 Mark einzugehen bereit waren. Das Instrument befindet sich bis heute im Privatbesitz.

Carls Bruder (Traugott) Hermann C. (1865–1945) war als Fotograf in Frankfurt tätig. Bei Leonie C., die 1891/92–1897/98 Gesang am Raff-Konservatorium studierte, könnte es sich um seine Cousine Marie Leonie Johanna C. (1869–1963) handeln. Hingegen ist das Verwandtschaftsverhältnis zur Sängerin Mathilde C. (Auftritte in Frankfurt 1941) bislang ungeklärt. Schließlich sei erwähnt, dass die Firma G. A. Collischonn bzw. Haenlein & Collischonn, die mit Material- und Farbwaren handelte und mit dem Verlag Schott in Mainz zeitweise in Verbindung stand, von Carls Großonkel Georg Adolph C. (1783–1834) und dessen gleichnamigem Sohn (1812–1863) geführt wurde.

Werke — [6] Lieder (1. Das Waldröschen, 2. Das Schloss am Meer, 3. Es hat mir einst geschienen, 4. Ganz leise, 5. Den Strom hinab, 6. Dornröschen; Sst., Kl.), Frankfurt: Steyl & Thomas (in Komm.) [1896]; D-BABHkrämer (Nrn. 4, 5), D-F (Nrn. 1, 4, 5) <> [6] Wanderlieder (1. Lebewohl, 2. Scheiden und Meiden, 3. In der Ferne, 4. Die Nachtreise, 5. Die Winterreise, 6. Heimkehr; Sst., Kl.) op. 7, ebd. (in Komm.) [1897]; D-BABHkrämer <> Traumbild (Sst., Kl.) op. 9, Frankfurt: Gustav Oehler jr. [ca. 1897–1899]; D-BABHkrämer, D-F <> Parabel „Es hat ein Falter die Rose geküsst“ (Sst., Kl.) op. 13, Frankfurt: C. A. André (in Komm.) [1902]; D-BABHkrämer, D-F <> Für Dich! (Sst., Kl.) op. 14, [Frankfurt]: Selbstverlag; D-BABHkrämer, D-F <> [3] Lieder eines fahrenden Schülers (1. „Kein Tröpflein mehr“, 2. „Es fliegt manch’ Vöglein“, 3. „Herr Schmied beschlagt mir mein Rösslein“; Sst., Kl.) op. 15, Frankfurt: C. A. André (in Komm.) [ca. 1905?]; D-BABHkrämer (s. Abb.) <>

Quellen — KB und Standesamtsregister Frankfurt <> Adressbücher Frankfurt <> Personalakten; D-Fsa (Best. A.11.02 Nr. 11347; Best. H.14.09 Nr. 1856) <> Spruchkammerakte; D-WIhha (Best. 520/16 Nr. 10467) <> Schulamtsakte Asta Collischonn; D-Fsa (Best. A.40.01 Nr. 4420) <> Brief von G. A. Collischonn an Schott; D-MZsch (1, 1815; Kopierbuch 4); Briefe von Haenlein & Collischonn an Schott; D-Mbs (5, 1845), D-B (1, 1846) <> Briefe von Carl Collischonn an C. A. André und J. André (3, 1902); D-OF <> Briefe von Carl Collischonn an Curt Sachs (Staatl. Hochschule für Musik bzw. Musikinstrumenten-Museum, Berlin); D-Bim (2, 1922) <> Korrespondenz zwischen Susanne Friedburg (HfM/MIM Berlin) und Kathi →Meyer, die Glasharmonika betreffend; D-Bim (2, 1923) <> Korrespondenz zwischen Ulrich Rück und Nold & Sohn, die Glasharmonika betr.; D-Ngm (3, 1939) <> Korrespondenz zwischen Ulrich Rück und Luise Collischonn; D-Ngm (9, 1939) <> Korrespondenz zwischen Luise Collischonn und dem Berliner Institut für Musikforschung (ehem. HfM/MIM); D-Bim (5, 1939–1940) <> Brief Adolf Hartmanns (Berliner Institut für Musikforschung) an Ulrich Rück, das von L. Collischonn angebotene Instrument betr.; D-Ngm (1, 1940) <> Jahresberichte des Raff-Konservatoriums <> Amts-Blatt der freien Stadt Frankfurt 31. Dez. 1861; Frankfurter Zeitung und Handelsblatt 18. März 1907 (Abendblatt), 20. März 1907 (Abendblatt), 9. Dez. 1941 (2. Morgenblatt) (Erwähnung Mathilde Cs.); Bockenheimer Anzeiger 30. Nov. 1914; Frankfurter Nachrichten und Intelligenz-Blatt 14. Aug. 1915 (1. Beiblatt); Südwestdeutschen Rundfunkzeitschrift 26. Juni 1932 <> MMB

Literatur — Bernard Müller, Xaver Schnyder von Wartensee und die Harmonika, in Alt-Frankfurt 3 (1911), S. 14–28 <> Caroline Valentin, Heinrich Düring, der Begründer des ersten Frankfurter Gesangvereins, in: Alt-Frankfurt 5 (1913), S. 33–47 <> Hans Drüner, Im Schatten des Weltkriegs. Zehn Jahre Frankfurter Geschichte von 1914–1924, 1934, S. 329f. <> Tobias Haren, Der Volksstaat Hessen 1918/1919. Hessens Weg zur Demokratie, Berlin 2003, S. 60 <> Ulrike Kienzle, Vom Glück einer seltenen Überlieferung: Die Glasharmonika von Franz Xaver Schnyder von Wartensee, Online-Essay Nr. 8 des Projekts Musikstadt Frankfurt der Frankfurter Bürgerstiftung (online) <> Ah, welch himmlische Stimme! Die historische Glasharmonika des Komponisten und Musikschriftstellers Franz Xaver Schnyder von Wartensee, Internetauftritt zum Instrument (online)

Abbildung: Titelseite der Lieder eines fahrenden Schülers op. 15; D-BABHkrämer


Kristina Krämer

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  • Zuletzt geändert: 2024/03/15 12:48
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