Bender (Familien)
Musikalisch wie auch regional einschlägige Träger des Namens Bender begegnen – insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – weitaus häufiger als es den Lexikographinnen und Lexikographen lieb sein kann; Verwechslungen, Fehlzuschreibungen und vor allem (offenbar bewusst in Kauf genommene) Ungenauigkeiten sind die Folge, und dies bereits in den zeitgenössischen Quellen. Die folgende Zusammenstellung ist als ein erster Schritt hin auf eine belastbare Zuordnung und Identifikation zu verstehen.
GEBR. BENDER I
(1) (Johann) Jakob („Jacques“) * Bechtheim bei Worms 19. Febr. 1797 (nicht 1798) | † Antwerpen 9. Aug. 1844; Bruder von (2), Musiker und Komponist
(2) (Johann) Valentin * Bechtheim bei Worms 19. Sept. (nicht Jan.) 1801 | † Brüssel 14. Apr. 1873; Bruder von (1), Musiker und Komponist
Erste musikalische Unterweisung erhielt Jakob Bender (1) von seinem Vater Nikolaus (Violine; sein eigentlicher Beruf war bisher nicht zu ermitteln) sowie vom Bechtheimer Schullehrer und Organisten Ludwig Karl Möser (* ca. 1787 | † Bechtheim 27. Aug. 1837). Weiterhin wurde er Schüler von Heinrich Altfuldisch in Worms, der ihm – ganz in Stadtmusikantenmanier – einen breitgefächerten Instrumentalunterricht erteilte, wobei der Schwerpunkt der Klarinette zukam. 1819 wurde Jakob Bender Chef de Musique des 31. (Schweizer) Infanterieregiments des Königreichs der Niederlande und nahm 1829 als Leiter der von ihm begründeten Société philharmonique seinen Wohnsitz in St. Nicolas (Provinz Lüttich), bevor er 1833 nach Antwerpen ging, wo er (als Nachfolger seines Bruders Valentin (2)) die Leitung des Orchesters der Société royale d’Harmonie übernahm.
Werke — Potpourri aus Themen der Oper Le Pré aux Clercs von Ferdinand Hérold (arr. für Harmoniemusik), Mainz etc.: Schott [1834]; D-Mbs (Stichvorlage; digital) <> Rondeau favori Clic Clac von Adolphe Adam (arr. für Harmoniemusik), ebd. [1834] <> Die im Nekrolog, bei Fétis und in späteren Lexika genannten Vokalwerke, Konzerte, Fantaisien und Arrangements von Opernouvertüren blieben ungedruckt und sind verschollen.
Valentin Bender (2), ebenfalls Schüler seines Vaters, des genannten Organisten Möser und sicherlich auch von Heinrich Altfuldisch, erhielt zusätzlich von seinem Bruder Jakob Klarinettenunterricht. 1819 wurde Bender kurzzeitig Klarinettist in der von Jakob geleiteten Militärkapelle und übernahm bereits 1820 die Kapellmeisterstelle in französischen Regimentern. Als Dirigent des Orchesters der Société royale d’Harmonie und somit Vorgänger seines Bruders ließ er sich 1826 in Antwerpen nieder, wurde 1836 Chef de Musique des 1. belgischen Infanterie-Regiments in Brüssel und 1837 des Corps des musique du régiment des Guides royeaux und somit Chef de musique de la maison militaire du Roi; mit seinem Orchester, das überwiegend aus Schülern des Brüsseler Conservatoire bestand, unternahm er Konzertreisen (etwa 1857 nach London). Seine Ehefrau Marie Henriette geb. Opdenbosch (* Brüssel 21. Juli 1810; Heirat ebd. 26. Dez. 1837) war Sängerin.
Werke — Six Valses brillantes (Git.) op. 5, Mainz: Schott [1828]; D-Mbs (digital; auch verm. autogr. Stichvorlage (digital) <> Trois airs variés (Klar., Blasorch.), Paris: Petit [vor 1837] <> Polka Mazurka Souvenir de Boitsfort (Kl.), Mainz etc.: Schott [1858] <> Polka des Guides (Kl.), ebd. [1858] <> Redowa Le Palatinat (Kl.), ebd. [1858] <> Polka Marie-Henriette (Kl.), ebd. [1858] <> Polka L’Indienne (Kl.), ebd. [1861] <> Redowa Le Lilas blanc, ebd. [1861] <> Die Autorschaft eines in D-BTOekhc handschr. überlieferten Regimentsmarschs (s. RISMonline) ist nicht gesichert.
Quellen und Referenzwerke — KB Bechtheim; Zivilstandsregister Antwerpen und Brüssel <> Brief Valentin Benders an Schott in Mainz, Antwerpen 6. Dez. 1822; D-B (digital) <> Wilhelm Dieffenbach, Nekrolog Jakob Benders, in: Didaskalia 22. Sept. 1844 <> Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 12. Okt. 1837; AmZ 15. Nov. 1839; Signale für die musikalische Welt Nr. 31 (Juli) 1857 <> FétisB; Mendel/Reissmann <> freundliche Auskünfte von Herrn Pfarrer Andreas Schenk (Bechtheim)
GEBR. BENDER II
(1) Franz (Joseph) * Ehrenbreitstein 21. Aug. 1789 | † St. Petersburg 22. Jan. 1850; Bruder von (2), Klarinettist
(2) Peter (evtl. auch Ignaz) † nicht vor 1837; (verm. älterer) Bruder von (1), Klarinettist
Die in der Presse ganz überwiegend ohne Vornamen genannten Klarinettenvirtuosen „Gebr. Bender“ begegnen erstmals – aus Gotha kommend – im Sommer 1806 in Riga auf der Durchreise nach St. Petersburg. Ca. 1810/11 erhielten Sie eine Anstellung an der kaiserlichen Hofkapelle in Petersburg und begaben sich 1816 – Franz hatte inzwischen die Sängerin Charlotte Caroline Rambach aus Berlin geheiratet – nun zu Dritt auf eine mehrjährige Konzerttournee durch Mittel- und Osteuropa, während der sie sich auch in Frankfurt/M. (10. Jan. 1817), Koblenz (18. Juni 1817) und Wiesbaden (29. Juli 1817) hören ließen. Für die Zeit nach ihrer Rückkehr nach Petersburg (1823) existieren bislang nur wenige Quellenbelege, was auf eine eher lokal begrenzte Aktivität schließen lässt; die Brüder waren noch 1837 Mitglieder des Petersburger Orchesters.
Werke — Augenscheinlich mangelte es den Brüdern an kompositorischer Ambition; jedenfalls ist von eigenen Werken bei ihren Auftritten in den Quellen nicht die Rede. Dennoch wird man ihnen das als Manuskript in B-Bc überlieferte und Zar Alexander I. von den „très humbles et très obéissants serviteurs Frères Bender“ gewidmete Grand Concerto (Klar., Orch.; s. RISMonline) zuzuweisen haben – die Gebrüder Bender I scheiden als Autoren aus, da sie nicht als „Frères Bender“ bekannt waren, keine Beziehung zum russischen Hof hatten und auch nicht als Klarinettenvirtuosen in Erscheinung traten.
Quellen und Referenzwerke — Rigaische Zeitung 22. Aug. 1806, 23. Okt. 1806; Zeitung für die elegante Welt (Leipzig) 10. Febr. 1816, 18. März 1816 (hier Vornamen Ignaz und Franz genannt), 6. Juni 1816; Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 26. Okt. 1816, 19. Dez. 1816, 3. Juli 1817 und passim; AmZ 13. Nov. 1816, 5. März 1817, 28. März 1817, 2. Juli 1817, 28. Aug. 1817, 6. Febr. 1822, 24. Juli 1822, 23. Okt. 1822, 13. Aug. 1823, 27. Apr. 1824, 8. Nov. 1837 und passim; Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 5. Jan. 1817; Rheinische Blätter (Wiesbaden) 29. Juli 1817, 2. Aug. 1817; Neue Zürcher Zeitung 11. Jan. 1820 und passim; Der Zuschauer (Riga) 7. Sept. 1821; St. Petersburgische Zeitung 19. Febr. 1836 (Intelligenzblatt) <> Art. Bender (auch Baender), in: Moritz Rudolph, Rigaer Theater- und Tonkünstler-Lexikon, Riga 1890 <> Erik Amburger-Datenbank (online)
GEBR. BENDER (auch BAENDER bzw. BÄNDER) III
(1) Heinrich * Röhrenfurth bei Melsungen 17. Okt. 1785 | † nicht vor 1825; Musiker
(2) Conrad * Röhrenfurth bei Melsungen 17. Mai 1790 | † Kassel 11. Febr. 1859; Musiker
Heinrich und sein jüngerer Bruder Conrad, Söhne eines Brückenwärters, nahmen als Militärmusiker an mehreren Feldzügen teil. 1814 traten sie als Stabshautboisten in das Regiment Kurprinz in Hanau ein und wurden 1820 nach Kassel kommandiert – Heinrich als Kontrabassist in der kurfürstlichen Leibgarde sowie als Kontrabassist in der Hofkapelle, und Conrad, der nebenbei den Unterricht Iwan Müllers genoss, als Klarinettist an gleicher Stelle. Mehrere Söhne der Brüder wurden ebenfalls Mitglieder der Kasseler Hofkapelle, unter ihnen Heinrich (Wilhelm Adolph), der erste Sohn Conrads, als Violinist (* Hanau 16. Nov. 1816 | † Kassel 12. Mai 1838), und als Cellist dessen Bruder August (Conrad) (* Kassel 25. oder 31. Aug. 1826).
Werke — Es ist nicht auszuschließen – aber ebenso wenig zu belegen –, dass die weiter unten unter „Bender, L.“ gelisteten Bläserduos von Conrad Bender stammen. Die im Nekrolog genannten Kompositionen von Heinrich Bender jun. blieben ungedruckt und sind verschollen.
Quellen und Referenzwerke — KB Hanau (Marienkirche), Kassel (Hofgemeinde), Röhrenfurth <> AmZ 26. Febr. 1823, 9. Juli 1823, 30. Juli 1823, 1. Juni 1825, 17. 1829, 24. März 1830, 15. Juni 1836, 12. Sept. 1838 (Nekrolog Heinrichs jun.), 9. Apr. 1845 und passim <> SchillingE; Mendel/Reissmann <> Irmgard Khuen, Die Hoboisten in Hessen Kassel im 18. u. 19. Jahrhundert, Frankfurt/M. und Kassel 1992
weitere Namensträger
BENDER (Familie)
Offenbar nicht verwandt mit den obigen war die in Frankfurt ansässige Musikerfamilie Bender – Johann Christoph (get. Frankfurt/M. 12. Apr. 1744 | † ebd. 5. Okt. 1813), Sohn des Beisassen und Kleiderhändlers Johann Valentin Bender, und die aus seiner 1773 geschlossenen Ehe mit der Metzgerstochter Dorothea Düring hervorgegangenen Söhne Johann Valentin (get. Frankfurt/M. 10. Jan. 1774 | † ebd. 27. Sept. 1825; Maler und Musiker) und (Johann) Friedrich (* Frankfurt/M. 24. Okt. 1784 | † ebd. 2. Juli 1865; Musiklehrer und Orchestermusiker).
Quellen — KB Frankfurt <> Rats- und Senatssuplikationen in D-Fsa <> Adressbücher Frankfurt <> Frankfurter Theateralmanach 1831–1855 <> Philipp Friedrich Gwinner, Kunst und Künstler in Frankfurt am Main, 1862, S. 465
„BENDER, L.“, auch (wohl fälschlich) „BENDER, B.“ sowie „BENDER, LOUIS“
Eine Identifikation dieses (oder dieser) Komponisten mit einem der oben genannten wie auch eine Zuordnung zu den jeweiligen Familien war bislang nicht möglich, auch wenn man einräumt, dass die Initiale „L“ auch als „C“ verlesen werden kann und somit der Verdacht naheliegt, Conrad Bender (s. Bender III) als Autor anzunehmen, zumal die Besetzung der unter jenen Namen überlieferten Werke dafür sprechen könnte:
Trois Duos concertans (2 Klar.) op. 3, Bonn: Simrock [1825]; I-MOl <> Trois Duos concertans (2 Klar.) op. 12, Mainz: Schott [1829]; DK-Kk, US-CHH <> Trois Duos concertans (2 Klar.) op. 14, ebd. [1829]; D-Bim, D-F, GB-Lam
„BENDER, H.“, auch „BENDER, HENRI“
Es gilt Dasselbe wie beim Vorgenannten; der ältere der Gebrüder Bender III in Kassel ist aufgrund der Besetzung der Kompositionen als deren Autor ebenso wenig wahrscheinlich wie (aus Altersgründen) sein gleichnamiger Neffe:
Walzer Erster Schuss bei Navarin (Kl.), Frankfurt/M.: Dunst [1829] <> Deuxième bzw. Troisième Potpourri über Themen aus Aubers La Muette (2 Vl.) op. 10 und 11, ebd. [1831]; D-B <> Potpourri über Themen aus Aubers Le Maçon (Git., Fl./Vl.) op. 12, ebd. [1831] <> Potpourri über Themen aus Aubers Le Maçon (Git., Klar., Va.) op. 13, ebd. [1831] <> Potpourri über Themen aus Rossinis Tell (Git., Fl./Vl.) op. 14, ebd. [1831]; D-Mbs (digital) <> Potpourri über Themen aus Aubers Fra Diavolo (Git., Fl./Vl.) op. 15, ebd. [1831]
Axel Beer