bade


(1) (Johann Heinrich) Wilhelm * verm. im Hannoverschen ca. 1833 | † Heidelberg 16. Jan. 1880; Musiklehrer

(2) Philipp (Christoph) * Heidelberg 7. Mai 1875 | † Zuchthaus Ebrach 19./20. Juli 1911; Sohn von (1), Musiklehrer, Dirigent, Komponist


(1) Wilhelm Bade ist seit etwa 1865 in Heidelberg als privater Musiklehrer nachweisbar; seit etwa 1877 leitete er den Gesangverein Concordia. Nach dem Tod seines Schwiegervaters Jakob Majer (ca. 1877/78) wurde er Mitinhaber von dessen Bierkeller. Bades Witwe Luise nahm etwa 1894 ihren Wohnsitz in Karlsruhe (s. unter (2)).

WerkeFrühlingsnahen. Tonstück (Kl.) op. 12, Offenbach: André [1877] („Neue Ausgabe“); D-B, D-OF, GB-Lbl <> Ob die 1873 bei Grimm in Schaffhausen erschienene Romanze (Kl.) op. 6 unserem Bade zuzuschreiben ist, lässt sich derzeit nicht ermitteln.


(2) Wer nach dem frühen Tod des Vaters die musikalische Ausbildung Philipps übernahm, ist bisher nicht bekannt; das Studium am Karlsruher Konservatorium (1889/90–1892/93) in den Fächern Klavier, Violine und Komposition wurde jedenfalls durch das Großherzoglich Badische Haus ermöglicht, das sich auch in der Folge des begabten jungen Manns annahm: Philipp Bade, dessen Mutter etwa 1894 von Heidelberg aus zuzog, war nach dem Abschluss seines Studiums in die Lage versetzt, sich zunächst und ohne weitere Verpflichtungen in Karlsruhe eine Karriere als Komponist aufzubauen. Schon 1892 steuerte er für Aufführungen im Hoftheater eine Zwischenaktmusik bei, die „sehr beifällige Aufnahme fand“ (Badische Landeszeitung 30. März 1892), 1894 wurde sein erstes Bühnenwerk Frühlingsträume von der Theaterdirektion angenommen, im selben Jahr durfte Bade seiner Landesherrin Luise die Sinfonische Dichtung Trauer und Trost „in dankbarer Ehrfurcht“ zur Einweihung des Großherzoglichen Mausoleums zueignen, und im April 1895 fand im großen Museumssaal ein Konzert von einer Größenordnung statt, von der ein noch nicht einmal 20jähriger normalerweise nicht zu träumen wagte: Unter Beteiligung des gesamten Hoforchesters, etlicher dem dortigen Ensemble angehöriger Solistinnen und Solisten sowie Generalmusikdirektor Felix Mottl als Klavierbegleiter führte Bade, der die Gesamtleitung innehatte, neben einigen Liedern und der genannten Sinfonischen Dichtung eine große Orchesterfantasie auf – dies in Anwesenheit der „allerhöchsten und höchsten Herrschaften“, die, so erfuhr man im Vorfeld, bereits „ihre bestimmte Zusage zur Beiwohnung gegeben“ hatten (Badische Presse 14. Apr. 1895) und sich nach dem (von der Presse differenziert, aber mit Anerkennung wahrgenommenen) Ereignis „auf das Huldvollste mit dem jungen Komponisten“ unterhielten (Badischer Beobachter 23. Apr. 1895). Im Anschluss ließ Großherzog Friedrich I. es sich nicht nehmen, Philipp Bade durch ein Stipendium „Muße zur Vollendung“ seiner ersten Oper (Der Pulvermacher von Nürnberg) zu verschaffen (Badische Landeszeitung 23. Nov. 1897), die schließlich im März 1900 (in Altenburg) zur ersten öffentlichen Aufführung kam. Im September 1899 nahm Philipp Bade seinen Wohnsitz in Mannheim, wo er an der dortigen Hochschule eine Anstellung als Lehrer für Operngesang, Klavier, Allgemeine Musiklehre und Musikgeschichte erhalten hatte; bis 1906 war er auch als Dirigent des Cäcilienvereins in Ludwigshafen tätig und hielt gelegentlich, auch außerhalb, Vorträge über musikgeschichtliche Themen: Im Januar 1904 steuerte in Neustadt a. d. Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße) eine Einführung zur vom dortigen Cäcilienverein veranstalteten ersten konzertanten Aufführung von Berlioz’ Die Einnahme von Troja bei, und nachdem er ein Jahr später in seiner Funktion als Gastdirigent des Baden-Badener Konversationshaus-Orchesters erneut dort aufgetreten war, entstand der Wunsch, ein Konservatorium in Neustadt zu errichten, als dessen Gründer und erster Leiter Philipp Bade fungierte, der – nicht überraschend – auch die Führung des Cäcilienvereins übernahm. Unter seiner Ägide erlangte das Institut beträchtliche Anerkennung und konnte Ende 1908 nicht nur auf 319 Schülerinnen und Schüler sowie 25 Lehrkräfte verweisen, sondern auch mit ausnahmslos von eigenen Kräften realisierten Aufführungen größerer Werke (etwa Bizets Carmen (1908), Mendelssohns Paulus (Ostern 1909)) auf sich aufmerksam machen.
So ungewöhnlich steil der Aufstieg Philipp Bades als vielseitig begabter Musiker zu Beginn seiner Karriere war, so plötzlich kam der Abstieg: Der Neustädter Konservatoriumsdirektor hatte sich an (mindestens 13) Schülerinnen vergangen, die – erstaunlich genug für diese Zeit – den Mut aufbrachten, die Vorfälle zur Sprache zu bringen. Im Mai 1909 wurde nach den ersten Anhörungen und der Beweisaufnahme durch das Landesgericht Frankenthal Untersuchungshaft angeordnet und am 21. September das Urteil verkündet: Fünf Jahre Zuchthaus bei zehnjährigem Ehrverlust, wobei das umfassende Geständnis des Angeklagten eine noch höhere Strafe verhinderte. Bade wurde in das Zuchthaus in Ebrach (Oberfranken) verbracht, wo man ihn (in Einzelhaft) mit Maschinenstricken beschäftigte und (wegen seiner guten Führung) erlaubte zu komponieren, wobei er davon träumte, nach seiner Entlassung ins Ausland zu gehen. Nachdem seine (zweite) Ehefrau ihm eröffnet hatte, sich scheiden lassen zu wollen, verschlechterte sich sein ohnehin angegriffener Gesundheitszustand, und er verstarb nach knapp zweijähriger Haft „nach kurzem Unwohlsein an Herzschlag“ (Grünstädter Zeitung 24. Juli 1911). Der Skandal beschäftigte die Presse bis an den Niederrhein, bis nach Prag und Wien – dem Neustädter Konservatorium entstand hingegen kein Schaden, so dass es bereits im Jahre 1909 in Lill Erik Hafgren einen neuen Leiter finden konnte.

Werkeveröffentlicht: Vier Lieder (Fst., Kl.; Mondlicht („Wie liegt im Mondenscheine“), Wiegenlied („Es dunkelt, mein Röschen“), Am Strande („Die Wellen flüstern und rauschen“), Lass das Fragen („Lieb’ Seelchen, lass das Fragen sein“)) op. 1, Offenbach: André [1893]; D-B <> Scherzo. „Marie, Marion, Mariette“ (Sst., Kl.) o. op., ebd. [1894]; D-B, D-OF <> Knospen. Kleine Fantasiestücke (Kl.; Gruss, Kleine Schelmin, Bitte, Neckerei, Thränen, Musikantenlied) op. 2, Heft 1, ebd. [1895; ein 2. Heft ist nicht erschienen]; D-B, D-OF Vier Lieder (Mst., Kl.; Barkarole („O, komm in mein Schifflein, Geliebte, daher“), „Am leuchtenden Sommermorgen“, Spielmannslied („Lass’ mich die sagen, lass’ mich dir singen“), „Kennst du die alte Sage“)) op. 3, ebd. [1896]; D-B, D-OF <> Mailied (Sst., Kl.; „Es kommt ein wundersamer Knab’“) o. op., ebd. [1900]; D-B, D-OF <> Schlummerlied (Kl.) o. op., ebd. [1900]; D-OF <> Winterlob (2 Sst., Kl.; „Wo immer Lieb’ bei Liebe ruht“) o. op., ebd. [1908]; D-B, D-OF, D-SPlb <> unveröffentlicht: Ricordanza (Orch.), Zwischenaktmusik, UA 26. März 1892; verschollen <> Trauer und Trost, Sinfonische Dichtung (Orch., Chor, Org., komp. 1894; Widmung an Großherzogin Luise von Baden), UA 20. Apr. 1895; D-KA (Ms.; s. RISMonline) <> Ekkehard und die Herzogin von Schwaben, „grosse Orchester-Fantasie“, UA 20. Apr. 1895; verschollen <> Ein Frühlingstraum, Phantastisches Tanzspiel mit Gesang (komp. 1894), UA Karlsruhe (Hoftheater) 21. Apr. 1895; verschollen <> Oper Der Pulvermacher von Nürnberg (Text: Alberta von Freydorf), UA Altenburg 25. März 1900, weiterhin Karlsruhe 26. Apr. 1903; verschollen – Libretto Mannheim: Wendling [1900]; D-Ju, D-KA (digital) <> Ob die in der Karlsruher Presse erwähnten Lieder und Klavierstücke mit den bei André in Offenbach veröffentlichten identisch sind, ließ sich nicht in jedem Fall ermitteln.


Quellen — KB Heidelberg (St. Peter) <> Mannheimer Familienbögen <> Adressbücher Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim <> Jahresberichte und Schülerlisten des Karlsruher Konservatoriums <> Verlagsverträge Wilhelm Bades (1, 1877) und Philipp Bades (6, 1894/98) mit André in Offenbach; D-OF <> Theaterzettelsammlung in D-KA <> Badische Landeszeitung 30. März 1892, 23. Nov. 1897, 28. März 1900 (Abendblatt) und passim; Karlsruher Zeitung 5. Juli 1892, 7. Nov. 1894, 16. Apr. 1895 (2. Blatt), 23. Apr. 1895 (ausführliche Besprechungen), 24. März 1900, 26. Apr. 1903, 22. Sept. 1909, 21. Juli 1911 und passim; Badischer Beobachter 3. Apr. 1894, 23. Apr. 1895, 5. Sept. 1908, 9. Sept. 1908 und passim; Badische Presse 14. Apr. 1895, 6. Sept. 1908, 22. Sept. 1909 und passim; Coburger Zeitung 24. März 1900; Münchner neueste Nachrichten 26. März 1900, 11. Jan. 1905, 17. Dez. 1908; Wiener Zeitung 6. Juli 1900; Allgemeine Zeitung (München) 28. Apr. 1903; General-Anzeiger der Stadt Mannheim 29. Mai 1903, 28. Nov. 1906, 5. Sept. 1908, 13. Apr. 1909, 21. Mai 1909, 11. Sept. 1909, 22. Sept. 1909; NZfM 27. Jan. 1904; Grünstädter Zeitung 6. Juli 1905, 29. Mai 1909, 21. Sept. 1909, 22. Sept. 1909, 21. Juli 1911, 24. Juli 1911; Der Klavierlehrer (Berlin) 1. Aug. 1908; Karlsruher Tagblatt 21. Mai 1909 und passim; Rhein- und Ruhrzeitung (Duisburg) 23. Sept. 1909; Prager Tagblatt 24. Juli 1911; Illustrirtes Wiener Extrablatt 27. Juli 1911 <> MMB <> StiegerO

Abbildung 1: Titel des Tonstücks op. 12 von Wilhelm Bade; D-OF

Abbildung 2: Programm des Konzerts im Karlsruher Museum am 21. Apr. 1895; Karlsruher Zeitung 16. Apr. 1895 (2. Blatt), S. 1680

Abbildung 3: Sammeltitel der Lieder op. 3; mit freundlicher Genehmigung von Herrn Bernd Katzbichler (Musikantiquariat Katzbichler, Unterwössen)


Axel Beer

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  • Zuletzt geändert: 2023/07/25 09:48
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  • angelegt 2023/07/23 14:14