Buchner (Familie)
(1) Ulrich (auch Huldrych) * Schönberg (heute Stadtteil von Lauf an der Pegnitz) ca. 1560 | † Wertheim 12. Mai (?) 1602; Cantor und Schriftsteller
(2) Friedrich get. Wertheim am Main 30. Juli 1590 | begr. Frankfurt 12. Jan. 1638 (nicht 1637); Violinist, Organist
(3) Philipp Friedrich * Wertheim 10. Sept. 1614 | † Würzburg 23. März 1669; Sohn von (1), Organist, Kapellmeister und Komponist
(1) Buchner studierte (Rommel, S. 54, zufolge) „auf verschiedenen deutschen Universitäten“ und erlangte 1582 den Magistergrad sowie die schon damals wohl inflationär zugestandene Auszeichnung eines Poeta laureatus bzw. coronatus. Nach einer kurzzeitigen militärischen Karriere folgte er um 1586 der Berufung auf die Wertheimer Lateinschule und wurde außerdem städtischer Cantor; im November 1587 schloss er mit der Witwe seines Vorgängers Jakob Gerhard (begr. Wertheim 7. Dez. 1586; seit 1577 als Cantor nachweisbar), Margarethe geb. Rüdinger, die Ehe, was ihn zum Schwiegersohn des Wertheimer Schulrektors und Schriftstellers Nicolaus Rüdinger (ca. 1530–1581) werden ließ. Vielleicht um diesem nachzueifern, nahm sich Buchner alsbald Zeit, sich ausgiebig und aktiv – man ist geneigt, eine gewisse intellektualistische Besessenheit zu unterstellen – mit späthumanistisch-lateinischer Dichtung zu befassen: Seine „Plejaden“ betrachten in sieben Büchern 470 mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten seiner Epoche (Dynasten und sonstige Adelige, Theologen, Juristen, Mediziner etc.), wobei aus den Buchstaben der Namen anagrammartige Kernsätze gewonnen werden, die anschließend in (nun ja …) erklärende Verse mannigfaltiger Art münden; auch Komponisten werden auf diese Weise „verwurstet“ – neben Gregor Aichinger, Giovanni Gabrieli, Hans Leo und Caspar Haßler sowie Luca Marenzio sogar (und zu allererst) ein MMM-Insasse, nämlich Andreas Myller, was wiederum den vorliegenden ausführlicheren Eintrag innerhalb unseres Familienartikels rechtfertigt: Aus „Andreas Myllerus“ formt Buchner „Ars dulcis serenum Asylum“ (S. 213 der Ausgabe von 1601) – die Leserinnen und Leser, die diese ebenso kunstvolle wie überflüssige Sprachminiatur nun durchbuchstabiert sowie übersetzt bzw. übersetzt gekriegt haben, mögen jetzt vielleicht auch den Drang verspüren, die sich anschließenden 12 Zeilen erläutert zu bekommen, wozu hingegen der Verfasser vorliegender Ausführungen nicht die mindeste Lust hat – nur so viel: Apoll und die Musen kommen vor, und wer selbst schauen möchte, mag sich mit Hilfe des Artikels Myller zum Digitalisat von dessen Newe[en] Deutsche[en] Weltliche[en] Cantzonette[en] durchklicken – in der Tat fand Myller (oder – eigentlich wahrscheinlicher – dessen Verleger Wolfgang Richter, der ja immerhin kurz zuvor das Buchnersche Monstrum herausgebracht hatte und auf S. 212 selbst anagrammiert wird: „Hic navus fulgor surget“) die Idee des inzwischen verstorbenen Wertheimers so schön, dass er dessen geistigen Erguss unter die Lobgedichte der Canzonetten-Sammlung aufnahm.
Werke — Anagrammatismorum Pleiades; sub septem distinctis involucris, illustres aliquot Germaniae dynastas, virosque Nobiles & primarios, Theologos, Iureconsultos, Medicos, Poëtas, Philosophos, Philomusos Philadelphosque, Genii ductu & indultu Poëtici, perspicue repraesentantes […], Frankfurt: →Richter 1601; D-KNu, D-Mu, D-Sl, D-WÜu, GB-Lbm – Teile („involucra“) 1–7 bereits 1592–1595 einzeln in Nürnberg erschienen und für die Ausgabe des Jahres 1601 vermutlich erweitert
(2) Bei der Berufswahl folgte Friedrich Buchner (teilweise) dem Beispiel seines Vaters Ulrich; er ist seit 1613 als Organist in Wertheim nachgewiesen. Ob er sich bereits um die Mitte der 1620er Jahre, als sein Sohn Philipp Friedrich (2) nach Frankfurt ging, mit seiner Familie dort niederließ, ist nicht überliefert. Jedenfalls wirkte er spätestens seit 1635 als Violinist unter Johann Andreas Herbst in der Kapelle der Barfüßerkirche mit und versah gleichzeitig den Organistendienst an St. Katharinen. 1636 trat er an die Stelle seines Sohns Philipp Friedrich als Organist am Bartholomäusdom, und 1637 wurde er zudem nach einer Vakanz Nachfolger von Matthias Sagittarius als „Klein-Organist“ der Barfüßerkirche; nach seinem baldigen Tod folgte ihm hier Philipp Friedrich Böddecker nach. 1613 schloss Buchner die Ehe mit Euphrosyne geb. Hornecker, einer Tochter des Hospitalmeisters in Öhringen.
(3) In den Jahren 1626 bis 1630 war Philipp Friedrich Buchner als Singknabe und Instrumentist unter Johann Andreas Herbst an der Frankfurter Barfüßerkirche tätig; welche die „andere[n] frembde[n] Oerther“ (Ratssupplikationen 1634; zit. nach Jira) waren, an die sich der gerade einmal Sechzehnjährige, und zwar finanziell unterstützt vom Frankfurter Rat, anschließed begab, weiß man nicht. Nach seiner Rückkehr (1634) bewarb er sich erfolgreich um die Organistenstelle an St. Bartholomäus. Bereits im März 1636 bat er um Entlassung, um sich erneut auf Reisen zu begeben (sein Nachfolger wurde sein Vater). Nach Aufenthalten in Polen (um 1640), wo er zum Katholizismus übertrat, Italien (in Venedig ließ er 1642 und 1644 seine Opera 1 und 2 erschienen) und Frankreich fand Buchner vor 1645 eine Anstellung als Kapellmeister des Woiwoden von Krakau, Stanisław Lubomirski. Unmittelbar nach dessen Tod (1649) wurde Buchner von Johann Philipp von Schönborn (seit 1642 Bischof von Würzburg und seit 1647 Erzbischof von Mainz) zum Hofkapellmeister ernannt und versah seinen Dienst in Mainz (bzw. Aschaffenburg) und Würzburg; gleichwohl blieb er der Stadt Frankfurt und insbesondere deren Rat und Senat eng und dankbar verbunden, wie die Widmung des 1662 in Frankfurt veröffentlichten Plectrum musicum (s. u.) zeigt. Sein Nachfolger als Mainzer Hofkapellmeister wurde Tobias Richter.
Werke (s. a. MGG und RISM B 4862–4867) — Concerti ecclesiastici […] concertati (2–5st., B. c.) [op. 1], Venedig: Vincenti 1642 <> Concerti ecclesiastici […] concertati (2–5st., B. c.) op. 2, ebd. 1644 <> Sacrarum cantionum opus tertium (2–5st., Org.), Konstanz: Geng 1656; F-Pn (digital) <> Plectrum musicum […] opus quartum (2 Vl., Va., Viola da gamba, Fag., B. c.; den Ratsherren der Freien Reichsstadt Frankfurt – „Dominis suis Maecenatibus“ – gewidmet), Frankfurt: Ammon und Serlin (Druck: Wust) 1662; s. RISM B 4865 <> Harmonia instrumentalis (2 Vl., Fag., B. c.) op. 5, Würzburg: Selbstverlag 1664 <> Catholische Sonn- und Feyertägliche Evangelia und darauß gezogene Lehrstück […] Alles in teutsche Reymen und Melodey verfasset (Sst., B. c.), Würzburg: Zinck 1656 <> Die Psalmen des koniglichen Propheten Davids (gereimte Textfassung von Johann Philipp von Schönborn; 104 Melodien in der Bearbeitung Buchners), Frankfurt: Schönwetter [?] (Druck: Heyll in Mainz) 1658 („Mainzer Psalter“) – spätere, nahezu unveränderte Neuauflage als Der schöne Psalmen-Brunn des Königlichen Propheten Davids […], Frankfurt: Wust 1673
Quellen — KB Frankfurt; KB Wertheim <> – Akten (Ulrich Buchner und seine Familie betr.) in: D-WEMsta
Literatur — Valentin 1906 <> Peter Epstein, Die Frankfurter Kapellmusik zur Zeit J. A. Herbst’s, in: Archiv für Musikwissenschaft 6 (1924), S. 58–102; hier: S. 85 <> Gustav Rommel, Der Wertheimer Dichter Huldrich Buchner (1560–1602) und seine Plejaden, in: Jahrbuch des Historischen Vereins „Alt-Wertheim“ 1935, S. 54–66 <> Gottron 1959 <> Schaefer 1975/II <> Markus Rathey (Adam Gottron), Art. Buchner, in: MGG2P <> Martin Jira, Art. Buchner, in: MGGonline (mit weiteren Literaturangaben) <> KirschM (mit weiteren Quellenangaben)
Abbildung: Titelseite der ersten Violinstimme des Plectrum musicum; F-Pn (digital)
Axel Beer