LIECK, (FRANZ) XAVER (HUBERT) get. Aachen 9. Aug. 1845 | † Frankfurt/M. 15. Juni 1921; Kaufmann, Sänger
Xaver Lieck gab nicht nur den Lesern der Gießener Lazarett-Zeitung (von ihm erdachte und eingesandte) Rätsel auf, sondern auch seine Biographie selbst erscheint reichlich rätselhaft. Als Sohn des Lehrers Heinrich Lieck in Aachen aufgewachsen, war er die längste Zeit seines Lebens als Kaufmann und Handelsagent tätig. Eine musikalische Karriere verfolgte er nur kurz. 1867 zählte er als Bass zu den Sängern des Festchors beim 44. Niederrheinischen Musikfest in Aachen und studierte 1883/84 am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt/M. unter Julius Stockhausen und Iwan Knorr Gesang und Kontrapunkt, bevor er (lediglich) 1885 im Frankfurter Adressbuch als Gesangslehrer und Konzertsänger aufscheint. Bislang ließ er sich nur im November 1885 bei einem Konzert in Schweinfurt als Solist nachweisen (u. a. gemeinsam mit Bernhard Firnberg). Zugleich nahm er (wohl erfolglos) Kontakt mit dem Berliner Musikverlag Bote & Bock auf und veröffentlichte – nicht dort, sondern bei Schott in Mainz – eine humoristische Verarbeitung von Schillers Der Taucher, zu deren Musik „die bedeutendsten und unbedeutendsten Componisten des In- und Auslandes mit der grössten Unfreiwilligkeit Beiträge geliefert“ haben (Vorbemerkung, S. 1), und die mehrfach erfolgreich aufgeführt wurde: 1885 beim 38. Stiftungsfest der Speyerer Liedertafel und bei einem Wohltätigkeitsabend in München, 1894 zu einem Herren-Abendessen der Mainzer Liedertafel und 1911 abermals in Mainz zur Feier des 25jährigen Jubiläums der Vereinspräsidenten Ludwig Strecker und Ludwig Oppenheim. Das Werk ist dem Frankfurter Liederkranz gewidmet, dessen Mitglied Lieck war. In den Lebenserinnerungen seines Zeitgenossen August Bütschli erinnerte dieser, dass Lieck „eines Tages plötzlich in Frankfurt und im Liederkranz auftauchte. Es hatte sich sofort um seine auffallende Erscheinung eine Legende gebildet; er sollte geschieden sein, in Aachen ein Duell gehabt haben, beides Grund genug, um ihm die Aufmerksamkeit der Damenwelt zuzuwenden, wogegen er sich auch gar nicht ablehnend verhielt“, auch sei er (im Sinne Wagners) ein „ganz rabiater Apostel der neuen Richtung“ (Klötzer/Bütschli, S. 247). Um 1887 scheint Lieck zu seinem ursprünglichen kaufmännischen Beruf zurückgekehrt zu sein und lebte bis 1890 wieder in Aachen – in diesen Jahren ist er mehrfach als Kurgast in Bad Homburg belegt. Ab 1891 führen ihn die Frankfurter Adressbücher wieder, nun abermals als Kaufmann. Er starb als langjähriger Mitarbeiter der Teppichhandlung P. A. Walther. Lieck war seit 1871 in erster Ehe mit der Witwe seines Bruders Heinrich Hubert (1842–1869), Johanna Maria Theresia geb. Farina, verheiratet und zuletzt mit Marie Elisabeth Hubertine geb. Lieck (ca. 1853–1928). Nähere Kenntnisse zu jenem von Bütschli angesprochenen Duell liegen nicht vor. Bei dem Maler Josef Lieck (1849–1914) handelt es sich um seinen Bruder.
Werke — Der Taucher. Humoristische Scene bzw. Grosse dramatisch-akrobatisch-nautische Oper, nach einer Schiller’schen Idee verarbeitet und vermeert (Soli, 4 Mst., Kl.; „Dem Männergesangverein ‚Liederkranz‘ in Frankfurt a/M. freundschaftlichst gewidmet“), Mainz: Schott [1884]; D-B (digital) <> Festspiel zur Feier des Geburtstages der Frau Oberbürgermeister Wallau in Frankfurt am Main am 29. April 1886 (Musik: Johannes Schmidt-Bode, Text: Xaver Lieck), Druck Mainz: Carl Wallau; D-MZs, US-CHN[O’Neill Library] (digital) <> Die vier Temperamente. Humoristischer Vortrag (gem. mit dem Hrsg.), in: Clemens Grün, Grüns Humoristikum. Das ist ausgezeichnet. Dialektvorträge in Versen und Prosa […], Leipzig/Frankfurt/M.: Kesselring (E. v. Mayer) 1894, S. [62]–73; US-IO (digital) <> Rätsel in: Gießener Lazarett-Zeitung 15. März 1918, 15. Apr. 1918, 1. Mai 1918, 1. Juli 1918, 15. Aug. 1918, 1. Sept. 1918, 15. Sept. 1918, 1. Okt. 1918 <> Anleitung zur Pflege des Humors, in: Gießener Lazarett-Zeitung 1. Febr. 1918 <> Schüttelreime, in: Gießener Lazarett-Zeitung 1. Juni 1918
Quellen — KB Aachen (St. Michael); KB Köln (St. Maria im Kapitol) <> Standesamtsregister Frankfurt <> Adressbücher Frankfurt <> Briefe an Bote & Bock (2, 1883); D-B, s. Kalliope <> Programmheft zum 44. Niederrheinischen Musikfest in Aachen 1867, S. 32 <> Jahresbericht des Hoch’schen Konservatoriums 1883/84 <> Jahresbericht der Mainzer Liedertafel 1894/95 und 1895/96 <> Kurlisten Bad Homburg <> Speierer Zeitung 2. Febr. 1885; Augsburger Abendzeitung 10. März 1885; Unterfränkische Zeitung 18. Nov. 1885; Leipziger Wochenschrift für Textil-Industrie 12. Juli 1921 <> Wilhelm Fluhrer, Der Frankfurter Liederkranz 1828 bis 1928. Ein Ausschnitt aus der Frankfurter und der deutschen Kulturgeschichte, Frankfurt 1928, S. 67 <> August Bütschli, Goetheplatz-Erinnerungen, hrsg. von Wolfgang Klötzer, Frankfurt 21973, S. 247
Abbildung: Titelseite Der Taucher; D-B
Kristina Krämer