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FLOTOW, FRIEDRICH (ADOLPH HERMANN) VON * Teutendorf bei Sanitz (Mecklenburg) 27. Apr. 1812 | † Darmstadt 24. Jan. 1883; Komponist, Theaterintendant

Der aus mecklenburgischem Adel stammende Komponist hat nur die letzten zweieinviertel Jahre seines Lebens in der Mittelrhein-Region verbracht; zusammen mit seiner dritten Frau, der aus Wien stammenden Sängerin Rosina (Rosa) geb. Theen (1846–1925), und seiner Tochter Bernhardine (1869–1952) übersiedelte er im November 1880 in das großzügige Anwesen seiner Schwester Bernhardine Rößner am Heiligenkreuzberg in Darmstadt (Dieburgerstr. 235, Eintrag im Melderegister der Stadt). Verbindungen zum Mittelrhein hatten sich freilich schon viel früher angebahnt; so kam es offensichtlich im Kontext der Frankfurter Erstaufführung seiner Oper Rübezahl 1853 zunächst zu Vertragsverhandlungen über den Klavierauszug mit André in Offenbach; allerdings wurden diese von Flotow einseitig wieder aufgekündigt.

Die Eltern Flotows hatten den Sohn, seine musikalische Begabung respektierend und entgegen ihren ursprünglichen Plänen, bei Anton Reicha in Paris zum Komponisten ausbilden lassen. Die dortigen Eindrücke durch zahlreiche Opera comiques prägten Flotow nachhaltig hinsichtlich seines eigenen, rund 30 Werke umfassenden Musiktheaterschaffens (Opern, Ballette, auch Schauspielmusiken). Sogar seine größten Erfolge, Alessandro Stradella (UA Hamburg 1844) und Martha (UA Wien 1847), basieren auf französischen Vorlagen; Martha war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch international die meistgespielte Oper überhaupt. Die einzige längerfristige berufliche Anstellung seines Lebens band Flotow von 1855 bis 1862 als Intendant an das Hoftheater in Schwerin.

Noch in seinen letzten Darmstädter Lebensjahren widmete sich Flotow trotz stark nachlassender Sehkraft der Komposition und arbeitete an der Oper Sakuntala (Auftrag des Verlagshauses Ricordi in Mailand, nicht mehr vollendet). Daneben entstanden letzte Lieder. Entsprechend seiner außerordentlichen internationalen Popularität wurde bereits Flotows Ankunft in Darmstadt von der Presse vor Ort gebührend kommuniziert. Anschließend kam es zum Zusammenwirken mit lokalen musikalischen Institutionen; seine letzten Lieder wurden im Konzert aufgeführt. Noch wenige Tage vor seinem Tod trat Flotow am 15. Jan. 1883 als Klavierbegleiter seiner Frau in einem Konzert des Männergesangvereins auf. Nicht nur das Begräbnis am 27. Jan. 1883, auch die Enthüllung des Denkmals auf dem Alten Friedhof im Folgejahr mit einer lebensgroßen weißen Marmorstatue einer Frau, die einen Kranz der Verehrung an seinem Grab niederlegt, wurde von einem außerordentlichen Aufgebot an musikalischen Kräften (Militärmusik des 115er Leibgarde-Regiments, Hoftheatermusik (Chor und Orchesters), Männergesangverein, dessen Ehrenmitglied Flotow gewesen war) begleitet. Die Musiker des Leibgarde-Regiments boten sechs Wochen nach Flotows Tod bei einem Konzert beim Großherzog nochmals das Finale der Oper Alessandro Stradella dar (17. März 1883). Der Denkmalenthüllung am 26. Apr. 1884 ging am Vorabend im Hoftheater eine Aufführung eben dieser Oper voraus. Das Werk stand bereits seit 1845 auf dem Darmstädter Spielplan (EA 14. Sept. 1845); überrundet wurde es nur von der Aufführungsfrequenz von Martha (EA 23. Sept. 1849), bis heute insgesamt etwa 300 Mal in Darmstadt gespielt, zuletzt in der Spielzeit 1996/97. An dritter Stelle der Beliebtheit in Darmstadt stand Indra (EA 26. Dez. 1853), bis zum Ende des 19. Jahrhunderts insgesamt 32 Mal aufgeführt. Shakespeares Ein Wintermärchen wurde erstmals am 22. Apr. 1864 in Darmstadt mit Flotows Musik gegeben, der Tannkönig hatte am 17. Febr. 1867 seine erste Aufführung. Am 27. Sept. 1928 brachte das damalige Hessische Landestheater Darmstadt zum ersten Mal Flotows komische Oper Fatme heraus, am 27. Apr. 1934 folgte die Spieloper Sein Schatten.

1933 – 50 Jahre nach Flotows Tod – wurde am Ostrand von Darmstadt eine zunächst kurze Straße nach ihm benannt; verlängert stellt sie heute die wichtigste Nord-Süd-Achse des inzwischen erheblich vergrößerten Komponistenviertels dar.

Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Mehrzahl seiner ungedruckt gebliebenen Werke verbrannt war, der persönliche Nachlass als verschollen/vernichtet galt, begann der ehemalige Leiter der Musikabteilung der ULB Darmstadt, Dr. Fritz Kaiser, 1955 mit dem Aufbau eines privaten Flotow-Archivs. Nach Kaisers Tod 2008 wurde dieses den Historischen Sammlungen der ULB Darmstadt übergeben und lässt sich über ein maschinenschriftliches Verzeichnis erschließen. Neben zahlreichen Kopien von autographem und gedrucktem Material sowie umfänglichen Pressedokumenten umfasst Kaisers Sammlung vor allem auch 110 autographe Briefe Flotows, die sich in etlichen Fällen auf seine Musiktheaterkompositionen beziehen.

Werke — s. MGGonline; hier nur die in Darmstadt veröffentlichten: Das Glöcklein im Thal („Lieblich tönt vom Thal herauf“; Sst., Kl.), Darmstadt: Schödler [1882] – Nachdruck mit italienischem Text (La campana della valle („Odi a valle risuonar“)), Mailand: Lucca [1885]; I-Mc, I-Rsc <> Letzte Composition. Der blinde Musikant („An jener Landstrass’, staubbedeckt“ (Georg Leopold Mohr); Sst., Kl.), ebd. [1884]; A-Sm, A-Wn, D-B (digital), D-Dl

Quellen — Sammlung von Presseinformationen (zeitgenössisch bis heute), einzelne Briefautographe (2 von Flotow, 2 von Flotows Witwe); Stadtarchiv Darmstadt <> Briefe an André in Offenbach; D-Bla (Wien 1854), D-DS (Teutendorf 1877), D-OF (Wien 1854, Doberan 1858), S-Ssmf (Neusanitz 1877) <> Akte mit Sterbeanzeige sowie Abschrift seines Testaments; D-DSsa <> Privates Flotow-Archiv von Dr. Fritz Kaiser († 2008); D-DS <> Adolf Kugler, Friedrich von Flotow † (Nachruf), in: Darmstädter Tagblatt 31. Jan. 1883 <> zahlreiche Notizen und Berichte in der Lokal- und Fachpresse

Literatur — Kaiser 1964 <> Oswald Bill/Peter Kuhn: Art. Flotow, Friedrich von, in: Stadtlexikon Darmstadt (online) <> Sarah Hibberd, Le naufrage de la Méduse and operatic spectacle in 1830s Paris, in: Nineteenth-Century Music 36(3), 2013, S. 248–263 <> Fritz Kaiser/Robert Didion, Art. Flotow, Friedrich von, in: MGGonline (Version 2016)

Abbildung 1: Friedrich von Flotow mit seiner Ehefrau Rosina und Tochter Bernhardine; Stadtarchiv Darmstadt, mit freundlicher Genehmigung

Abbildung 2: Brief Friedrich von Flotows an André in Offenbach, Doberan 20. Aug. 1858; D-OF

Abbildung 3: Grabmal Friedrich von Flotows auf dem Alten Friedhof in Darmstadt, aufgenommen von Ursula Kramer im August 2020


Ursula Kramer

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  • Zuletzt geändert: 2023/03/07 11:49
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  • angelegt 2020/08/26 17:32