wallerstein


WALLERSTEIN, ANTON * Dresden 28. Sept. 1813 | † Genf 26. März 1892; Violinist, Komponist

Wem Anton Wallerstein aufgrund der schieren Menge bei Schott in Mainz verlegter Kompositionen für die Fragestellung des vorliegenden Lexikons „verdächtig“ erscheint, der mag bei einem Blick auf seine Biographie (siehe z. B. RiemannL), die vermeintlich ohne Berührung mit dem mittelrheinischen Raum verlief, zunächst enttäuscht werden: Nachdem seine Karriere als Violinist bereits im Kindesalter mit einzelnen Auftritten begonnen hatte, war Wallerstein an den Hofkapellen in Dresden (1829–1832) und Hannover (1832–1857) angestellt, unternahm mehrere große Reisen und lebte schließlich erneut in Dresden, wobei seine Betätigung als Komponist zunehmend in den Vordergrund rückte. So waren besagte Reisen zwar anfänglich Konzertreisen; in späteren Jahren (seit etwa 1849 trat er nicht mehr solistisch und nur selten als Dirigent auf) dienten sie jedoch hauptsächlich der gesundheitlichen Erholung von einem Nervenleiden wie auch der Pflege und dem Knüpfen künstlerischer und geschäftlicher Kontakte, um das Interesse an seinen seit 1840 bei Schott erschienenen Tänzen (für Kl., Kl. 4ms und Orch.) zu fördern; zudem nutzte er die Ruhe zur Komposition, wobei die vergebenen Titel mitunter auf die besuchten Orte verweisen.

Dass es Wallerstein tatsächlich in die Region am Mittelrhein führte, bezeugen Titel wie das Souvenir de Rüdesheim. Auch lassen sich seiner Korrespondenz und den Kurlisten in den Sommermonaten Kuraufenthalte (teils für seine eigene, teils für die Gesundheit seiner Frau oder Tochter) in Schwalbach (1845, 1871–1875), in der Wasserheilanstalt des ehemaligen Klosters Marienberg in Boppard (1848), in Ems (1851, 1856), Schlangenbad (1857) und Homburg (1886–1888, 1891) entnehmen. Darüber hinaus ließ sich Wallerstein mit seiner Tochter Camilla (* Dresden 19. Juli 1862 | † ebd. 10. Juni 1882 als verh. Zadeck) zwischen 1870 und 1875 (mit Ausnahme des Winters 1872/73, den sie in Cannstatt verbrachten) jeweils über mehrere Monate in Wiesbaden nieder, was ihm auch Gelegenheit bot, seinen Mainzer Verleger zu besuchen. Frühere Aufenthalte in Mainz waren u. a. 1850, 1853, 1857, 1860 und 1861 erfolgt. Von der intensiven Zusammenarbeit mit Schott zeugen neben den Verlagswerken ca. 250 überlieferte Briefe. Nach dem Tod Franz Philipp Schotts im Jahr 1874 wurde der um 1861 zwischen ihm und Wallerstein geschlossene Vertrag über die jährliche Ablieferung von maximal sechs (in einem früheren Vertrag waren es zwölf) Manuskripten aufgehoben. Wallerstein entstammte einer jüdischen Familie. Seine Ehefrau Jenny starb 1858 in Dresden (Brief vom 12. Mai 1858); später war er mit der Bankierstochter Auguste geb. Schie (* Dresden ca. 7. Juli 1827 | † ebd. 2. Febr. 1880) verheiratet. Gemäß seines Testaments wurden nach seinem Tod in Dresden eine Anton Wallerstein-Stiftung (je dreijährige Förderung eines bedürftigen Konservatoriumsstudenten) und eine Jenny Wallerstein-Stiftung zur jeweils dreijährigen Förderung eines bedürftigen deutschen Musikstudenten an einem Konservatorium sowie zur Auszeichnung zweier Schüler des Dresdner Waisenhauses eingerichtet (vgl. Dresdner Journal 17. Mai 1892).

Werke — Die rund 300 Kompositionen (Opuszählung bis 275) erschienen im deutschsprachigen Raum seit 1840 mehrheitlich im Schott-Verlag (vgl. Kat. Schott 1900), darunter 23 Jahrgänge des jeweils in der Weihnachtszeit veröffentlichten Albums Nouvelles Danses élégantes pour le Piano (1853, 1855–1876), das sich ausgesprochener Beliebtheit erfreute. Zahlreiche der Tänze für Klavier erschienen auch in Bearbeitungen für Orchester <> Nachfolgend eine Auswahl der Titel mit regionalem Bezug (sämtl. Mainz: Schott): Lorley-Ländler. Dorfgeschichte op. 38, [1848] <> Lorley-Polka. Dorfgeschichte op. 39, [1848] <> Volksklänge (1. Winzer-Polka, 2. Marien-Ländler, 3. Kirmes-Polka) op. 40, Mainz: Schott [1849]; in einem Brief vom 30. Sept. 1848 auch als Rheinische Dorfklänge betitelt, zudem erbat W. darin um Erlaubnis zur Widmung der „Polka in F“ an „Madame Schott jun.“ <> Souvenir d’Ems. Mazurka op. 72, [1852] <> Schottisch de Mayence op. 82, [1853]; (beabsichtigte Widmung an Franz Schott, vgl. Brief vom 21. Juni 1852) <> Schottisch de Wiesbade op. 84, [1853] <> Souvenir de Rüdesheim. Bacchus-Polka op. 149, [1859] <> Erinnerung an Frankfurt a/M. Polka op. 155, [1860] <> Souvenir de Wiesbade (Erinnerung an Wiesbaden). Ländler. op. 228, [1872] <> Souvenir de Hombourg. Varsovienne op. 249, [1875] <> Schriften: Abgesehen von kürzeren Notizen zu seinen Reisen und Kompositionen, die in zahlreichen Zeitungen abgedruckt wurden, veröffentlichte Wallerstein einige Beobachtungen, darunter Meyerbeer in Spaa (Süddeutsche Musik-Zeitung 2. Mai 1859), Kleine Skizzen von Anton Wallerstein (über die Opéra Comique und das Pariser Orchester) (ebd. 16. Mai 1859, 30. Mai 1859), Die Deutschen in Italien (Kölnische Zeitung 20. Sept. 1860), (Eine eigenthümliche Erscheinung) (Süddeutsche Musik-Zeitung 18. Juli 1864, ähnlich in Neue Berliner Musikzeitung 29. Juni 1864)

Quellen und Referenzwerke — Standesamtsregister Dresden <> Adressbücher Hannover, Dresden <> Briefe an Schott u. a., s. Kalliope <> [22., 24., 25.] Liste der Kurgäste und Durchreisenden zu Ems, Schwalbach, Schlangenbad und Weilbach 1845 <> Bade-Blatt für Wiesbaden 1870–1875 <> Homburger-Fremdenliste 1886–1888, 1891 <> Zahlreiche Nennungen in der musikalischen und regionalen Presse – biographische Abrisse in: Süddeutsche Musikzeitung 12. Dez. 1859; Über Land und Meer (Stuttgart) Nr. 4 (Okt.) 1873 (auch enthalten in Didaskalia 13. Sept. 1873); Signale für die musikalische Welt Nr. 27 (Apr.) 1892 (Nekrolog) <> MMB; Kat. Schott 1865, 1900

Literatur — Bernsdorf <> Mendel/Reissmann <> Frank/Altmann 121926 <> RiemannL 111929 <> Bernard Grun, Art. Wallerstein, Anton, in MGG1 <> Felicitas Behler, Art. Wallerstein, Anton, in MGG2P <> John Warrack, Art. Wallerstein, Anton in: NGroveD

Abbildung 1: Anton Wallerstein, Porträtfotografie von Carl Bornträger in Wiesbaden (Digitalisat aus D-F, Porträtsammlung Manskopf)

Abbildung 2: Titel des Souvenir de Rüdesheim (Kl.) op. 149, Mainz: Schott [1859]; D-BUDbierwisch


Kristina Krämer

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