mannstaedt


MANNSTAEDT, FRANZ (THEODOR WILHELM) * Hagen 8. Juli 1852 | † Wiesbaden 18. Jan. 1932; Dirigent und Pianist

Franz Mannstaedt, Sohn eines Hagener Fabrikinspektors, lebte seit 1865 bei seinem älteren Bruder Wilhelm (Heinrich Louis) (* Bielefeld 20. Mai 1837 | † Steglitz 13. Sept. 1904; Bühnendichter, Dirigent, Komponist) in Berlin und studierte Klavier (Heinrich Ehrlich) sowie Komposition (Friedrich Kiel) am Stern’schen Konservatorium; bei der öffentlichen Abschlussprüfung (1869) wurde ihm in beiden Fächern der 1. Preis zuerkannt. Anschließend trat er als Pianist und Klavierbegleiter öffentlich auf. Gegen Ende des Jahres 1873 übernahm er die Leitung der Konzerte des Vereins für Kunst und Literatur (Kunstverein) in Mainz, von wo aus er 1875 nach Bayreuth reiste, um sich auf Richard Wagners Wunsch („Mannstaedt ist da? Desto besser!“; Brief an Karl Eckert, Bayreuth 4. Okt. 1875) als Korrepetitor an den Vorproben zur ersten Ring-Aufführung im Festspielhaus – bei dessen Grundsteinlegung (1872) war er bereits zugegen gewesen – zu beteiligen. Anfang 1876 folgte Mannstaedt einem Ruf als Dirigent der Berliner Sinfoniekapelle; noch im selben Jahr gründete er den Gesangverein für classische Musik („Mannstaedt-Verein“) und wurde Klavierlehrer an seiner früheren Ausbildungsstätte; „in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen als Lehrer des Klavier- und Partiturspiels“ verlieh ihm die Königliche Akademie der Künste im Dezember 1881 den Professorentitel (Acta betr. Gutachten über die Ertheilung des Professorentitels, Bl. 72). Die Berufung zum Hofkapellmeister unter der Intendanz von Hans von Bülow führte ihn zu Beginn des Jahres 1882 nach Meiningen, doch kehrte er trotz der 1884 garantierten lebenslangen Anstellung und einer gleichzeitigen Ordensverleihung im Frühjahr 1885 nach Berlin zurück, da ihm die Leitung des Philharmonischen Orchesters (der vormaligen Sinfoniekapelle) erneut und unter vorteilhafteren Bedingungen angetragen worden war. Obwohl er durch einen Dreijahresvertrag an Berlin gebunden war, wurde Mannstaedt bereits um die Mitte des Jahres 1886 im Zusammenhang mit den Querelen um den Wiesbadener Theaterkapellmeister Carl Reiß via Pressemeldungen als dessen Nachfolger ins Spiel gebracht; er trat die Stelle jedoch erst im Oktober 1887 offiziell an, nachdem er zuvor im Wechsel mit August Langert (1836–1920) aus Coburg interimistisch (und neben seinen Verpflichtungen in Meiningen) die Leitung der Konzerte innegehabt hatte. Vom Freudenberg’schen Conservatorium wurde er zudem als Klavierlehrer gewonnen. Nachdem Mannstaedt im April 1893 ein weiteres Mal an seine frühere Stelle in Berlin zurückgekehrt war sowie während der Sommermonate die Kurkonzerte in Scheveningen geleitet hatte, kam es um die Mitte des Jahres 1897 zu einem bemerkenswertem Ämtertausch: Während Joseph Rebicek, der an seine Stelle in Wiesbaden getreten war, ihm in dessen Funktion bei den Philharmonikern nachfolgte, nahm Mannstaedt nun endgültig in Wiesbaden seinen Wohnsitz. Als Kapellmeister des Königlichen Theaters war er von Oktober 1897 bis zu seiner Pensionierung 1924 hier tätig; sein Nachfolger wurde Otto →Klemperer. Außerdem trat er – wie zuvor bereits in Meiningen und Berlin – bei zahlreichen Gelegenheiten als Pianist, Kammermusiker (u. a. mit Oskar Brückner) und Liedbegleiter (dies teils auch außerhalb, etwa 1906 in Limburg) in Erscheinung; er setzte seine Lehrtätigkeit am Conservatorium fort und fungierte außerdem seit 1902 als Nachfolger von Johann Baptist Zerlett als Dirigent des Wiesbadener Gesangvereins.

An Mannstaedt, dessen „stets gleichmäßig freundliches Wesen“ (Wiesbadener Neueste Nachrichten 7. Juli 1922) die Zeitgenossen zu schätzen wussten, erinnerte ein Gedenkkonzert aus Anlass der 100. Wiederkehr seines Geburtstags 1952 im Wiesbadener Staatstheater; der Erlös war für die Errichtung des Grabdenkmals bestimmt (s. Abb.). In Wiesbaden-Biebrich trägt eine Straße seinen Namen.

1877 schloss Mannstaedt die Ehe mit Antonie (Ursula Clara; gen. „Toni“) Racké (1854–1920), einer Tochter des Mainzer Kaufmanns und zeitweiligen Bürgermeisters Carl Anton Racké und Schwester der Gattin Fritz Steinbachs. Antonie (* Berlin 28. Febr. 1878), die erste und „anmutsvolle Tochter“ Mannstaedts (Wiesbadener Tagblatt 9. Febr. 1902), war seit 1904 verheiratet mit dem Wiesbadener Konzertmeister Heinrich Karl Burkhardt (* Wiesbaden 3. Jan. 1878 | † (gefallen) Diksmuide (Westflandern) 18. Nov. 1914). Tochter Adelheid (Marie) („Heide“; * Berlin 14. März 1879 | † Wiesbaden 6. Juli 1954) blieb unverheiratet und lebte als Schauspielerin in Wiesbaden; Tochter Margarete (Elisabeth) (* Berlin 11. Juni 1880) ehelichte 1909 in Wiesbaden den dort bis 1924 nachweisbaren königlichen Kammermusiker Jakob Sieber (* Iggelheim bei Speyer 22. Mai 1880 | † 18. Juli 1947). Der älteste Sohn Karl (Franz Wilhelm) (* Meiningen 12. Nov. 1882 | † 1968) ging nach Anstellungen als Theaterkapellmeister in Augsburg (um 1901) und St. Gallen (1912–ca. 1914) in gleicher Funktion nach Lübeck, wo er 1924 zum Generalmusikdirektor ernannt wurde; einzelne Kompositionen von ihm sind im Nachlass überliefert.

Werke — 2 Lieder („Vergiftet sind meine Lieder“, Gedenke mein („Leb’ wohl, mein Herz“); Sst., Kl.), Berlin: Fürstner [1870]; GB-Lbl <> Weitere Kompositionen aus der Berliner Studienzeit (Sonaten, Variationen und weitere Klavierstücke, Lieder) sind handschriftlich im Nachlass überliefert; die in Briefen und in der Presse der Jahre 1868 bis 1874 genannten Werke (u. a. Vokalquartette, eine achtstimmige Vokalfuge, Lieder, eine Sinfonie, ein Klavierquartett, eine Violinsonate, ein Marsch (Kl. 8ms)) blieben ungedruckt und sind weitgehend verschollen. Das aus Anlass seines Gesuchs um Verleihung des Titels eines königlichen Musikdirektors erstellte Gutachten (Berlin 18. März 1879; Acta betr. Verleihung des Titels Musikdirector, Bl. 185) betont, dass Mannstaedt sich bisher „durch keinerlei größre Compositionen“ bekannt gemacht hätte; die oben erwähnte Vokalfuge stamme „aus früherer Zeit“.

Quellen — Nachlass (Korrespondenz, Kompositionen etc.) im Besitz von Herrn Adrian Leppla, Geisenheim <> Stammtafel der Familie Racké; Privatbesitz Fam. Mannstaedt <> Akten in D-WIhha (Best. 428, Staatstheater Wiesbaden) <> Acta betr. Gutachten über die Ertheilung des Professorentitels 1874–1895; D-Bda (Best. Preußische Akademie der Künste Berlin, Akte 401; Bl. 72) <> Acta betr. Verleihung des Titels Musikdirector 1875–1882; D-Bda (Best. Preußische Akademie der Künste Berlin, Akte 403; Bl. 184 und 185) <> Briefe, s. Kalliope; weitere in A-Wn <> Brief Richard Wagners an Karl Eckert, Bayreuth 4. Okt. 1875; zit. nach Richard Wagner. Sämtliche Briefe. Band 27: Briefe des Jahres 1875, hrsg. von Martin Dürrer, Wiesbaden 2021, S. 265 <> Adressbücher Berlin, Lübeck und Wiesbaden <> Berliner Musikzeitung 28. März 1866, 8. Apr. 1868, 31. März 1869, 15. Dez. 1869 und passim; NZfM 9. Okt. 1869, 3. Apr. 1874, 4. Dez. 1874, 28. Jan. 1876, 13. Apr. 1877, 16. Apr. 1882, 11. Apr. 1884, 17. Dez. 1884, 1. Mai 1885, 9. Juli 1886, 17. Sept. 1886, 29. Okt. 1886, 9. Febr. 1887, 27. Apr. 1887, 18. Mai 1888 und passim <> Musikalisches Wochenblatt 9. Jan. 1873, 8. Mai 1874, 30. Apr. 1875, 15. Sept. 1876, 13. Apr. 1882, 17. Apr. 1884, 22. Jan. 1885, 30. Apr. 1885, 8. Juli 1886, 22. Juli 1886, 9. Sept. 1886, 14. Okt. 1886, 24. Febr. 1887, 12. Mai 1887, 26. Jan. 1888, 18. Aug. 1892, 19. Jan. 1893 und passim; AmZ 26. Febr. 1873; Neue Berliner Musikzeitung 22. Jan. 1874, 6. Jan. 1876; Signale für die musikalische Welt Nr. 49 (Sept.) 1876, Nr. 55 (Okt.) 1876, Nr. 10 (Febr.) 1882, Nr. 7 (Jan.) 1893, Nr. 27 (Apr.) 1893, Nr. 37 (Aug.) 1893, 12. Okt. 1897, 11. Dez. 1897, 22. Dez. 1920 (betr. Karl M.), 27. Jan. 1932 (Nekrolog) und passim; Wiesbadener Bade-Blatt 18. Okt. 1898, 10. Mai 1904, 10. Dez. 1924 und passim; Wiesbadener General-Anzeiger 27. Sept. 1902 und passim; Wiesbadener Tagblatt 3. Nov. 1903, 9. Febr. 1904 und passim; Frankfurter Musik- und Theater-Zeitung 25. Okt. 1906 und passim; Neue Zürcher Zeitung 16. Apr. 1913, 16. Dez. 1914 (betr. Karl M.); Wiesbadener Zeitung 16. Nov. 1914, 16. Jan. 1916, 21. Dez. 1919, 7. Jan. 1920 und passim; Wiesbadener Neueste Nachrichten 3. März 1920, 23. Dez. 1920, 7. Juli 1922 und passim <> freundliche Mitteilungen von Herrn Dr. Martin Dürrer (Würzburg) und Herrn Adrian Leppla (Geisenheim)

Literatur — Frank/Altmann 1927, MüllerDML, RiemannL 1961, GoltzL, StiegerO (zu Wilhelm M.)

Abbildung 1: Franz Mannstaedt, Foto; im Besitz von Adrian Leppla

Abbildung 2: Grabdenkmal auf dem Wiesbadener Südfriedhof; Foto fürs MMM von Adrian Leppla, Dez. 2021


Axel Beer

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  • Zuletzt geändert: 2023/07/25 00:33
  • von kk
  • angelegt 2022/01/15 02:14