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LEMES, ANDREAS * Mainz um 1585/90 | † verm. Mergentheim 1616/17; Musiker und Komponist

Nach Ausweis seiner 1614 erschienenen Motettensammlung Neotericum opusculum musices stammte Lemes aus Mainz („Moguntinus“); sein Vater war wohl der Zuckerbäcker Gerhard Lemes, dessen Witwe Maria („die Zuckerbeckerin“) 1606 starb. Über seine Ausbildung ist nichts bekannt; der bedrohlich gelehrt wirkende Titel der Ausgabe, ein neulateinisch-griechisches Konstrukt – vielleicht am besten als „musikalisches Erstlingswerkchen“ zu übersetzen –, lässt auf ein zumindest nicht fortgerücktes Alter des Komponisten schließen. Auch wird Lemes akademischen Kreisen nahegestanden haben, worauf die dem Notentext vorangehenden lateinischen Lobgedichte aus der Feder eines „affinis“, eines Verwandten oder Bekannten also, schließen lassen. Seit wann er die ebenfalls auf dem Titel genannte Tätigkeit eines „Phonascus“ und „Harmonista“ (zweifellos auch die des Organisten) am Deutschordenssitz in Mergentheim ausgeübt hat, ist vorläufig nicht zu ermitteln; die Hofratsprotokolle des Jahres 1615 bezeichnen ihn lediglich als „Zim[m]erwarter“ und lassen eine vielfach begegnende (weil kostensparende) Kombination unterschiedlicher Funktionen erkennen. Nicht lange danach scheint er gestorben zu sein. Andreas Lemes war der erste Komponist nördlich der Alpen, der sich dezidiert der geringstimmigen, generalbassbegleiteten geistlichen Vokalmusik nach italienischem Muster zuwandte; als Anregung dienten ihm ohne Zweifel die seit 1609 erschienenen Viadana-Ausgaben des Frankfurter Verlegers Nikolaus Stein, der – nicht zufällig – auch Lemes’ Sammlung herausbrachte. Übrigens: Die Namensform „Andrea Lemes“ auf dem Titel der Sammlung ist der grammatikalischen Struktur des lateinischen Texts geschuldet und verweist somit nicht auf eine Komponistin. Auch war Lemes nicht, wie hier und da behauptet, als Musikverleger tätig.

WerkeNeotericum opusculum musices, quod partim una, partim autem binis, ternis, quaternisve pro commoditate musicorum, non solum ad organum, verum etiam ad quodvis instrumentorum genus facile applicari poterit […], Frankfurt: Stein 1614; s. RISM L 1875 – Widmung an Eustachius von Westernach (Deutschordensstatthalter in Mergentheim) und Conrad Schutzpar (Statthalter der Deutschordensballei Franken). Die von Göhler genannte zugehörige Resolutio musicalis ad organum reducta, sive, ut dicant, partitura concentuum (Frankfurt: Stein 1615) scheint nicht erhalten zu sein. Aus der Sammlung einzeln überliefert: „Confitebor tibi Domine“ und „In te Domine speravi“ in: Johannes Reininger (Hrsg.), Deliciae sacrae musicae, Ingolstadt: Haenlin 1626 (RISM B/I 1626|2); letzteres auch in: Corona sacra, Antwerpen: Phalèse 1626 (RISM B/I 1626|4); „Jubilemus in arca Domini“, Ms. in D-Dl (s. RISMonline)

Referenzwerke und Literatur — Albert Göhler, Verzeichnis der in den Frankfurter und Leipziger Messkatalogen der Jahre 1564 bis 1759 angezeigten Musikalien, Leipzig 1902, S. 48 (Göhler 2) <> Emil Bohn, Bibliographie der Musik-Druckwerke bis 1700, welche in der Stadtbibliothek, der Bibliothek des Academischen Instituts für Kirchenmusik und der koeniglichen und Universitaets-Bibliothek zu Breslau aufbewahrt werden, Berlin 1883, S. 247 <> Axel Beer, Die Annahme des stile nuovo in der katholischen Kirchenmusik Süddeutschlands, Tutzing 1989 (dort Quellenangaben) <> Ders., Die Musikdrucke des Frankfurter Verlegers Nikolaus Stein, in: Kirchenmusikalisches Jahrbuch 101 (2017), S. 7–18

Abbildung: Neotericum opusculum musices […], Frankfurt: Stein 1614; mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek Wien


Axel Beer

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  • von mb
  • angelegt 2020/09/27 15:37